Tom Wesselmann & ...

Fondation Louis Vuitton – Pop Forever

Tom Wesselmann, Sunset Nude with Big Palm Tree, 2004, Öl auf Leinwand, 266,7 x 325 x 5,5 cm, Fukutake Foundation, Naoshima, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Jeffrey Sturges

Die Fondation Louis Vuitton zeigt mit „Pop Forever, Tom Wesselmann & …“ eine Auseinandersetzung mit der künstlerischen Bewegung der 1960er-Jahre, die bis heute von Einfluss ist und deren Themen von einer jungen Künstlergeneration wieder aufgenommen und neu interpretiert werden.


Im Mittelpunkt der von den beiden österreichischen Kunsthistoriker:innen Dieter Buchhart und Anna Karina Hofbauer kuratierten Ausstellung steht der Künstler Tom Wesselmann (1931–2004). Doch betonen Buchhart und Hofbauer, dass es sich in der Schau um weit mehr als eine Retrospektive handelt. Vielmehr werden ausgehend vom Werk Tom Wesselmanns die Vielfältigkeit und die unterschiedlichen Aspekte der Pop-Art aufgezeigt.

„Tom Wesselmann arbeitete in unterschiedlichen Medien, mit Collage, Skulptur und Malerei – und entwickelte stets Neues mit unglaublicher Kreativität. So vereint sein Œuvre die vielen unterschiedlichen Zugänge und Parameter der Pop-Art. Sein Werk fasziniert bis heute, vor allem auch eine junge Künstler:innengeneration. Daher wollten wir der Frage nachgehen, was die Kunst von Tom Wesselmann so anziehend macht.“

Tom Wesselmann, Mouth #2, 1966, Liquitex und Öl auf geformter Leinwand, 99,1 x 200,7 cm, Fondation Louis Vuitton, Paris, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Primae / David Bordes

Tom Wesselmann, Mouth #2, 1966, Liquitex und Öl auf geformter Leinwand, 99,1 x 200,7 cm, Fondation Louis Vuitton, Paris, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Primae / David Bordes

Wie der Titel „Pop Forever“ schon impliziert, geht es den Kurator:innen auch um die These einer zeitlosen Pop-Art. Es ist eine duale Schau, die anhand von 150 Werken einen repräsentativen Überblick über Wesselmanns Schaffen gibt, gleichzeitig einzelne Themen herausgreift und anhand von Werken von 35 Künstler:innen aus unterschiedlichen Generationen kontextualisiert. Ihre Arbeiten sind in die Schau eingebunden und treten in Dialog mit dem Œuvre Wesselmanns. Beginnend mit dadaistischen Vorgängern wie Marcel Duchamp, Kurt Schwitters und Hannah Höch, die, so Buchhart im Katalogtext, „das Substrat formten, das notwendig war für die Entwicklung der Pop-Art“. Dazu kommen Werke von Weggefährt:innen und Zeitgenöss:innen wie Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Kiki Kogelnik, Robert Rauschenberg, Jasper Johns bis hin zu einer jungen Generation mit Mickalene Thomas und Derrick Adams, die Wesselmanns Sensibilität für „Pop“ und seine Ästhetik teilen.

Malerei bezieht sich auf beides, Kunst und Leben.

Robert Rauschenberg

Man sieht der Ausstellung die profunde Recherchearbeit an. So sind eine reiche Auswahl an Leihgaben aus institutionellen und privaten Sammlungen nach Paris gekommen – inklusive der monumentalen „Standing Still Lifes“. Vor allem aber punktet die Schau mit einer erweiterten Perspektive auf die Pop-Art und ihre Relevanz aus dem Blickwinkel der Gegenwart.

Ai Weiwei, Han Dynasty Urn with Coca Cola Logo (tan), 2015, 43,1 x 30,4 cm, Collection Larry Warsh, © Ai Weiwei, Adagp, Paris, 2024, Foto: © Jeffrey Sturges

Ai Weiwei, Han Dynasty Urn with Coca Cola Logo (tan), 2015, 43,1 x 30,4 cm, Collection Larry Warsh, © Ai Weiwei, Adagp, Paris, 2024, Foto: © Jeffrey Sturges

VON DER ABSTRAKTION ZU DEN »GREAT AMERICAN NUDES«

Tom Wesselmann wurde 1931 geboren und begann Ende der 1950er-Jahre zu malen. Ausgehend von Porträt-Collagen übernahm er das ikonografische Vokabular seiner Zeit, indem er Werbetafeln, Bilder und Objekte in seine Arbeit integrierte. 1961 begann er die Serie „Great American Nudes“, die ihn ins Rampenlicht der Kunstwelt brachte. In den „Nudes“ legt Wesselmann die Klischees des US-amerikanischen Traums offen und bezieht patriotische Motive ein wie den Sternenbanner, typische Landschaften oder Bilder der Gründungsväter der USA. Diese Bilder stammen oft aus Magazinen und Zeitungen und entlarven den, in den USA zelebrierten Patriotismus.

