Weltmuseum Wien

Es ist nicht alles Seide, was glänzt

Gewürze, Porzellan oder Tee wurden nach Westen transportiert, der Osten freute sich hingegen über Wolle, Glas, Löwen, Pferde und Sklaven. Jahrhundertelang stand die „Seidenstraße“ für den Transfer von Waren, Kulturen und Träumen. Eine aktuelle Ausstellung im Wiener Weltmuseum setzt sich mit Vergangenheit und Gegenwart der berühmten Handelsroute auseinander – mit teils ernüchterndem Ergebnis.


„Der Begriff Seidenstraße wurde erst im 19. Jahrhundert von dem deutschen Geografen und Kartografen Ferdinand von Richthofen geprägt – für ein komplexes Netzwerk von Handelsrouten, die Asien mit Europa verbanden. Richthofen verwendete den Begriff auch in der Mehrzahl, also Seidenstraßen.“ Denn: Weder damals noch heute hat es die eine Seidenstraße gegeben, noch war Seide das einzige Transportgut, erklärt Maria-Katharina Lang vom Institut für Sozialanthropologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Kuratorin der Ausstellung „Staub und Seide“.

Als fragmentarische Erzählung angelegt entpuppt sich die sagenumwobene Seidenstraße in dieser Schau als ein schillerndes Gewebe aus Land- und Seerouten. Besucher sind eingeladen eine imaginäre Karte zu beschreiten und selbst die verschiedenen Themenstränge miteinander zu verknüpfen. Der Raum wird zu einem Geflecht von Beziehungen und wartet mit historischen Gewändern aus Goldfäden ebenso auf wie mit zeitgenössischen Positionen. „Am Beginn etwa öffnet Break of Gauge des Künstlers Paul Kolling den Blick auf die Raumdimension zwischen China und Nordeuropa. Die Arbeit besteht im Kern aus einer einzigen, nahtlosen Luftbildaufnahme der Güterzugverbindung zwischen Zhengzhou und Hamburg. Diese insgesamt 9.840 Kilometer lange Strecke, für die man 16 Tage benötigt wird anhand einer Warenlieferung vom 21. Juni 2019 in Echtzeit filmisch beschrieben. Die vermeintliche Logik und Objektivität sind, wie die faktische Nüchternheit des Warenverkehrs, bei genauerer Betrachtung aber weit komplexer.“, erzählt Lang.

Ausstellungsanischt © KHM-Museumsverband

Denn damals wie heute ging es schon immer um weitaus mehr als um den bloßen Handel mit Gütern. Aus diesem Grund hat der chinesische Präsident 2013 die „Neue Seidenstraße“ ausgerufen. „Es handelt sich dabei um Infrastrukturprojekte zu Land und zu See, die heute Belt & Road Initiative (BRI) genannt werden. In erster Linie sind dabei Ressourcen wie etwa Kohle, Eisenerz und Erdgas für China von großer Bedeutung. Doch zunehmend gewinnt auch der Ausbau digitaler Infrastrukturprojekte wie Glasfaserkabel und Telekommunikationsnetze von chinesischer Seite an Priorität.“

1/4 | Ausstellungsanischt © KHM-Museumsverband

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3/4 | Teppich, Anonym, Khotan, Xinjiang, China, 1889 oder früher, Seide, 206 cm x 92 cm, Samlung Josed Troll, Weltmuseum Wien VO 38203 © KHM-Museumsverband

4/4 | Neue Straße in der Wüste Gabi, Mongolei 2018, Bild: Maria-Katharina Lang

Häfen wie Hamburg oder Duisburg lösen mittlerweile die einstigen Eckpunkte Rom und Venedig als europäische Handelszentren ab. Die Richtung der Seidenstraße hat sich aber nicht gedreht, meint die Sozialanthropologin Maria-Katharina Lang. Es gab und gibt immer Bewegungen in beide Richtungen. „Es war jedoch zuletzt zu beobachten, dass etwa Bahnverbindungen der BRI, so lange sie von chinesischer Seite finanziell unterstützt wurden, vor allem volle Frachtzüge nach Europa brachten und weniger beladene, manchmal auch leere Garnituren in die andere Richtung.“ Die BRI oder Neue Seidenstraße lässt sich daher auch als Seismograf der aktuellen geopolitischen Veränderungen lesen. Das Forschungsprojekt „Dispersed and Connected“, auf dem die, von Christian Sturminger gestaltete, Ausstellung im Weltmuseum basiert, führte. Weiter lesen Sie im PARNASS 01/22. 

Weltmuseum Wien

Neue Burg
Heldenplatz
1010 Wien
Österreich

Staub & Seide

Steppen- und Seidenstraßen

bis 3. Mai 2022

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