Er wird das neue Fotomuseum leiten: Felix Hoffmann
2024 wird das Foto Arsenal Wien seine Tore öffnen. Mit Felix Hoffmann hat das Fotografiezentrum auch seinen ersten künstlerischen Leiter gefunden. Der gebürtige Deutsche (*1972) – bis dato Hauptkurator von C/O Berlin – wird zudem das biennal stattfindende Festival Foto Wien verantworten. Andreas Maurer hat mit dem Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler gesprochen.
Andreas Maurer (AM): "Er verfügt über eine jahrelange Erfahrung im Aufbau und der Leitung eines Kulturbetriebes im Bereich der Fotografie und bringt internationale Vernetzungen mit, die für diese neue Institution der Stadt Wien von großer Bedeutung sind", streute Ihnen die Wiener Kulturstadträtin bereits Rosen. Neuland ist Wien für Sie aber keines …
Felix Hoffmann (FH): Irgendwie schon und gleichzeitig auch nicht. Ich freue mich sehr wieder in die Stadt zurück zu kommen in der ich Mitte der 1990er-Jahre gelebt habe. Erlebnisse von damals mit meiner Erfahrung von heute verknüpfen zu können, reizt mich sehr.
AM: Hat sich Wien in den vergangenen 25 Jahren verändert?
FH: Wien ist definitiv noch internationaler geworden! Was ich an der Stadt schon immer geschätzt habe, sind die verschiedenen Einflüsse aus Osteuropa und dem Mittelmeerraum. Berlin funktioniert da eher wie eine Insel, Wien als eine Art Drehkreuz.
AM: Sie haben Bild- und Kulturwissenschaften in Wien und Berlin studiert, waren anschließend am Museum Folkwang in Essen, dem Kupferstichkabinett in Dresden und dem Fotomuseum München tätig. Seit 2005 haben Sie als Hauptkurator das Ausstellungshaus C/O Berlin zum renommierten Standort mitentwickelt. Wann hat Ihre Leidenschaft für das Medium Fotografie eigentlich begonnen?
FH: Da gab es sicher mehrere Schlüsselmomente. Die Entscheidung meine Magisterarbeit über das Verhältnis von Fotografie und Tod zu schreiben hat bildwissenschaftliche Themen mit kulturellen Praktiken verbunden - diese Fragestellung beschäftigt mich in meiner Arbeit bis heute. Warum macht man ein Foto von jemandem, der gestorben ist? Und wie verhält sich diese historische Praxis gegenüber Erinnerungsportalen im digitalen Zeitalter? Mit diesen Fragen hat die Leidenschaft zu brennen begonnen. Begegnungen mit Künstler:innen haben dieses Feuer immer weiter verstärkt.
AM: Fotograf:innen setzen sich nicht nur mit ihrer Umwelt auseinander, sondern beeinflussen dieser wiederum durch ihre Arbeiten. Was kann uns die Fotografie im Bild-Zeitalter von Instagram und Co aber überhaupt noch geben?
FH: Fotografie ist ein Schmelztiegel: Statische und bewegte Bilder verbinden sich hier ebenso wie alles, was durch eine Linse eingefangen wird. Als Medium dominiert es unsere bestehenden kollektiven, visuellen Strategien. In meinen Augen muss man aber immer wieder darauf aufmerksam machen, wie eine Gesellschaft, die in der Schule nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernt diese Bildinformationen verarbeitet. Denn Fotografie kann uns langweilen, unterhalten und manchmal fast Unerträgliches zeigen. Ebenso kann sie uns aber auch die Wahrheit erzählen oder uns durch digitale Manipulationen täuschen. Gerade in den aktuellen Diskussionen rund um den Ukraine-Krieg sieht man, wie stark sich die unterschiedlichen Fraktionen auf „echte“ und „unechte“ Bildinformationen berufen. Wir als Mediengesellschaft müssen daher lernen zu verifizieren welche Bilder echt sind. Da gibt es viele Fragen, die wir über eine Institution wie das FAW in die Gesellschaft tragen können.
