Maximilian Missoni, Head of Design bei POLESTAR, im Interview

Art & Design: SUPERKRÄFTE 2.0

Im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK präsentierte der schwedische Automobilhersteller POLESTAR im Showroom im ersten Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt das Concept Car „Polestar Precept“. Extrem minimalistisch und dabei sinnlich und detailverliebt soll das „Zero Energy“ Grand Coupé eine designverliebte, zahlungskräftige Kundschaft verführen, für die klassischer Luxus in längst vergangene Zeiten gehört. Im Interview spricht der Designchef Maximilian Missoni über nachhaltige Materialien, eine neue Ära in der Automobilbranche und seine „Super Power“ als Designer.


PARNASS: Sie sind mittlerweile im hohen Norden zuhause – wie oft und gerne kommen Sie zurück in die Heimat und was steht dann ganz oben auf der To-do-Liste?

Maximilian Missoni: Meine Eltern zu treffen, steht natürlich immer obligatorisch auf dem Programm. Ebenso ein gutes Mittagessen in einem unserer Lieblingslokale in der Südsteiermark. Ich besuche Österreich gerne und so oft es mein Terminplan zulässt, zumindest aber drei- bis viermal im Jahr. Ein festes Programm habe ich dabei allerdings nicht, jeder Besuch ist anders.

PARNASS: Sie haben in Linz Industriedesign und anschließend Fahrzeugdesign am Royal College of Art in London studiert – wie kann aus Ihrer Sicht ein Einstieg in das Berufsleben gelingen?

Maximilian Missoni: Ich denke zwischen damals (Ende der 1990er Jahre – Anm. d. Red.) und heute besteht da ein großer Unterschied. Zu meiner Studienzeit waren Praktika – und auch generell der Weg vom Produktdesign in die Fahrzeugbranche – noch nicht so selbstverständlich und auch nicht gang und gäbe. Als ich mich während meines Industriedesignstudiums noch ohne Erfahrung um ein erstes Praktikum bei Volkswagen bemüht habe, hat mich mein Weg bis nach Brasilien geführt. Glücklicherweise hatte ich Familie vor Ort, sodass ich das Angebot auch ohne Bezahlung annehmen konnte. Das hat sich für mich mehr als gelohnt: als die Designchefs aus Deutschland in Brasilien zu Besuch waren, ist ihnen meine Arbeit positiv aufgefallen, also bin ich geblieben, habe Wettbewerbe für Serienprodukte bearbeitet und hätte direkt einsteigen können, wenn ich nicht mein Studium noch hätte abschließen wollen.

Volkswagen hat dann meine Ausbildung am Royal College of Art in London finanziert – das gibt es so heute glaube ich nicht mehr oft. Bei Polestar haben wir mittlerweile aus dieser Erfahrung heraus eine eigene Online-Design-Community aufgebaut, eine Plattform für Designer und StudentInnen, die dem kreativen Austausch dient. Über Wettbewerbe versuchen wir Nachwuchstalente zu finden und das gelingt uns auf diese Weise ausgesprochen gut. Generell führt also der Weg heute wie damals über das eigene Engagement und Interesse ans Ziel – wie überall im Leben.

Foto: Polestar/Zsolt Marton

PARNASS: Sie lassen sich gerne von Architektur und zeitgenössischer Kunst inspirieren – inwieweit spiegelt sich das in Ihren Entwürfen und Formen wider?

Maximilian Missoni: Ich würde nicht sagen, dass sich in meiner Arbeit einzelne Akteure konkret wiederfinden lassen, aber es gibt einige KollegInnen, die mich inspirieren. Egal, ob Architektur, Kunst, Mode oder Fahrzeugdesign – der Fanatismus oder die Liebe zur Ästhetik ähneln sich doch sehr. Vor Kurzem durfte ich mit Paul Ivić den Küchenchef des vegetarischen Gourmetrestaurants TIAN treffen, dabei haben wir festgestellt, dass die Kreation seiner Speisen in ähnlichen Bahnen verläuft wie das Design unsere Elektrofahrzeuge.

Ich denke, der kreative Prozess ist universell, auch in Bezug auf die Teamführung – es kommt letztlich vor allem darauf an, die Motivation aller Beteiligten hochzuhalten, eine Gruppe aus Gleichgesinnten zu formen, die sich gemeinsam als Urheber ihres Produktes verstehen und sich entsprechend einbringen können. Ich selbst sehe mich dabei als Kurator, Entwickler und vor allem Entscheider. Es sind die Nuancen, die auf lange Sicht den Stil einer Marke prägen.

PARNASS: Wie wichtig ist ein solch umfassender Denkansatz für die Zukunft der Automobilbranche – spüren Sie einen generellen (Werte)Wandel in der Szene?

