Feministische Laufbildkunst

Constanze Ruhm im Belvedere 21

Die Filmkünstlerin Constanze Ruhm stellt derzeit im Belvedere 21 unter anderem zwei neue Laufbildarbeiten aus. Sie kommentiert und aktualisiert damit feministische Bewegungen aus den italienischen Siebzigern.


„Come una pupilla al variare della luce“ – wie eine Pupille im Wandel des Lichts: So lautet der poetische Titel der neuen Ausstellung der österreichischen Foto- und Laufbildkünstlerin Constanze Ruhm im Belvedere 21. Poetisch ist auch die Bildsprache ihrer neuen Videoarbeiten, in denen sie sich auf die Suche nach einem „feministischen Sehen“ macht und einen Versuch der „Zerschlagung eines patriarchalen Blick- und Bildregimes“ wagt. Eine klare Position, die sie mit zahlreichen Referenzen auf italienische Feminismusbewegungen aus den 1970er-Jahren, darunter Werke der Künstlerinnen Stephanie Oursler, Maria Grazia Chinese und Suzanne Santoro, stärkt.

Stets präsent ist das Motiv des scheinbar gewaltsam zerbrochenen Spiegels, das in den beiden Filmen immer wieder im Zentrum steht und ebenso ein klarer Hinweis auf die Zerstörung des patriarchalen Blicks zu sein scheint. So ist die Schau weniger als klassische Ausstellung, sondern viel mehr als Öffnung zu einer Art Denkraum konzipiert, wie Kuratorin Claudia Slanar eingangs erklärt. Sie soll Einblicke geben in Ruhms Denk- und Arbeitsweise, in ihre Interessensgebiete und wie sie diese in ihrer Kunst zusammenführt. Zudem ist sie nicht als Abschlusspräsentation einer oder mehrerer Arbeiten zu verstehen, sondern als Station eines scheinbar endlosen Prozesses im Sinne des Feminismus. Die Künstlerin greift verschiedene Positionen auf und transportiert sie in die Gegenwart, aktualisiert sie und setzt sie in einen zeitgenössischen Rahmen. Auszüge der behandelten Werkserien sind selbst Teil der Ausstellung, sie stehen der Videoleinwand in kleinen Glasvitrinen gegenüber.

Constanze Ruhm, A Shard is a Fragment of a Life, 2023, Still © Constanze Ruhm, Courtesy Charim Galerie, Kamera: Hannes Böck

Lange Straßen, weite Wege

So basiert etwa die 2019 entstandene Fotoserie „La strada (è ancora) più lunga“ auf der Publikation „La strada più lunga“ von Maria Grazia Chinese aus 1976, die Treffen des ersten römischen feministischen Kollektivs Rivolta Femminile und anderer feministischer Gruppen fotografisch dokumentierte. Ruhm reinszeniert 2019 eine Auswahl von Chineses Bildern mit einer Gruppe junger Frauen im Innenhof der Casa Internazionale delle Donne, eines feministischen Zentrums in Rom, und ergänzt ihre Arbeit um Aufnahmen, die den Entstehungsprozess wie auch den Ort selbst nachzeichnen. Eine der Leitfiguren in Ruhms Ausstellung ist zudem die italienische Feministin Carla Lonzi mit ihrem Konzept einer zerbrochenen, fragmentierten Zeitlichkeit, um zu einer anderen Art von Bildern, von Filmen und letztendlich von Bewusstsein zu gelangen.

Es gibt viele Wege durch die Ausstellung, die sich jede:r selbst suchen kann.

Constanze Ruhm

„Es gibt viele Wege durch die Ausstellung, die sich jede:r selbst suchen kann“, sagt Constanze Ruhm und meint damit die verschiedensten Lesarten ihrer Videos, die sich mit Hinweisen zu den Referenzarbeiten anderer Künstlerinnen eröffnen. Die Scherben des Spiegels, der zwar wieder zusammengesetzt wird, dessen Risse jedoch für immer sichtbar bleiben werden, tauchen auch bei Stephanie Oursler auf. Ebenso spielt der Spiegel eine Rolle in Suzanne Santoros Fotoarbeiten aus der bezeichnenden Serie „Black Mirrors“. Und die Hauptfigur aus Ruhms fotografischer Bezugnahme auf Maria Grazia Chinese taucht auch im Film immer wieder auf. Motive aus der Vergangenheit, aus einem Italien der Siebziger, die schwierig zu entschlüsseln sind: Diese Aufschlüsselung selbst ist es, um die es gehen soll, und um die sich die Besucher:innen bemühen müssen.

Ausstellungsansicht "Constanze Ruhm. Come una pupilla al Variare della luce", Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Es ist also ein äußerst dichtes Programm, das sich im Erdgeschoss des Belvedere 21 abspielt. Die unzähligen Sichtweisen, die unterschiedlichsten Hinweise und die vielen Wege durch die Schau mögen wohl auf die eine oder den anderen überfordernd wirken, oder sich nur schwer erschließen, zumal die Begleittexte nicht bei den Werken selbst bereitgestellt, sondern nur mittels QR-Codes auf der Website zu lesen sind. Das erschwert das vollständige Verständnis eines durchaus interessanten, ästhetisch aufgelösten und vor allem überaus wichtigen Sujets leider – hat man aber Zeit und Muße, sich darauf einzulassen, überzeugt vor allem Ruhms poetische, präzise und schlichtweg schöne Bildsprache.

Ausstellungsansicht "Constanze Ruhm. Come una pupilla al Variare della luce", Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Ausstellungsansicht "Constanze Ruhm. Come una pupilla al Variare della luce", Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Constanze Ruhm, A Shard is a Fragment of a Life, 2023, Still © Constanze Ruhm, Courtesy Charim Galerie, Kamera: Hannes Böck

Belvedere 21

Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1, 1030 Wien
Österreich

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