Bildraum 01

Birgit Graschopf | Walls Interrupted

Im Bildraum 01 ist noch bis 19. Februar 2021 die Ausstellung „Walls Interrupted“ der österreichischen Künstlerin Birgit Graschopf zu sehen. Der Titel bezieht sich auf ihre Werkserie, die in einer Auswahl bereits auch in der Salzburger Galerie Haas & Gschwandtner zu sehen war. 


Stadtlandschaften transportieren im zeitgenössischen Kunstkontext thematische Konzepte hinsichtlich Urbanismus und einer sich darin widerspiegelnden gesellschaftliche Struktur. Doch repräsentative Fassaden der Stadt waren noch nie das Thema von Birgit Graschopf. Und auch in „Wall Interrupted“ zeigt uns die Künstlerin Architektur abseits des Repräsentativen – Nicht-Orte nach dem Gedankengebäude des französischen Anthropologen Marc Augé. Verlassene Hotelanlagen der 1970er- und 1980er-Jahre entlang der kroatischen Küste, teilweise gebaut in opulenter Großzügigkeit oder Durchgänge und Räume in Bangkok, die wohl in keinem Reiseführer zu finden sind: Vom Handwerksviertel bis zur Autobrücke zeigen die Motive auch den Wandel des städtischen Raumes. Doch sucht Graschopf nach ungewöhnliche Blickwinkel und entzieht ihre Fotografie eindeutig der reinen Dokumentation. Das Bild wird zu einem fast malerischen Gefüge komponiert und einer Bildästhetik unterworfen, in der die Künstlerin durch Lichtsetzung und Architekturausschnitt eine grafische, geometrisches Konzeption entwickelt.

Birgit Graschopf besucht diese Orte über Tage hinweg, um die Lichtverhältnisse kennenzulernen und verschiedene Sichtachsen auszuloten. Oft ist ein Lichtstrahl, der sich wie ein Band durch die Architektur zieht nur für eine kurze Zeitspanne sichtbar. In Graschopfs Orten herrscht Stillstand, Ruhe, Stille. Das Gewusel der Menschen bleibt außen vor. Und in den verlassenen Hotels kann man diese nur mehr erahnen. Durch die Zeit sind hier Biotope unterschiedlicher Konnotation entstanden, fielen Glasdächer in den von Regenwasser gefüllten Swimmingpool einer früher großzügig gedachten Wellness-Landschaft oder werden Räume pittoresk von Kletterpflanzen überzogen. Doch auch wenn die Menschen diese Hotels längst nicht mehr frequentieren, so haben sich die ehemaligen Bewohner in das Narrativ dieser Orte eingeschrieben. Ebenso haben die vielen Jahre der Verlassenheit ihre Spuren hinterlassen. Und manche der Hotels sind garnicht so verlassen – wie etwa das Hotel Belvedere. Als einer der Drehorte von „Game of Thrones“ ein vielbesuchter Ort der Fangemeinde. 

Ausstellungsansicht, Birgit Graschopf, Foto: Eva Kelety, Bildrecht 2020

 „Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen“, schrieb Robert Musil in seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Wie die Bewegung in den Straßen schwingt, charakterisiert, so Musil, eine Stadt bei weitem früher als irgendeine bezeichnende Einzelheit. Ist also die Art und Weise wie diese Nicht-Orte uns entgegentreten ein Charakteristikum der jeweiligen Stadt? Wohl kaum, denn in der Ausstellung vermischt Birgit Graschopf Ansichten aus Bangkok mit solchen aus Kroatien und eine Unterscheidung fällt schwer. Ebenso unterwirft sie die fotografierten Orte und die Architektur ihrer eigenen künstlerischen Intention, sodass diese geografisch nicht mehr zuordnen sind – und auch wohl garnicht zugeordnet werden wollen. So entwirft Graschopf in der Ausstellung eine ganz eigene poetisch-lyrische, fast ein wenig melancholische Stimmung.

Dominiert wird der Bildraum 01 von einer über Eck gesetzten großflächige Wandbelichtung, bestehend aus mehreren Arbeiten, die neben- und im rechten Teil der Installation auch übereinandergelegt sind – aufgenommen im alten Stadtviertel Bang Rak, wo kolonialer Glanz heute auf eine junge Kunstszene trifft.