AM: Bei der einführenden Pressekonferenz haben Sie erklärt, dass mit dem Foto Arsenal Wien (FAW) "ein Kraftwerk und ein Generator geschaffen werden sollen, wo sich die Fotografie in ihren vielfältigen Ausprägungen entfalten kann – ein Ort, der zum Nachdenken einlädt, zum Staunen und zum Gespräch". Wie kann man sich das vorstellen?
FH: Man muss dazu sagen, dass die deutsche Politik mit den großen internationalen Errungenschaften der Fotografiegeschichte der letzten 70 Jahre immer noch sehr stiefmütterlich umgeht und damit der wichtigen Rolle als Foto-Nation kaum Rechnung trägt. Dabei ging es in den letzten Jahren meist um Lagermöglichkeiten und programmatische Oberflächlichkeiten. In Österreich nähert man sich dem Thema sozusagen von der anderen Seite. Institutionalisierte Sammlungen verfügen bereits über profunde Archivierungssysteme, demnach geht es am Standort Wien vielmehr darum, die Fotografie am Leben zu erhalten und einen Diskurs zu schaffen, der in die Gesellschaft getragen wird. Daher auch mein Appell eines „Generators“, bei dem die Fragen um dieses Medium zeitgenössisch beantwortet werden. Mir geht es darum ein Display für die Öffentlichkeit herzustellen.
AM: Sollte das FAW dann aber nicht etwas zentraler liegen? Das Ausstellungshaus C/O Berlin findet man immerhin gleich neben der S-Bahn-Station "Bahnhof Zoo", ums Eck ist der berühmte Kurfürstendamm. Der Gebäudekomplex des Arsenals im Südosten, nahe dem Wiener Hauptbahnhof ist nicht gerade "Downtown".
FH: Abseits des 1. Bezirks dezentrale kulturelle Angebote zu schaffen halte ich für wegweisend. Am Gelände des Arsenals ein Kultur-Cluster zu bilden, wo sich das Heeresgeschichtliche Museum, die Werkstätten der Bundestheater, die Probebühnen der Wiener Staatsoper und des Burgtheaters, Labore der Universität Wien und vieles mehr schon befinden, wird die Gegend in einem Campus verwandeln. Auch das "Filmmuseum LAB" wird dort in unmittelbarer Nähe zu einem besonderen Nachbarn. Es gibt also sicher sehr viele (mediale) Wechselwirkungen und Möglichkeiten zusammen zu arbeiten. Auch der umliegende Park bietet spannende Optionen!
AM: Auf 750 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird das Foto Arsenal Wien analoge und digitale Fotografie präsentieren und vermitteln, die Dynamik der Disziplin aufzeigen und in einen kulturwissenschaftlichen Dialog stellen. Die Eröffnung ist für Herbst 2024 angesetzt. Kommendes Jahr gibt es bereits ein erstes Gastspiel im Museumsquartier. Was können wir in nächster Zeit noch erwarten?
FH: 2023 wird es auf alle Fälle wieder das Festival Foto Wien geben, was auch den Auftakt für die Ausstellungstätigkeit im Museumsquartier bilden wird. Schon vor der tatsächlichen Eröffnung des FAW folgen dann drei Phasen: Erst einmal springen wir ins kalte Wasser und sehen, wie sich die Bezirke und die Communities in bestimmte Projekte involvieren lassen. Sobald das Gebäude eröffnet wird, lernen wir dort schwimmen und tauchen sicher sehr schnell in diskursivere Tiefen, in denen man etwa Vermittlungs-Projekte und Publikationen kontinuierlich umsetzen kann. Es ist ein großer Traum von mir, Synergien mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu suchen, um ein jüngeres Publikum nicht nur mit Fragen zu konfrontieren, sondern die Kinder und Jugendlichen auch in zukünftige gesellschaftliche visuelle Transformations-Prozesse miteinzubeziehen. Neben vielen Ausstellungsprojekten träume ich also eigentlich von einer „Schule des Sehens“ auf allen Ebenen.