CLEMENS HOLLERER | WIE GEHT ES WEITER?

Die Dekonstruktion, der Minimalismus und das Prozesshafte sind es, die den Künstler Clemens Hollerer interessieren. Seine jüngsten Arbeiten sind noch bis Ende Februar in der QL-Galerie in Graz zu sehen.


Wer die Jahrhundertstil Villa der Katholischen Hochschulgemeinde in Graz betritt, ist sogleich mitten im Thema. An den Wänden der hohen Halle hängen die großformatigen, eindrücklichen silbrig-schimmernden Aluarbeiten von Clemens Hollerer, und auf der Galerie im ersten Stock seine kleineren, nicht minder bedeutsamen Werke, die allesamt einer Frage auf den Grund zu gehen scheinen: „Wie geht es weiter?“ Die Ungewissheit, die Orientierungslosigkeit und Zukunftsängste, die Hollerer in den Menschen zu erkennen glaubt, schlagen sich in seinen neuen Collagen nieder.

Im Fokus der Ausstellung „Past and future ruins“ stehen Malereien auf Aluminium, einer Werkserie, die der Künstler 2016 begann. Inspiration und Anstoß kommen von einer Reise, die den Künstler vor einigen Jahren in die Armenviertel Manilas und Taipehs geführt hat. Auf Abbildungen seines Fotoarchivs sind ihm die Blechplatten ins Auge gestochen, mittels denen die Slumbewohner sich abgrenzen, ihr weniges Hab und Gut blickdicht verdecken und schützen. „Oft sind sie schlampig bemalt, vielfach übermalt, rostig und zerkratzt“ sagt Hollerer und „jede Schicht erzählt eine eigene Geschichte.“

Auf der Suche nach zufälligen Ergebnissen, nach Überraschungen, nach den Auswirkungen eigener Einflussnahme durch gestischen oder körperlichen Einsatz, arbeitet er sich an den Aluplatten ab. Zwanzig, oder manchmal sogar noch mehr, hochglänzende Schichten in unterschiedlichen Farben werden auf die Oberfläche aufgetragen. In einem zweiten dekonstruktiven Vorgang surft der Künstler dann stehend oder sitzend auf seinen Malereien abschüssige Straßen hinunter oder lässt sich von einem Auto nachziehen. Die Schürfwunden fallen dabei unterschiedlich aus. Es kommen Farben zum Vorschein, es ergeben sich Linien, Risse und ästhetisch ansprechende Muster. „Es ist keine Performance, sondern ein Prozess“ ist Clemens Hollerer wichtig zu erwähnen.

Das Herzstück der Ausstellung sind die sieben Arbeiten der Serie „Future Ruins“. Das Design der Werke ist dem von Flugschreibern entnommen die anders, als ihr Name vermuten lassen würde, nicht schwarz, sondern orange -, und mit unterschiedlich angeordneten weißen Linien versehen sind. Durch kurzes und schnelles Schürfen und Kratzen entstehen aus den vormals minimalistischen Hard-Edge Malereien Bilder, die Assoziationen zu Zerstörung, Untergang, Erinnerung, Nachvollziehbarkeit von Unglück und vieles mehr zulassen.

©Clemens Hollerer

Clemens Hollerer, Future Ruins. ©Clemens Hollerer

Teile der an Zeitungsausschnitten, Textteilen, Papierschnipsel oder Fotografien reich bestückte private Sammlung des Künstlers, hat Hollerer in den Wochen und Monaten des Lockdowns zu Collagen verarbeitet. So ist eine Serie entstanden, die schon dank der Werktitel wie „Twenty twenty“, „Exit“, „Reverse world“ oder „Change“ auf die Inhalte Bezug nimmt. Die Titel stammen übrigens allesamt von Songtiteln der internationalen Musikszene, in der sich Clemens Hollerer bestens auskennt.

Als der Künstler und ich den Rundgang durch seine Ausstellung fast beendet haben, kommt der Rektor der Katholischen Hochschulgemeinde, Alois Kölbl, des Weges. Er sperrt die Türe zu seinem Büro auf, in dem eine Arbeit von Arnulf Rainer aus 1958 steht. Es ist eine Skulptur in Kreuzform auf dessen schwarzem Untergrund eine goldgelbe Christusfigur übermalt oder überkratzt zu sein scheint. „Clemens Hollerers Arbeit schreibt diese Geschichte in gewisser Weise weiter“ konstatiert Kölbl mit großer Zufriedenheit.

QL-Galerie

Leechgasse 24, 8010 Graz
Österreich

Eine persönliche Führung ist nach Vereinbarung mit dem Künstler 23@Clemenshollerer.com jederzeit möglich

Clemens Hollerer, Past and future ruins

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