Zeller van Almsick

Eine Ode an die Malerei | Minda Andrén

Popkultur trifft Kunstgeschichte und akademische Ästhetik vermengt sich mit den unkontrollierbaren Bilderfluten des digitalen Jetzt. In der Galerie Zeller van Almsick verhandelt Minda Andrén die Stellung der Malerei innerhalb der piktografischen Reizüberflutung des 21. Jahrhunderts. Unbestreitbar geht der Punkt diesmal an die Ölfarbe – und nicht an die digitalen Pixel.


Minda Andrén, 1990 in Göteborg in Schweden geboren, ist von Kindesbeinen an in der Malerei geschult. Die letzte Ausstellung bei Zeller van Almsick teilte sie 2018 mit ihrer Mutter, der Malerin Agneta Andrén. 2021 machte Minda Andrén ihr Diplom in der Klasse von Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste Wien. Vier der Arbeiten aus der Diplomausstellung sind nun bei Zeller van Almsick im Kontext noch jüngerer Arbeiten zu sehen. Ein lohnenswerter Besuch.

Gezeigt werden Malereien, die ohne Zweifel narrative Elemente prägen, die sich aber nicht der Verführung hingeben lassen als zusammenhängende Geschichten entlarvt zu werden. Minda Andrén offeriert mit ihren Titeln nur „Hinweise“, wie sie beim Gespräch in der Ausstellung erklärt, möchte die Werke aber eigentlich unerklärt verstehen. Sie sind so etwas wie Mindmaps des subjektiven Erinnerns. Ein Erinnern an Bilder, die Andréns Aufmerksamkeit fluten, wenn sie etwa an ihrem Handy durch Social Media klickt und die Pixel einander so schnell ablösen, sodass nur Fragmente und Konturen hängen blieben – Bilder, die sich ebenso schnell wieder aufzulösen scheinen, wie sie sich auch wieder neu zusammensetzen.

Aus dieser Bilderflut heraus entsteht in der Ausstellung nun ein Kaleidoskop aus fokussierten Einschnitten übersetzt in Malerei. Es ist ein Sampeln, Covern und Remixen – um Vokabel der Musik zu bedienen – das die Künstlerin in den aktuellen Werkserien durchspielt. Neuaufgelegte Takte, gespielt mit bekannten Akkorden.

Ausstellungsansicht, Courtesy of Zeller van Almsick and Minda Andrén, Photo: Simon Veres, 2021

Dürers Melancholie ist ebenso eines der Versatzstücke von denen Minda Andrén ausgeht wie ein Stich Brueghels, aber auch Einträge auf Willhaben oder historische Reklamen sind eine Vorlage im gedanklichen Bildarchiv der Künstlerin. Es gibt keine Grenzen und keine Vorauswahl, außer die intuitiven Parameter des Erinnerns und die für die Künstlerin wichtige Ideen der „Decision Fatigue“.

Der technische Prozess hinter den Arbeiten ist dabei ein zyklisch aufwendiger. Ein Motiv wird zigfach abgezeichnet, Zeichnungen von der Zeichnung entstehen, die sodann in das größere Format der Malerei übersetzt werden. Dabei ändern sich Details und dann und wann die Farbwahl, der grundsätzliche Bildinhalt bleibt jedoch ident. „Es geht darum die Formen kennenzulernen“, erklärt Minda Andrén. „Es ist ein Prozess des Sehens“. Dabei werden Proportionen ausgelotet, Relationen erprobt und Dimensionen verschiedentlich eingesetzt.

Es ist ein Prozess des Sehens.

Minda Andrén

Auf inhaltlicher Ebene kommt unterdessen ein weiterer nicht unwesentlicher Aspekt hinzu: Bilder können manipuliert werden. Sie sprechen uns direkt emotional an und täuschen über die Umstände ihrer Entstehung hinweg. Vor allem im digitalen Raum. Andréns Malerei agiert gegenteilig, indem die Künstlerin etwa den Gipsrahmen der Leinwände offen zeigt, lässt sie hinter den Schaffensprozess blicken. Die Ölfarbe bestimmt das Zentrum der Leinwände, oft vor unscharfen Hintergründen, die, so der Galerist Cornelis Almsick, „an die Farbfeldmalerei Rothkos erinnern“. Man mag ergänzen, dass ihr diffuser Charakter vielleicht auch an die Technik des „Sfumato“ denken lässt. Aber auch das sind subjektive Eindrücke. Das Erinnern ist eben oft nicht so präzise wie eine Zeichenlinie, es ist oft mehrdeutig und vielschichtig. Es braucht oft Ruhe und Zeit. Genau das fordern auch die Werke von Minda Andrén ein, wobei ihnen genau die Antithese zu jener Art von Bilderkonsum, der sie ursprünglich inspirierte, gelingt. Die Arbeiten erkämpfen ein Verweilen, das zeitlich unbegrenzte Schauen, das irgendwann zum Sehen führt.

Ausstellungsansicht, Courtesy of Zeller van Almsick and Minda Andrén, Photo: Simon Veres, 2021

Zeller van Almsick

Franz-Josefs-Kai 3/16, 1010 Wien
Österreich

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