Die zehn besten Länderpavillons

Pavilion of LITHUANIA, Sun & Sea (Marina), 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Andrea Avezzù | Courtesy: La Biennale di Venezia

91 Länderpavillons gilt es in Venedig zu sehen. Verteilt im Arsenale, in den Giardinis und in der Stadt. Manche nehmen das Hauptthema von Ralph Rugoff auf, andere entwickeln ihren eigenen Kosmos. Themen wie Gender, Identität, Migration, Klimawandel stehen im Fokus. Wir haben für Sie eine Reihe von Pavillons besucht und zehn der sehenswertesten herausgesucht.


Litauen

Für die Opern-Performance „Sun & Sea (Marina)“ wurde der litauische Pavillon mit dem dem Hauptpreis für den besten nationalen Beitrag ausgezeichnet. Abseits der Giardini zeigt die Kuratorin Lucia Pietrouisti in einem alten Lagerhaus im Militärhafen ein Strandszenerio, gestaltet von drei Künstlerinnen – der Regisseurin Rugilé Barzdziukaite, der Drehbuchautorin Vaiva Grainyté und der Komponistin Lina Lapelyté. Auf einem künstlichen Strand sitzen und liegen auf Handtüchern und Liegestühlen und unter Wärmelappen eine Reihe von Strandurlauber. Darunter Statisten und Sänger, die als Badegäste getarnt ihre Solos singen – sie handeln von störenden Müll, dem zuviel an Reisen, Konsum, ausbleichenden Korallenriffen und dem Aussterben der Artenvielfalt. Eine Dystopie im vertrauten Ambiente, die uns unsere Ignoranz gegenüber der Zerbrechlichkeit der Welt lustvoll und dennoch schonungslos vor Augen führt.

Pavilion of LITHUANIA, Sun & Sea (Marina), 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Andrea Avezzù | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of LITHUANIA, Sun & Sea (Marina), 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Andrea Avezzù | Courtesy: La Biennale di Venezia


Schweiz

Dieses Jahr wurde der Schweizer Pavillon von Charlotte Laubard kuratiert, die an der Genfer Hochschule für Kunst und Design lehrt. Zu sehen ist die Videoinstallation „Moving Backwards“ der Künstlerinnen Pauline Boudry und Renate Lorenz. Pauline Boudry und Renate Lorenz leben in Berlin und arbeiten seit 2007 zusammen und darüber hinaus für ihre filmischen Performances mit einer Reihe von Tänzern, Choreografen, Musikern und Künstlern. „Moving Backwards“ ist raffiniert choreografiert und entfaltet eine große vielfältige symbolische Aussagekraft. Mit ihrer künstlerischen Arbeit setzten sie sich, wie sie selber erklären, gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass ein und verstehen ihre filmische Tanzperformance als Plädoyer für Offenheit und Toleranz gegenüber all jenen, die nach wie vor diskriminiert werden aufgrund ihres Andersseins. Ein Thema, das wie maßgeschneidert zum Motto der diesjährigen Biennale passt.

Pavilion of Switzerland, Moving Backwards, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy La Biennale di Venezia

Pavilion of Switzerland, Moving Backwards, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy La Biennale di Venezia


Ghana

Der Architekt David Adjaye gestaltete einen eindrucksvollen Parcours aus ockerbraunem Lehm im Arsenale als Display für den Ghana-Pavillon, der jeden der sechs präsentierten Künstler einen eigenen Raum garantiert, darunter international bereits etablierte Künstler wie El Anatsui, John Akomfrah und Lynette Yiadom-Boakye. Zugleich ist der Pavillon auch eine Hommage an den kürzlich verstorbenen nigerianischen Kurator Okwui Enwezor. Unter dem gemeinsamen Titel „Freedom" thematisieren Künstler aus drei Generationen die Folgen der Unabhängigkeit Ghanas 1957 von der britischen Kolonialherrschaft und präsentieren dies mittels eindrucksvoller Kunst. Ghana, das in diesem Jahr erstmals an der Biennale teilnahm war für viele Besucher der Favorit und ist mit Sicherheit eine signifikante neue Stimme im Reigen der internationalen Kunstszene.

