Symposium im MAK

Die lange Geschichte der Wiener Moderne

Mathilde Flögl, Tragetasche der Wiener Werkstätte, 1924 Papier WWBP 211-13, © MAK/Georg Mayer 

Die Wiener Moderne – ein Bergwerk, in dem immer weiter geschürft wird, wo immer noch neue Erkenntnisse gewonnen und bereits bekannte aus aktuellen Perspektiven neu beleuchtet werden. Angelehnt an das Gustav Mahler (und anderen) zugeschriebene Zitat: Nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers war Motivation und Intention des Symposions, das am 10. und 11. Juni  im Wiener MAK - Museum für angewandte Kunst in Kooperation mit dem Wiener Institut für Kultur- und Zeitgeschichte und der Universität Wien mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien stattfand. Expert:Innen aus den Themenbereichen Bildende Kunst, Literatur und Musik beschäftigten sich unter anderem mit dem Davor und Danach, den Voraussezungen und Auswirkungen, mit Künstlernetzwerken und feministischen Aspekten, mit dem Wechselspiel von Avantgarden und Traditionen.


 

 

Der Untertitel „1900 bis in die Gegenwart“ deutete den zumindest Richtung heute erweiterten Zeitrahmen an. Wieviel an Innovationskraft und Relevanz der Wiener Moderne, deren Einfluss weit über Wien und Österreich hinauswirkten, in der Gegenwart zu finden sind, darüber gingen die Meinungen auseinander. Die Auseinandersetzung mit Zwischenkriegszeit und Nationalsozialismus, mit Exil und Vernichtung, die einige Referent:Innen einbrachten, scheint durch die Biografien mancher Protagonist:Innen gerechtfertigt. Allerdings wäre im Gegenzug auch der Beginn dieser prägenden Kulturepoche bereits vor dem Jahr 1900 anzusetzen, bezogen sich doch schon die 1897 gegründete Wiener Secession und ihre Vorläufer auf die Beispiele in Belgien, Frankreich und England.

Dass die Wiener Moderne mehr als ein tourismustaugliches Etikett ist, sondern tatsächlich ein „zündender Moment der österreichischen Kunst“ war, wie es MAK-Generaldirektorin Lilli Hollein formulierte, darüber herrschte weitgehend Einigkeit. Sie verwies mit Stolz darauf, dass das MAK mit dem Archiv der Wiener Werkstätte und Gustav Klimts Werkvorlagen für den berühmten Stoclet-Fries Dokumente zum „Making Of“ hervorragender Kunstwerke besitzt und nicht nur Ergebnisse, sondern auch die dahin führenden Prozesse zeigen kann. Die Neuaufstellung und Neuerzählung der MAK-Sammlung „Wien um 1900“ wurde übrigens dem Künstler Markus Schinwald anvertraut, der die Aufgabe zwischen Begeisterung und Respekt als „lebensauffressend“ definierte. Immerhin umfasste die Bewegung die erste und letzte Gestalter:Innengeneration, die Ausstellungsgestaltung selbst zur Kunst erklärte.

MAK Säulenhalle © MAK/Katrin Wißkirchen

MAK Säulenhalle © MAK/Katrin Wißkirchen

Unbestritten ist, dass die Wiener Moderne durch Persönlichkeiten wie Klimt, Schiele, Schnitzler, Bahr, Mahler oder Schönberg Spitzenleistungen kreiert hat. Ebenso unbestritten ist, dass Wien im europäischen Kontext nicht isoliert existierte. Ralph Gleis, mittlerweile Generaldirektor der Albertina, hat mit seiner für Berlin und das Wien Museum konzipierten Ausstellung „Secessionen“ die weitgehend parallelen Entwicklungen in Berlin und München aufgezeigt. In der Albertina modern wird für den kommenden Herbst ein Blick auf zeitgenössische Parallelen unter dem Titel „Gothic modern“ vorbereitet. Heute wie damals geht es um internationalen Austausch. Um so befremdlicher war die vor 1914 weit verbreitete Kriegsbegeisterung auch unter den Künstlern. Die kulturellen und gesellschaftlichen Innovationen  mündeten in einen irrwitzigen, sinnlosen Krieg. Sieht man die Kunst als Seismograf, so der für Idee und Konzept des Symposiums verantwortliche Historiker Oliver Rathkolb, so kann einem angesichts unübersehbarer heutiger Parallelen einigermaßen bang werden…

Eine Publikation mit den Symposiums-Beiträgen ist für 2026 geplant.

Mathilde Flögl, Tragetasche der Wiener Werkstätte, 1924 Papier WWBP 211-13, © MAK/Georg Mayer 

Mathilde Flögl, Tragetasche der Wiener Werkstätte, 1924 Papier WWBP 211-13, © MAK/Georg Mayer 

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