Avantgarde Diskonter
Puristisch shoppen. In die denkmalgeschützten Räume der einstigen Generali-Foundation zog eine Lidl-Filiale ein. Sie wurde von Baumann und Partner Architekten so gestaltet, dass die Galerie de facto unangetastet blieb.
Die Wiedner Hauptstrasse 15–17 ist eine Adresse mit Geschichte: 1896 gab k.u.k. Hof-Hutmacher Peter Habig hier bei den Architekten Carl Holzmann und Heinrich Adam die Planung eines Wohn- und Geschäftshauses in Auftrag. Im edlen Geschäft im Erdgeschoss wurden die Hüte verkauft, die man im Hof produzierte. Das gesamte Ensemble stand unter Denkmalschutz.
1988 gründete die Generali Gruppe Österreich als gemeinnütziger Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst die Generali Foundation, die schließlich im Habig-Hof ihre Zelte aufschlug. Man beauftragte die im Umgang mit historischer Bausubstanz profilierten Architekten Christian Jabornegg und András Pálffy gemeinsam mit Georg Schönfeld die stillgelegte Hutfabrik zur Galerie umzubauen. Die Architekten entwarfen eine von transluzentem Oberlicht gedeckte Ausstellungshalle. Außerdem planten sie im Keller einen Tiefspeicher und im ersten Stock einen Studienraum mit Bibliothek und Verwaltung. Die Räume der Generali-Foundation mit ihren weißen Wänden, der dynamisch in den Raum ragenden, 30 Meter langen Scheibe aus Sichtbeton, zwei runden Oberlichtern auf der einen Seite, einer transluzenten Lichtdecke auf der anderen, dem geschliffenen Estrich am Boden und den Spots auf Schienen, wurden zur idealen Hülle für zeitgenössische Konzeptkunst.
Im Frühjahr 2014 wurde die Sammlung nach Salzburg ins Museum der Moderne transferiert, am Ende des Jahres der Standort Wien aufgelöst. Nachdem die Suche nach neuen kunstaffinen Nutzern trotz intensiver Gespräche im Sand verlaufen war, erwies sich der Diskonter Lidl als idealer Nachnutzer. „Die Generali ist sich des Wertes dieser Räumlichkeiten sehr wohl bewusst. Der Umgang mit dem Bestand hatte oberste Priorität“, so Angelika Knap, Pressesprecherin der Generali.
Allfällige Eingriffe waren so zu gestalten, dass die Nutzung als Museum auch künftig wieder möglich ist. In Absprache mit dem Bundesdenkmalamt konzipierten die Architekten Baumann und Partner die Einrichtung der neuen Lidl-Filiale komplett demontabel, auch der Lidl Konzern und das Arbeitsinspektorat erwiesen sich als sehr kooperativ.
Diese Lidl-Filiale glänzt mit fast 100% natürlichem Tageslicht, einem ausgetüftelten Lichtkonzept von Zumtobel und perfekten Sichtbetonoberflächen, sie wirkt puristisch und luftig. Alle Waren stehen auf Euro-Paletten, Regale und Beschriftungen tragen sich selbst, auch Backshop, Tiefkühltruhen und Kühlsysteme wurden so angebracht, dass sie jederzeit demontabel sind. „Wir haben eigentlich den Lidl in der Generali Foundation ausgestellt“, so Architekt Baumann. „In sensiblen Bereichen wurde nicht einmal ein Loch gebohrt. Wir mussten Alternativen zum Standard entwickeln, um nicht mit dem Denkmalschutz in Konflikt zu kommen.“ Die Oberlichtdecke und das Glasdach darüber wurden komplett erneuert, eine Sprinkleranlage eingebaut, die Technik versteckt, die Regale so aufgestellt, dass man bis zur Straße sieht. Demnächst zieht in das ehemalige Hutgeschäft eine Aida-Filiale ein.