Pavilion of GHANA, Ghana Freedom, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Italo Rondinella | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of GHANA, Ghana Freedom, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Italo Rondinella | Courtesy: La Biennale di Venezia


Dänemark

Nat Muller kuratiert den dänischen Pavillon auf der diesjährigen Biennale von Venedig mit der Solopräsentation „Heirloom“ der dänisch-palästinensischen Künstlerin Larissa Sansour. Ein einprägsamer Auftritt in dessen Fokus der Zweikanalton-Science-Fiction-Film „In Vitro“ sowie die skulpturale Installation „Monument for Lost Time“ steht. Der Film zeigt ein dystopisches Szenario in der Stadt Bethlehem, Dekaden nach einem ökologischen Desaster. “The dying founder of a subterranean orchard is engaged in a dialogue with her young successor, who is born underground and has never seen the town she’s destined to replant and repopulate. Inherited trauma, exile and collective memory are central themes." (Larissa Sansour)

Pavilion of DENMARK, Heirloom, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of DENMARK, Heirloom, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia


Noch mehr über die Venedig Biennale, insbesondere die einzelnen Länder Pavillons erfahren Sie in unserem aktuellen PARNASS 2/2019!

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Vereinigte Staaten von Amerika

Die USA schickte den 78-jährigen Afroamerikaner Martin Puryear nach Venedig, dem ein überzeugender Auftritt mit Großskulpturen im amerikanischen Pavillon gelang, kuratiert von Brooke Kamin Rapaport, kuratorische Leiterin im Madison Square Park Conservancy. Für Venedig schuf Puryear neue Arbeiten. Basis ist wie in vielen Arbeiten des Künstlers das Material Holz, aus dem er zum Teil figurative, aber auch zur Abstraktion neigende Skulpturen entwickelte. Sie sind in Oberfläche, Form und Materialwahl perfekt gestaltet und zitieren formal unterschiedlichen Kulturen Nordamerikas, sprechen aber auch brisante Themen wie Sklaverei an. Martin Puryear selbst, meint seine Werke wären „eher sinnlich als rein rational zu erfahren“.

Pavilion of UNITED STATES OF AMERICA, Martin Puryear: Liberty / Libertà, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of UNITED STATES OF AMERICA, Martin Puryear: Liberty / Libertà, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia


Großbritannien

Zoé Whitley, die Anfang des Jahres zum Senior Curator der Hayward Gallery in London ernannt wurde, kuratierte den britischen Pavillon. Das Auswahlkomitee entschied sich für die Solopräsentation der in Belfast geborenen, heute in Glasgow lebenden Cathy Wilkes. Sie schuf einen Ort voll Poesie. „Die Installation hat eine poetische Qualität, man könnte sie sogar als träge beschreiben. Die Ausstellung ist ein aufrichtiger Vorschlag, manchmal zu pausieren, um den Wert von Stille und Emotionen zu berücksichtigen, der über Worte hinausgeht. Ich bin unablässig beeindruckt von der ruhigen Intensität von Cathys Arbeit. Sie bringt mich dazu zuzuhören, anstatt zu sprechen. Ihre Arbeit hat eine Qualität, die beinahe zeitlos ist. Sie befasst sich mit Themen, die uns alle betreffen, wie Vernetzung, Tod und Arbeit“, so die Kuratorin im Gespräch mit PARNASS-Autorin Paula Watzl. Wir können ihr nur zustimmen und einen Besuch des Pavillons empfehlen.

Pavilion of GREAT BRITAIN, Cathy Wilkes, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of GREAT BRITAIN, Cathy Wilkes, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia


Tschechien | Slowakei

Dem österreichische Ausstellungsmacher und Museumsmanager Dieter Bogner ist mit der Präsentation des tschechischen Künstler Stanislav Kolíbal einer der überraschendsten und prägnantesten Auftritte in den Giardins gelungen. Bogner und Kolíbal konnte die aus 25 Mitbewerber bestehende offenen Ausschreibung für den Pavillon klar für sich entscheiden. Verblüffend ist die Zeitgenossenschaft der Werke des über 90-jährigen Künstlers, die seine und „inhaltsorientierte, minimalistische Kunst heute aktueller denn je erscheinen lässt“, so Bogner. Die Werke des tschechischen Avantgarde-Pioniers einem jungen, internationalen Publikum in grundlegenden Ansätzen näherzubringen, ist daher auch einer der Verdienste dieser Biennale-Präsentation, wie unser Autor Daniel Brezina folgerichtig anmerkt.

