Malerei

Figuration und Narration

Ob in der letzten Venedig-Biennale 2019, in Museumsausstellungen oder auf dem Kunstmarkt: Die gegenständliche, figurative Malerei ist zurück.


Eine Malerei, mittels der aktuelle Fragen der Gesellschaft wie Migration, Geschlechteridentitäten oder Rassismus thematisiert werden, in der Künstler und Künstlerinnen aus Asien und der afrikanischen Diaspora zwischen kultureller Tradition, Zeitgeist und kritischer Reflexion aktiv die Szene prägen, in der sich junge Künstler und Künstlerinnen spielerisch mit der kunsthistorischen Tradition auseinandersetzen und dieser Motive und Elemente entnehmen.

TOYIN OJIH ODUTOLA, Reiteration, 2020, Farbstift und Graphit auf Dura-Lar, 27 × 35 cm, Courtesy JACK SHAINMAN GALLERY

Gleichzeitig entwickelt sich auch eine Tendenz zum Narrativen, zu einer eher lyrisch-poetischen Bildkonzeption, die mehr an der Erzählung als am Formalen interessiert ist – inklusive illusionistischer Raumvisualisierung und flächiger Farbverläufe, die in ihren Couleurs zuweilen an Vorläufer der Pop Art erinnern. Inhaltlich scheinen dabei keine Grenzen gesetzt – die Orientierung an der Leinwand hingegen scheint obligat. Auch das kleine Format findet durchaus Zuspruch in der jungen Generation. Und noch etwas ist auffallend: Die seit den 1980er-Jahren obsolete Trennung in abstrakt und figurativ scheint auch in der Gegenwart gültig zu sein, indem durchaus gestische, nahezu abstrakte Bildteile mit figurativ-gegenständlichen Motiven kombiniert werden.

Die gemalte Figur repräsentiert Erzählungen von erinnerter Realität und eröffnet so Handlungsräume. Ein Überblick über einige herausragende internationale Positionen von unserem Korrespondenten aus Paris J. Emil Sennewald.

Paris – Es scheint, als wäre ein neues Jahrhundert erwacht. Ein Jahrhundert, dessen Lebenswirklichkeit, Zeitgeist, Empfinden von figurativen Gemälden dargestellt werden. Im Vordergrund blickt eine Figur aus dem Bild, hinter dem Selbstporträt sind ein Wohnraum, Zeichnungen, Farbverläufe an den Wänden zu erkennen. Wenngleich scheinbar ein alltäglicher Moment, vermittelt die Szene die Intensität gelebter Erinnerung. Verblüffend, wie die 30-jährige Georgierin Elene Shatberashvili existenzielle Momente ins Bild einzufangen versteht. In der Villa Emerige, Kunststiftung des gleichnamigen Immobilienunternehmens im mondänen 16. Pariser Arrondissement, ist sie derzeit Anwärterin auf das mit 15.000 Euro dotierte Stipendium „Révélations“.

Shatberashvili gehört zu jenen Malerinnen, die heuer entspannt, ohne Angst vor der Last der Kunstgeschichte, das narrative Potenzial figurativer Malerei aufleben lassen.

J. Emil Sennewald

Wie auch die 1983 in Nigeria geborene Njideka Akunyili Crosby, deren Mixed-Media-Gemälde seit 2015 viel Marktinteresse finden. Voraussichtlich ab 4. Dezember in der Ausstellung „The Power of My Hands“ im Musée d’art moderne Paris vertreten, nutzt auch diese in Kalifornien lebende Künstlerin ihre in Interieurs porträtierten Figuren zur Erzählung: Kleidung und Oberflächen erinnern anhand von collagierten Fotos an die ihnen im wörtlichen Sinn „anklebende“ Geschichte. Es ist auch jene der figurativen Malerei selbst.

Lesen Sie weiter in unserer PARNASS Ausgabe 04/2020!

ELENE SHATBERASHVILI | Selbstporträt im roten Kleid, 2020, Öl auf Leinwand, 100 × 80 cm, Droits réservés | Courtesy 7th Emerige Revelations Grant / CLAUDINE COLIN COMMUNICATION

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