FORT - Den Zweifel in die Welt streuen
Sie sind das perfekte Team. Seit mehr als 15 Jahren sind Alberta Niemann und Jenny Kropp als Künstlerduo FORT erfolgreich. Jetzt haben sie zusammen eine Professur an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel angenommen und bereiten ihre nächste Ausstellung in der Galerie Thoman in Innsbruck vor. Ein Atelierbesuch.
Fort - „temporär und performativ“
Ideen entstehen, Ideen werden diskutiert, manchmal gebacken, oft verworfen. Neuen Ideen geht es nicht anders. Ist die eine, die überzeugende Idee gefunden, wird sie weiterentwickelt, bis wieder Neues und schließlich Endgültiges daraus entsteht.
Der Zweifel scheint ein Antrieb für die Kunst von FORT zu sein. FORT, das sind seit 2008 Jenny Kropp und Alberta Niemann. Anfangs waren sie ein Trio, die dritte Künstlerin, Anna Jandt, wollte mehr allein ausprobieren und stieg 2013 aus. Seitdem sind Alberta und Jenny FORT; ergänzen sich, bereichern sich, können die Ideen der jeweils anderen weiterdenken, fühlen sich nicht als Konkurrentinnen, sondern als Team. Sie arbeiten „temporär und performativ“, in ihren Arbeiten spiele Zeitlichkeit und das Abwesende eine wichtige Rolle, da passe ein Wort wie „fort“ perfekt.
Auch für ihre aktuelle Ausstellung in der Galerie Thoman in Innsbruck wurden viele Ideen geboren und verworfen. Entschieden haben sie sich für mehrteilige Arbeiten, die unter dem Titel „At Night We Stay Awake Defending The Form“ in der Ausstellung versammelt sind. Die größte Werkgruppe mit dem Titel „Kingdom of Caring“ besteht aus Fenstergittern, wie sie an vielen Häusern als Einbruchschutz verwendet werden. Die Gitter werden – ohne Fenster – als Objekte an den Galeriewänden hängen und sind mit Geschenkbändern und bunten Schleifen geschmückt.
Die Künstlerinnen sprechen von der „Faszination für die Ambivalenz“, wenn sie über ihre Arbeiten nachdenken.
Sie haben schon Fenster gezeigt und auch Türen. Zum Beispiel einen nachgebauten Flur mit Wohnungstüren, die sich über Türspione zu beobachten scheinen („Eye to Eye“, 2017). Neben Alltagsgegenständen wie Telefone, Sonnenschirmständer, Löwenkäfige, Hundehütte, hübsch verpackte Geschenke, die sie in ihre Gedankengebäude schicken und dann als etwas Neues, Bearbeitetes, Verändertes wieder freigeben, arbeiten sie gern mit der Wahrnehmung der Betrachter und stellen diese auf die Probe.
Großer Aufwand schreckte sie noch nie. Ihre erste Zusammenarbeit, da waren sie noch Studentinnen, bestand darin, ein Hotel in einem leerstehenden Gebäude einzurichten – für drei Tage und drei Nächte und mit ihnen als Zimmermädchen. 2023 bereiteten sie im Rahmen des „Artists in Residence Siegen“-Stipendiums über den Zeitraum eines Jahres die Eröffnung des „Archivs der Sorgen“ vor, machten Werbung für das Archiv, plakatierten in der Stadt ihre Reflexionen über den Begriff der Sorge und nahmen 18 Tage lang Sorgen der Siegener Bürger in einem kleinen Häuschen an. Das „Archiv“ wurde Teil einer Installation im Foyer des Rathauses mit sprechenden Raben, die sich die gesammelten Sorgen der Menschen gegenseitig erzählten.
Die Idee dafür entstand nach der großen Krise. Denn während der bleiernen Pandemie-Zeit ohne Ausstellungen und Öffentlichkeit wurde der Zweifel an der eigenen Arbeit, am Künstlersein bei beiden riesig. Doch die künstlerischen Prinzipien, denen FORT folgt, führten sie nicht nur in die Krise, sondern auch wieder hinaus.
Doch das erschien ihnen schnell zu selbstbezogen, zu eitel. Dann kam die Einladung nach Siegen und die Krise wurde zur Chance. Sie übertrugen die Idee auf die Stadtgesellschaft. So funktionierte sie.
Das Projekt finanzierte die aufwendige Produktion der elektronisch gesteuerten Raben, deren Texte von Schauspielerinnen wie Sophie Rois und Lilith Stangenberg eingesprochen wurden.
Seit dem Wintersemester 2023/24 sind Jenny Kropp und Alberta Niemann Professorinnen für Bildhauerei an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Wie auch sonst in ihrem Arbeitsleben haben sie die Professur gemeinsam übernommen. Den Studenten wollen sie beim Finden der eigenen künstlerischen Sprache helfen. „Ich glaube, wir sind gut darin, zum Handeln zu animieren. Denn eine eigene Sprache findet man beim Ausprobieren“, erklärt Jenny Kropp. Sie wollen aber auch helfen, Projektförderungen zu beantragen, Ausstellungen zu organisieren, um die eigene Kunst zeigen zu können. Und sie wollen den Studierenden beibringen, sich unabhängig zu machen.
Fest steht, erst wenn sie sich einig sind, wird aus einer Idee eine Arbeit. So lange schlummern die Ideen – in einfachen, klaren Zeichnungen – in einem Karteikasten. Hier lagert der Ideenrohstoff für neue Werke. Es ist der Tank, aus dem sie schöpfen. Ist ein Ende der Zusammenarbeit, ein Ende von FORT denkbar? „Die Raben“, sagt Alberta Niemann, „die Raben hätten sich darüber unterhalten.“ Es wäre ein Spiel, ein Gedankenspiel, gewesen.
Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck
Maria-Theresien-Straße 34, 6020 Innsbruck
Österreich
FORT
At Night We Stay Awake Defending the Form
bis 10. September