Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo

Fantastische Frauen | Schirn Kunsthalle Frankfurt wieder offen: Ausstellung verlängert bis 5. Juli

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat in den letzten Jahren eine Reihe von bemerkenswerten Ausstellungen gezeigt, die den wesentlichen, doch wenig dokumentierten Anteil von Künstlerinnen in verschiedenen kunstgeschichtlichen Epochen in den Mittelpunkt stellte – vom Beitrag der Impressionistinnen über die Sturm-Frauen oder die unlängst gezeigte Einzelausstellung zu Lee Krasner, die dokumentierte, dass auch der Abstrakte Expressionismus in den USA nicht nur eine Sache der Künstler war. Nun ist dem Museum mit „Fantastische Frauen“ erneut eine Schau gelungen, die einen neuen Blick auf eine Kunstbewegung ermöglicht und den nicht unwesentlichen Anteil der Künstlerinnen am Surrealismus dokumentiert.


„Das Weib ist ein mit weißem Marmor belegtes Brötchen“, schrieb Max Ernst auf der Einladungskarte zur Ausstellung Meret Oppenheim, 1936 in der Galerie Schulthess in Basel. Nur um noch weiter auszuführen: „Wer überzieht die Suppenlöffel mit kostbarem Pelzwerk? Das Meretlein. Wer ist uns über den Kopf gewachsen? Das Meretlein!“ Keine Reaktion skizziert deutlicher die ambivalente Haltung der Surrealisten gegenüber dem zunehmenden Erfolg der Künstlerinnen, die in Verbindung zur Gruppe standen, so Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung. Grund der von Josef Helfenstein in seinem Buch „Meret Oppenheim und der Surrealismus“ zitierten Aussage von Max Ernst war der kometenhafte Aufstieg der um zwanzig Jahre jüngeren Meret Oppenheim, seiner ehemaligen Geliebten. Oppenheim verließ Ernst 1935 nach nur einem Jahr Beziehung, 1936 kaufte Alfred Barr, Gründungsdirektor des MoMa, für das Museum ihr Objekt „Pelztasse“ an, das in der Ausstellung „Fantastic Art, Dada, Surrealism“ im selben Jahr als Ikone des Surrealismus gefeiert wurde.

Leonora Carrington, Selbstbildnis in der Auberge du Cheval d'Aube, 1937/38, Öl auf Leinwand, The Metropolitan Museum of Art, New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Ernst, seit den 1920er-Jahren ein zentrales Mitglied der surrealistischen Bewegung, fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Wie umfangreich und auch revolutionär der Beitrag der Künstlerinnen im Surrealismus war, zeigt die Ausstellung in der Schirn Kunsthalle nun auf eindrückliche Weise. „Für mich ist der Surrealismus feminin“, erklärt Ingrid Pfeiffer und bezieht dies auf die Manifeste und Texte der Surrealisten, in denen sich die Künstler und Literaten gegen das Patriarchat, gegen die bürgerliche Gesellschaft und das Modell der Familie wandten – und Kirche und Staat als gescheitertes System betrachteten.

Für mich ist der Surrealismus feminin.

Ingrid Pfeffer

Das Weibliche wurde idealisiert und stand für Pazifismus und eine neue gesellschaftliche Ordnung. Dennoch waren über lange Jahre die Mitglieder der Gruppe überwiegend männlich und so manche Aussage extrem intolerant. So sprach der Anführer der „Truppe“, André Breton, in seinen Texten von der „Kindfrau“ und lehnte Homosexualität ab.

Kay Sage, Zum vereinbarten Zeitpunkt, 1942, Öl auf Leinwand, Newark Museum of Art, Bequest of Kay Sage Tanguy, 1964 © Estate of Kay Sage/VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Die Kunstgeschichte beurteilte die Rolle der Frau später kritisch und sah sie in ihrer Bedeutung auf Muse, Ehefrau und Fetisch reduziert. Eine Ausstellung, die mit der überholten kunsthistorischen Festschreibung aufräumt und Fakten schafft. Der inhaltliche und quantitativ bedeutsame Beitrag der Künstlerinnen zum Surrealismus, die trotz Widerstände beeindruckende Werke geschaffen haben, ist nun nicht mehr wegzudiskutieren. Die Ausstellung geht von Frankfurt aus weiter ins Louisiana Museum nach Dänemark. Eine Station in Wien wäre wünschenswert.


Mehr zur Ausstellung in unserer aktuellen Ausgabe 01/2020

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Schirn Kunsthalle

Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
Deutschland

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