Transformative Formensprache

Charlotte Klobassa im Porträt

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

Linien mit Vorgeschichten: Charlotte Klobassa hat jahrelang jene Zettelchen mitgehen lassen, auf denen in Geschäften Stifte Probe geschrieben werden können, um aus ihnen sensible Großformate entstehen zu lassen. 2025 geht die 1987 in Wien geborene Künstlerin einen Schritt weiter. Klobassas aktuelle Solo-Ausstellung in der Galerie Zeller van Almsick ist die erste „ohne fremdes Zutun“ – wobei, geht das eigentlich? Und was hat das mit Feminismus zu tun? Seit einigen Jahren lebt Charlotte Klobassa in Wien und Berlin. Nun haben wir sie in Berlin besucht.


Zeller van Almsick

Franz-Josefs-Kai 3/16, 1010 Wien
Österreich

Artist Talk mit Charlotte Klobassa und PARNASS-Textchefin Paula Watzl

Sa., 17.05.2025 | 11:00 Uhr
Anmeldung unter artlife@parnass.at

PARNASS: Durch Übersetzung auf die große Leinwand hast du in den letzten Jahren beiläufige Kritzeleien in Kunst verwandelt. Woher kam dein Interesse an diesen Überbleibseln aus Schreibwarenläden und Kunstbedarfsgeschäften? 

CHARLOTTE KLOBASSA: Ich habe angefangen, mit den gefundenen „Scribbles“ zu arbeiten, um mich in fremde Formensprachen hineinzuversetzen und dadurch unterschiedliche Versionen meiner selbst auszuprobieren. Diese Aneignung hat mir zu Weiterentwicklung verholfen, war aber auch eine Art Schutzschild, da ich mich im Zweifel immer auf unbekannte Urheber: innen berufen konnte. Im letzten Jahr habe ich immer deutlicher erkannt, dass das ein Trugschluss war. Denn die Auswahl und Komposition kommt ja doch von mir. Für mich waren die Scribbles ein Werkzeug, um in den kreativen Prozess zu gelangen. Es gibt immer Einflüsse von außen, man kann nicht nur aus sich selbst schöpfen.

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

P: Die fremden Linien gaben eine Art von Takt vor, damit du nicht mit der leeren Leinwand kämpfen musstest.
CK: Genau, man braucht als Initiator eine Art Starthilfe, die einem interessant genug erscheint, um in den Prozess zu gelangen. Man kann nicht mit jedem Bild die Welt von neuem in Frage stellen. Die fremden Formen waren ein Hilfsmittel.

Manchmal muss man sehr oft scheitern, um genau davor keinen Respekt mehr zu haben.

Charlotte Klobassa

P: Nun bist du bereit, mehr von dir selbst zu zeigen?
CK: Ich möchte aus einem Formenrepertoire schöpfen können, ohne mich dabei in selbst errichteten Systemen aufhalten zu müssen. Ich habe im letzten Jahr viel ausprobiert und gesammelt. Meine aktuellen Bilder haben meist eigene Kritzeleien und Zeichnungen als Grundlage, mein Antrieb besteht aber nach wie vor in der Hoffnung, durch Transformation überrascht zu werden.

P: Deine eigenen Scribbles sind mehr als ein Ausprobieren des Stiftes im Geschäft?
CK:
Es sind zum Beispiel Tusche- oder Kreidezeichnungen auf Papier. Ausschlaggebend dabei ist aber nicht das Medium, sondern, im Moment des Zeichnens so wenig wie möglich von der Komposition zu wollen. Das ist nicht immer leicht, dafür muss man im richtigen Gemütszustand sein. Es braucht oft viele Anläufe, um an einen Punkt zu gelangen, an dem man nichts mehr erzwingt. Oder anders gesagt: Manchmal muss man sehr oft scheitern, um genau davor keinen Respekt mehr zu haben. Dann ist die nächste Herausforderung, den Moment zu erkennen, an dem etwas Spannendes passiert, und diesen nicht in dem gerade erlangten Anflug von ‚Respektlosigkeit‘ wieder zu zerstören. Diese Kompositionen liegen dann hier bei mir im Atelier und ich denke auf ihnen herum. Mit der Zeit werden sie zu etwas, ich erkenne Formen, einen Schwung oder Ähnliches, das mein Interesse weckt. Diese Momente blase ich groß auf. Sie sind der Beginn einer Komposition.

P: Was passiert in der Übersetzung von Klein auf Groß, von Papier auf Leinwand?
CK:
Ich beschäftige mich nicht nur mit der ganzen Form als Gesamtbild. Da ich relativ minutiös arbeite, verbringe ich teilweise mehrere Tage lang mit einem kleinen Teil innerhalb einer Form. Dadurch besteht sie dann aus vielen kleineren abstrakten Momenten und Gemütszuständen.

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

Ausschlaggebend ist nicht das Medium, sondern, im Moment des Zeichnens so wenig wie möglich von der Komposition zu wollen.

Charlotte Klobassa

P: Du triffst auch noch gewisse Entscheidungen, zum Beispiel unterscheiden sich manche Ölarbeiten farbig vom Tusche-Original. Aber im Großen und Ganzen bleibst du auch in den neuen Werken innerhalb des Rahmens der Vorlage.
CK:
Ich übernehme jene Elemente aus den Vorlagen, die mich am meisten reizen. Das kann ein kleiner Teil einer Form sein, ein zufälliger Farbspritzer, die Farbe oder Sensibilität eines Strichs. Ausgehend davon hangele ich mich im Bild voran. Durch die Übersetzung entstehen wieder unerwartete Dinge, auf die ich eingehen muss, und die mich von meiner ursprünglichen Idee abbringen.
Aber ja, die Herangehensweise ist nicht so unähnlich dem, was ich davor gemacht habe, der Arbeit mit gefundenen Scribbles. Es geht um eine grundlegende Einstellung. Eine Art Sublimierung des Nebensächlichen oder auch des Zufalls. Und um das Spiel mit Pathos, der Malerei und dem Profanen, dem Alltäglichen, vermeintlich Nebensächlichen. Dabei kommen unterschiedliche Arten von Konzentration zum Ausdruck. Mir sind beide wichtig – das konzentrierte, Technik-fokussierte Arbeiten und auch das affekthafte, direkte der Zeichnung.
 

Weiter lesen Sie in der aktuellen PARNASS-Ausgabe 01/2025.

Zur Edition PARNASS x Charlotte Klobassa.

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

Charlotte Klobassa, Studio Berlin, März 2025, Foto: Peter Dreiss, Bildrecht, Wien 2025

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