Die freche Herangehensweise an die Erforschung von Sexualität und Verlangen hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf meine künstlerische Vision und Praxis.

Mickalene Thomas

Wesselmann distanzierte sich von der Etikettierung Pop-Art für eine doch heterogene Gruppe an Künstler:innen, wie er in einem Gespräch mit dem Kunstkritiker G.R. Swenson betont, das Dieter Buchhart in seinem Katalogtext zitiert: „Ich mag Etiketten im Allgemeinen und Pop im Besonderen nicht, vor allem weil sie die verwendeten Materialien überbetonen. Es scheint zwar eine Tendenz zu geben, ähnliche Materialien und Bilder zu verwenden, aber die unterschiedliche Art und Weise, wie sie verwendet werden, verwehrt jede Art von Gruppenabsicht.“

Tom Wesselmann, Great American Nude #31, 1962, Öl und Mixed Media Collage auf Holz, 152,4 x 121,9 cm, Private collection, © Adagp, Paris, 2024

Tom Wesselmann, Great American Nude #31, 1962, Öl und Mixed Media Collage auf Holz, 152,4 x 121,9 cm, Private collection, © Adagp, Paris, 2024

 

Dennoch, so Buchhart, findet sich eine Gemeinsamkeit der Pop-Art-Künstler:innen. So verstand Wesselmann seine Bilder nicht als Kritik an der Konsumkultur, sondern als Ästhetisierung der Gegenstände des täglichen Lebens, die er integrierte. Dabei orientierte er sich an den klassischen Genres der Malerei (Stillleben, Akt, Landschaft), die er jedoch in der Folge radikal erweiterte – inhaltlich wie technisch. Er behielt zwar die für die Pop-Art typischen knalligen, satten Farben bei, mischte sie jedoch mit neuen Einflüssen.

Unverändert blieb sein lebenslanger Dialog mit bedeutenden Künstlern der Klassischen Moderne, wie Henri Matisse und Pablo Picasso, sowie anderen europäischen Meistern der Moderne, die stilistisch oder als direkte Zitate immer wieder in seinen Bildern aufblitzen.

Tom Wesselmann, Still Life #56, 1967–1969, Öl auf geformter Leinwand, 237,5 x 274,3 x 91,4 cm, MAMAC – Musée d’Art moderne et d’Art contemporain, Nice, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Robert McKeever

Tom Wesselmann, Still Life #56, 1967–1969, Öl auf geformter Leinwand, 237,5 x 274,3 x 91,4 cm, MAMAC – Musée d’Art moderne et d’Art contemporain, Nice, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Robert McKeever

 

ZWISCHEN HYPERREALITÄT UND PARTIZIPATION

In seinen „Still Lifes“ vergrößert Tom Wesselmann die verschiedenen Elemente und integriert Fetische des US-amerikanischen Traums sowie Objekte des Alltags, vom rosa Kühlschrank über den Küchentisch mit Cola-Flaschen bis hin zu Telefon, Fernseher oder den Handtüchern in seinen Badezimmer-Bildern. Zuweilen kombiniert er diese mit Ton und Licht. In den Fernsehern und Radios laufen Programme aus den Entstehungsjahren der Bilder, etwa ein TV-Ausschnitt, in dem der damalige US-Präsident Ronald Reagan mit Michael Jackson spricht, aber auch – extra für die Ausstellung – eine permanente Live-Übertragung aus der Jetztzeit, was in Zeiten des US-Wahlkampfes in Verbindung mit Wesselmanns Bildern zu skurrilen, nahezu surrealen Szenen führte.

Dieser Artikel wurde gekürzt. Lesen Sie weiter in der aktuellen Ausgabe Ausgabe 04/2024.

Tom Wesselmann, Still Life with Blue Jar and Smoking Cigarette, 1981, Öl auf geformter Leinwand, 274,3 x 561,3 x 167,6 cm, The Estate of Tom Wesselmann, New York, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Robert McKeever, Courtesy Gagosian Gallery

Tom Wesselmann, Still Life with Blue Jar and Smoking Cigarette, 1981, Öl auf geformter Leinwand, 274,3 x 561,3 x 167,6 cm, The Estate of Tom Wesselmann, New York, © Adagp, Paris, 2024, Foto: Robert McKeever, Courtesy Gagosian Gallery

Fondation Louis Vuitton

8 Avenue du Mahatma Gandhi, 75116 Paris
Frankreich

Pop Forever Tom Wesselmann &…

bis 24.02.2025

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