Pavilion of CZECH and SLOVAK Republic, Stanislav Kolíbal. Former Uncertain Indicated, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of CZECH and SLOVAK Republic, Stanislav Kolíbal. Former Uncertain Indicated, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia


Österreich

Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein hat mit Renate Bertlmann eine Künstlerin ausgewählt, deren Werk nicht nur eine wesentliche Position in der weiblichen Performancegeschichte Österreichs innehat, sondern darüber hinaus in der internationalen feministischen Avantgarde hochgeachtet ist. Der Pavillon lässt hier einiges an Fragen offen und wird der Bedeutung der Künstlerin nicht unbedingt gerecht. Zu sehr ist die gesamte Konzeption auf Ästhetik ausgelegt, die roten Glasrosen tun ihr Übriges. Der Reichtum an Perspektiven, aber auch an Kunstgattungen, Themen und Inhalten, die das Werk von Bertlmann umfasst, vermisst man schmerzlich – und wurde in den Katalog ausgelagert. Im Pavillon selbst sieht man nur Reproduktionen, die kaum die Radikalität von Bertlmanns Werk transportieren und insofern aus der Zeit zu fallen scheinen, da sie sich einer aktuellen Plakatästhetik anpassen, was weder zum Thema passt noch zur Künstlerin und andererseits nicht den Anschluss zu Diskussionen der Gegenwart in Sachen Genderthematik finden. Diese wurde in anderen Pavillons besser gelöst. Die Ankündigung der Kuratorin mit dem Pavillon in der Gesellschaft ein Zeichen zu setzen, das der Kunst folgt und strukturelle Schieflagen mitdenkt, indem Renate Bertlmann „mit ihrer inhaltlich wie ästhetisch kompromisslosen Verfahrensweise im besten Sinne des Wortes eine venezianische Kunstgeschichte der Provokation fortführt.“ Ist etwas zu sanft ausgefallen. Allerdings wenn die Sonne scheint, ist das gesamte Setting schön inklusive dem Schriftzug Amo Ergo Sum, der seinen Schatten auf den Hoffmann-Pavillon wirft – vielleicht ein wenig zu schön.

Renate Bertlmann, Österreichischen Pavillon auf der 58. Biennale Arte 2019 in Venedig © Sophie Thun

Renate Bertlmann, Österreichischen Pavillon auf der 58. Biennale Arte 2019 in Venedig © Sophie Thun


Brasilien

Mit Swinguerra präsentiert das Künsterduo Bárbara Wagner und Benjamin de Burca ein mitreisendes Zweikanal-Video in der mittels einer Tanzperformance und farbstarken Aufnahmen soziale und kulturelle Themen verhandelt werden und damit auch ein Projekt dokumentieren, dass im Nordosten Brasiliens seinen Ausgangspunkt nahm. Hier trafen sich junge Gruppentänzer und -tänzerinnen mit dem Ziel an den Möglichkeiten sozialer Integration zu arbeiten. Identität und auch die Genderthematik wird mittels Performance und Tanz ausgedrückt. Daraus wurde eine nachhaltige soziale Bewegung, die auch die Genderthematik anspricht. So treffen unterschiedliche Körper aufeinander, die Hierarchie der Geschlechter und tradierte Schönheitsmodelle wird obsolet. Eindrucksvoller und mitreißender kann man das Thema nicht behandeln. 

Pavilion of BRAZIL, Swinguerra, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia

Pavilion of BRAZIL, Swinguerra, 58th International Art Exhibition - La Biennale di Venezia, MayYou Live In Interesting Times | Photo by: Francesco Galli | Courtesy: La Biennale di Venezia


Portugal

Leonor Antunes experimentiert mit traditionellen Techniken und Materialien als eine Art von Hommage an die die Kunstgeschicht und Architektur des 20. Jahrhunderts – insbesonders an eine reduktive, dem Material und der Form verpflichtete Gestaltung. Der Besuch lohnt allein schon wegen des schönen Palazzo, in dem auch der bulgarische Pavillon mit seinem Beitrag angesiedelt ist. Antunes Installation verbindet sich mit der Geschichte Venedigs und seiner Kunst und ist ein Tribut an Schlüsselpositionen, die wie Carlo Scarpa, Franco Albini, Franca Helg und andere in der Lagunenstadt präsent sind. Die Ausstellung zeigt Antunes Interesse an Kunst und Design und am Handwerk, das sie zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk im Pavillon zusammenfügt.

Leonor Antunes | Foto: Silvie Aigner

Leonor Antunes | Foto: Silvie Aigner


Noch mehr über die Venedig Biennale, insbesondere die einzelnen Länder Pavillons erfahren Sie in unserem aktuellen PARNASS 2/2019!

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