VOM TOPMANAGER ZUM PASSIONIERTEN FOTOSAMMLER

Artur Walther

Artur Walther vor der Serie "African Spirits" des zentralafrikanischen Künstlers Samuel Fosso © Orla Conolly

In internationalen Fachkreisen kennt man ihn auf jeden Fall schon lange. Aber so richtig ins Scheinwerferlicht geriet Artur Walther im vergangenen Jahr, als ihm vom renommierten Center of Photography (ICP) in New York der "Infinity Award 2016" verliehen wurde – als einem führenden Sammler, Ausstellungsmacher und Forscher auf dem Gebiet der Fotografie, der in den ver­gangenen zwanzig Jahren eine der besten und umfangreichsten Kollektionen weltweit zusammengetragen hat.


Artur Walther lebt seit 40 Jahren in New York. Sein Lebensweg ist bilderbuchreif. Geboren wurde er 1948 in Burlafingen, einem kleinen Nest an der Donau, das heute zu Neu-Ulm am südlichen Ufer des Stroms gehört. Aus kleinen Verhältnissen stammend, studierte er, hochbegabt, in den 1970er-Jahren an der Harvard Business School, arrivierte zum Topmanager an der New Yorker Wall Street und verabschiedete sich 1994 aus dem Berufsleben, um sich seiner Leidenschaft, der Fotografie, zu widmen. 

Ein Aussteiger? Nein, ein Einsteiger! Er lernte fotografieren, konzentrierte sich aber bald auf das Sammeln. Er engagierte sich für das Werk von Karl Blossfeldt (1865–1932) und August Sander (1876–1964), freundete sich mit Hilla und Bernd Becher in Düsseldorf an und fand in den Arbeiten dieser Fotografen die Themen, denen er bis heute als Sammler, Ausstellungsmacher und Forscher unter anderem nachgeht: serielle Darstellungen und das Bild des Menschen in der Fotografie. 

Als vornehme Aufgabe des Sammlers versteht Walther die Kunst der Vermittlung. Nach dem Tod seiner Mutter stand er vor der Frage, was mit ihrem Haus in Burlafingen geschehen solle. Geworden ist daraus ein Ausstellungsort mit drei Gebäuden, der seit seiner Eröffnung 2010 auf der Landkarte der Foto-Liebhaber einen festen Platz hat. 

Der einzige Neubau des Burlafinger Gebäudeensembles wurde mit seinem Sockelgeschoss unter die Erde gebracht. Er sollte die schlichte Wohnbebauung des Ortes nicht dominieren. Die Sommerausstellung 2016 mit dem Titel "Die Ordnung der Dinge. Moderne und zeitgenössische Fotografie aus The Walther Collection", die in diesem Haus bis November gezeigt wurde, ist festgehalten in einem eindrucksvollen Katalog, der als wissenschaftliches Kompendium mit seinen Essays und als großartige Versammlung von Abbildungen zum Thema serielle Fotografie Staat macht. Verlegt hat den voluminösen Band der Steidl Verlag, eine der besten Adressen für Kunstbücher. Seit 2010 erscheinen in der Göttinger Bücherschmiede die Kataloge zu den Ausstellungen der Walther Collection als umfangreiche Bände mit wissenschaftlichem Anspruch – weniger Ausstellungsbegleiter als forschende Sachbücher zu den jeweiligen Themen.

Afrikanische Fotografie

Die Eröffnungsausstellung in Burlafingen wurde vor über sechs Jahren von Okwui Enwezor kuratiert, der seit 2011 Direktor des Hauses der Kunst in München ist und 2002 die documenta 11 in Kassel leitete. Wie es dazu kam? "Wir sind befreundet und wir interessieren uns beide leidenschaftlich für afrikanische Fotografie", sagt Artur Walther. Der Sammler besitzt heute die wohl größte Kollektion von Fotos aus Afrika. Thema der von Enwezor zusammengestellten Ausstellung war "Porträtfotografie und Soziale Identität". Die Auswahl aus den Werken von 32 Fotografen zeigte Arbeiten, die ihrem Ansatz nach konzeptuell sind. Der Katalog dokumentiert zum Beispiel die atemberaubende Gegenüberstellung von 35 Arbeiten des 1921 in Bamako, Mali, geborenen und 2001 in Paris verstorbenen Seydou Keita mit 60 Werken von August Sander. Der Band zu dieser sowie zu den zwei Folgeausstellungen, die der Landschaft und dem Archiv Afrikas gewidmet waren, sind bei Steidl in einem dreibändigen Schuber erschienen. 

Was Walther momentan besonders brennend interessiert und bereits heute die Zukunftsplanung für die Veranstaltungen in Burlafingen und New York bestimmt, das ist die vernakulare Fotografie. Ein Begriff, der sich für Werke durchgesetzt hat, deren Urheber unbekannt sind. "Die Geschichte der vernakularen Fotografie ist noch weitgehend unerforscht", sagt der Sammler. "Sie reicht zurück bis in die Zeit der Daguerreotypie, also ins 19. Jahrhundert." Die Sammlung erwarb in den vergangenen Jahren zahlreiche Serien vernakularer Fotografie, die in mehreren Ausstellungen im New Yorker Projektraum gezeigt werden sollen. Kuratoren, Wissenschaftler, Künstler aus aller Welt werden auf Einladung des Sammlers bei einem Symposion dieses noch wenig erfasste Gebiet der Fotografie untersuchen. Wissenschaftliche Publikationen sind bereits in Planung. Das Ergebnis aller dieser Untersuchungen zur vernakularen Fotografie wird 2019 in einer großen Ausstellung in Burlafingen präsentiert werden.


Aktuell, bis 2. April 2017, zeigt die Walther Collection in ihrem New Yorker Projektraum die Ausstellung "Acts of Intimacy: The Erotic Gaze in Japanese Photography".

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