Frühlingsfieber in den Wiener Galerien

Camila Sposati, From Within, Beneath, and Beyond: Through Matter, Ausstellungsansicht, © Lombardi—Kargl, Courtesy the artist and Lombardi—Kargl, Foto: kunst-dokumentation.com

Das Rad der Kunst dreht sich wieder und Wiens Galerien präsentieren ihre Frühlingsausstellungen. Die Stimmung ist weniger luftig als die Jahreszeit: Ein Rundgang durch Kettensägen, Betonautos und Stahlpaneele.


GALERIE KRINZINGer

MONICA BONVICINI / GOTTFRIED BECHTOLD | bis 16.05.2025

In Monica Bonvicinis Universum taucht man sofort ein:  Ein Schritt in die Galerie, und gleich erkennt man sich in einem Spiegel wieder, an den ein Paar Handschellen gekettet sind. Wer würde sich da nicht fragen, wie sehr er an sein Spiegelbild gefesselt ist? Ein starker Einstieg! Lederfesseln und Bondage sind seit jeher ein Thema der Künstlerin, in einer neuen Serie in Murano-Glas umgesetzt, gleichsam eine Ode an die Glaskunst ihrer Heimat Venedig. Metallringe halten die kurzen Glasriemen der Skulptur „To hold you falling“ zusammen, aber in der gegenüberliegenden Siebdruck-Arbeit wartet die Kettensäge nur darauf, den Fall zu beschleunigen. Wer es weniger aggressiv mag, findet bei den bunt beschichteten Stahlketten im nächsten Raum sein Glück. Die optische Leichtigkeit der Objekte täuscht allerdings, sie wiegen schwer: Eine Interpretation, die auch Bonvicins Werk hergibt.

Auf der anderen Seite des Ganges ist mit Gottfried Bechtold ein Künstler zu sehen, der ebenfalls männliche Fantasien in den Mittelpunkt rückt; bloß auf völlig unterschiedliche Weise. Bechtold beschäftigt sich seit mehr als 50 Jahren mit Autos, genauer gesagt mit dem Porsche. Bereits 1971 präsentierte einen Abguss seines eigenen 911er, den sogenannten Betonporsche, als Ästhetisierung eines Luxusgutes. Die ausgestellten Miniversionen sollen heute wohl an jene Zeiten erinnern, als echte Männer noch echte Autos fuhren… Kaum wegsehen kann man hingegen bei einem Video, in dem der Porsche zu einer Form gepresst wird – vordergründig mag es zwar um den skulpturalen Begriff und dessen Eindämmung gehen, in Wahrheit ist man jedoch von der Zerstörung eines Luxusgutes schlicht fasziniert.

 


GALERIE NÄCHST ST. STEPHAN

ALICE ATTIE | bis 30.04.2025

Eine Künstlerin, die auch Literaturwissenschaftlerin ist: Naheliegend, dass sich Attie in ihrem Werk mit dem Geschriebenen beschäftigt. Ihr tiefes Gefühl für Sprache übersetzt sie in ihre Zeichnungen. In „Blue Tumbling Alphabet“ etwa purzeln Buchstaben umher, und nach Philosophen benannte Werke wie „Professor Achille Varzi Logic“ zeigen einen Wust an unverständlichen Zeichen und Buchstaben. Es ist wie ein Augenzwinkern: Form und (unverständlicher) Inhalt entsprechen einander. Ein poetisches Werk mit einem feinen Schuss Ironie.


SMOLKA CONTEMPORARY

MANFRED WALKOLBINGER | bis 06.05.2025

In gewissem Sinne alphabetisch geht es auch bei Manfred Wakolbinger zu, der selbsterfundene Formen (Buchstaben oder Musiknoten nicht unähnlich) aus Kupfer gießen lässt. Das harte Metall wirkt plötzlich schmiegsam und ergibt Skulpturen, von denen man nur schwer die Finger lassen kann. Näherkommen sollte man auch „You have to look up to get grounded“, zwei Werken auf Stahlformrohr, die uns einen unerwarteten Ausblick in die Welt bieten. Hingehen und durchsehen!


Krinzinger Schottenfeld

GRUPPENSCHAU | bis 18.04.2025

Einen Trip in die Schottenfeldgasse definitiv wert ist die Gruppenausstellung der elf Artists in Residence. Man trifft auf arriviertere Namen wie Hanakam & Schuller, die Prints von durch KI erstellten Porzellanfiguren im Stil des 18. Jahrhunderts zeigen. Diese gehen allerdings sehr zeitgenössischen Tätigkeiten nach, wie dies etwa bei dem „Amazon-Boten“ der Fall ist, der, Kopfhörer am Ohr, sein Paket anliefert. Stereotypisierte Berufsdarstellungen - gestern und heute! Weiters stechen noch die Arbeiten von Christian Rothwangl heraus, der seine ausgewaschene Technik in Pastelltönen perfektioniert, oder Erik Schmidt, der seine hippen, ins Handy starrenden Protagonisten ganz altmodisch in Tusche auf Papier einfängt.


LOMBARDI KARGL

ANDREAS FOGARASI / CAMILA SPOSATI | bis 03.05.2025

Die Galerie zeigt zwei Positionen, die einander auf das Interessanteste bereichern. Der Eingang führt durch Andreas Fogarasis Steel Wall; ein Paneel, das er während Bauarbeiten gefunden hat. In jeder Werksbeschreibung notiert er den Ort, von dem die Materialien stammen, die er dann in Kombinationen präsentiert. Fogarasi wird damit zum Archäologen, zum Archivar einer sich entwickelnden Stadt. Die Frage nach dem, was unter der Erde liegt, treibt auch Camila Sposati um, die in ihren Werken „Materialisierungen“ untersucht. Was im Galerietext etwas sperrig klingt, kommt jedoch durchaus ästhetisch rüber, etwa in den Gouachen „Earth Pieces and a Golden Line“, in denen kristalline Formen in unterschiedlichen Farben von einer goldenen Linie durchbohrt werden.


SOPHIE TAPPEINER

JASMINE GREGORY | 11.04 bis 17.05.2025

Zuletzt sei ein kleiner Ausblick auf die Show einer spannenden amerikanischen Künstlerin gestattet: „Diva’s Lounge“ mit Jasmine Gregory, die sich für ihre kritische Auseinandersetzung mit unserer Konsumgesellschaft einen Namen gemacht hat. Es wird abstrakte Malerei zu sehen sein, über die quer das Wort „Divorce“ läuft, in dem Schriftzug bekannter Marken wie Vogue oder Dior. Läutet Gregory damit ihre Trennung von der Malerei ein – oder jene vom Kunstmarkt? Antworten gibt’s beim Opening am 10. April.

 


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