Eingeladen von der Universität für angewandte Kunst, konnte Birgit Graschopf für einige Zeit in der Stadt arbeiten und wohnte mitten in Bang Rak. Es ist so die Künstlerin mit 25 Quadratmeter ihre bislang größte Belichtung, die sie realisiert hat. Die abgebildeten Durchgänge erweitern den tatsächlichen Raum perspektivisch und treten in ein Wechselspiel mit Architektur des Galerieraumes. Schemenhaft ist eine Figur zu sehen, unscharf, durch die Langzeitbelichtung, wie ein Schatten im Lichtkegel. Es ist die Künstlerin selbst, einfach weil sie als Model jederzeit selbst zur Verfügung steht. Eine Figur – vor allem eine weibliche – in den Raum zu setzen ist ihr wichtig, „es gibt der Abbildung eine Räumlichkeit und ordnet die Größenverhältnisse“, so Graschopf. Durch den Prozess der Belichtung entstehen im Bild Rinnsale und Flecken. Der Zufall arbeitet mit und gibt der Fotografie malerische Effekte und macht jede dieser Belichtungen zum Original.

Ausstellungsansicht, Birgit Graschopf, Foto: Eva Kelety, Bildrecht 2020

In der Ausstellung beeindrucken vor allem die – im Gegensatz zur Wandbelichtung – kleinformatigen Arbeiten. Birgit Graschopf belichtete ihre Fotografien schon auf einer Reihe von ungewöhnlichen Trägermaterialien wie Schleifpapier und nun seit einiger Zeit auf Beton. Diese Bilder ein Spiel mit der Sensibilität des eigenen Blicks in einer Verbindung von mehreren Realitätsebenen. Selbst dort wo sie Hinterhöfe, Straßen oder nun Autobahnbrücken abbildet, geht ihre Darstellung über das Gesehene hinaus, wird im Bild immer mehr transportiert als man sieht. Doch ist es nicht der Rhythmus einer Stadt, sondern die Schwingung der urbanen Zwischenwelten, außerhalb des geschäftigen Treibens. Die naturalistische, konkrete Erfahrungsrealität wird im künstlerischen Prozess zu einer individuellen Annäherung. Erstmals koloriert die Künstlerin die Bilder mittels Buntstift nach, was ihnen einen weiteren Akzent verleiht und den groben Beton mit einer dem Material gegensätzlichen zarten Handschrift verbindet. Die Wirkung der Farbe setzt die Künstlerin präzise ein. Die Stimmungen, die solcherart im Bild zustande kommen, entrücken ihre Motive jeglicher Zeit.

Ausstellungsansicht, Birgit Graschopf, Foto: Eva Kelety, Bildrecht 2020

Der Raum wird durch die vielfältigen Überschneidungen und Verschränkungen in mehrere Blickachsen gelenkt, in einer freien Übersetzung der tatsächlichen Volumina und Flächenrelationen. Die Bilder vermitteln eine Leichtigkeit, auch wenn sie technisch sehr aufwendig gemacht sind.

Die selbstgegossenen Betonplatten sind nicht immer perfekt. Wie Birgit Graschopf erklärt benötigt es ein sensibles Hantieren, doch keine Platte wird wie die andere, Luftblasen treten hervor oder kleine Risse. Doch diese nützt die Künstlerin geschickt für ihre Belichtung und setzt diese als weiteres Element im Bild ein, ähnlich wie auch in der Wandbelichtung, wenngleich sie die Belichtung auf den Betonplatten kalkulierter setzen kann. Inhaltlich und formal ist auch der Aspekt interessant, dass der Bildträger dem Baumaterialien der Betonarchitektur entspricht. Birgit Graschopf verhilft diesen verlassenen Orten zu neuer Aufmerksamkeit, indem sie den Fokus auf ihre formal-abstrakte Qualität lenkt. Durch das freie Agieren und Zusammensetzen der Motive werden die Orte neu definiert in einem Spiel von Realität und Fiktion.

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