Maximilian Missoni: Ich kann da nur für mich sprechen und dieser Stil ist nun einmal meine Art, die ich auch nicht an meinen Auftraggeber anpassen würde. Das Level an Qualität von Design ist in meinen Augen als angewandte Kunst zu betrachten und dafür müssen sich alle Beteiligten mit der Sache identifizieren können. Bei POLESTAR gibt es da keinerlei Konflikte, dieses Selbstverständnis reicht vom Praktikanten bis zu unserem CEO Thomas Ingenlath. Kommunikation spielt in diesem Zusammenhang eine essenzielle Rolle. Man muss sich als Designer immer selbst erklären und das „weil“ dezidiert darlegen können, das ist mir ganz wichtig und ich bin froh, dass ich in dieser Hinsicht von meinem Umfeld positives Feedback bekomme.

Foto: Polestar/Zsolt Marton

PARNASS: Inwieweit lässt sich für Sie als Designer der Wandel zu nachhaltiger Mobilität vom Skizzenblock aus beschleunigen bzw. von Anfang an mitdenken?

Maximilian Missoni: Generell ist das beim Designen von Autos eher schwierig, da vieles bereits vordefiniert ist – gerade bei Serienprodukten gibt es eine feste Basis, sei es seitens der Zulieferer oder aufgrund bestimmter Prozesse. Bei einem Showcar oder einer Studie sieht die Sache schon wieder anders aus: da kennen wir keinerlei Grenzen und können nach Herzenslust experimentieren. Sie finden uns dann in simplen Holzboxen, wo wir durch die mit Daten überlagerte VR-Brille auf die Mobilität der Zukunft blicken. Wir bauen aber auch größere Modelle aus verschiedenen Materialien oder greifen auf den 3D-Druck zurück.

Zum Thema Nachhaltigkeit: würden wir beispielsweise unseren Polestar 2 nehmen und diesen im Sinne unseres Polestar 0 Projects – also unserem Ziel, bis 2030 ein wirklich klimaneutrales Fahrzeug zu entwickeln – adaptieren wollen, so wäre dies schlichtweg nicht möglich. Wir sind aber dabei, ihn mit jedem Update und jeder Neuerung nachhaltiger zu gestalten und seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Man muss beim Design wirklich ganz früh anfangen, zirkuläre Prozesse und eine entsprechende Zerlegbarkeit von Anfang an einzuplanen. Flexibel zu bleiben und über den Tellerrand hinauszudenken, finde ich dabei extrem wichtig. Unser CEO Thomas Ingenlath kommt beispielsweise aus der Designbranche, heute leitet er eine Automarke – das prägt.

PARNASS: Das Konzeptfahrzeug Polestar Precept spiegelt die Notwendigkeiten angesichts der drängenden Fragen der Klimakrise wider – was ist Ihre Message?

Maximilian Missoni: Generell besteht der Precept aus Aluminium. Nun könnte man sagen, dass dies aus energetischer Sicht bedenklich wäre. Doch die Energie an sich ist nicht das Problem, die lässt sich auch aus alternativen Quellen gewinnen. Unser Ansatz besteht darin, nachhaltige Ideen und Prozesse in Ästhetik zu übersetzen. Wir wollen mit dem Precept keinen klassischen Luxus in Form bekannter Stereotypen und Materialien bieten, sondern ein Highend-Produkt abliefern, das die Avantgarde einer neuen Zeit überzeugt. Als Designer können wir Begehrlichkeiten wecken – ich nenne das gerne unsere „Super Power“ – und damit auch die Nachfrage nach Produkten steigern, die unsere Zukunft und Ressourcen nachhaltig positiv beeinflussen können.

PARNASS: Sie arbeiten auch mit umweltfreundlichen und innovativen Materialien – wie sind Sie darauf gestoßen und welche Möglichkeiten tun sich dabei beim Design auf?

Maximilian Missoni: Im Innenraum des Polestar Precept haben wir bewusst mit – zumindest in der Automobilindustrie – neuartigen Materialien wie Flachs, recycelten Plastikflaschen und wiederverwertetem Korkvinyl gearbeitet. Die Türflächen sind beispielsweise mit einem Verbundwerkstoff aus Flachsfasern versehen, der einerseits durch seine extreme Steifigkeit Carbon in nichts nachsteht, andererseits eine textile Anmutung mitbringt, was dem Innenraum, zusätzlich hinterleuchtet, eine gewisse Wärme verleiht. Was wir bei Sportschuhen in Form von 3D-gestrickten Textilien aus recycelten PET Flaschen schon kennen, haben wir uns auch für die Sitze des Precept zu Nutze gemacht.

Foto: Polestar/Zsolt Marton

PARNASS: Welche Emotionen oder Gefühle versuchen Sie den Menschen (Nutzern) mit Ihrem Design zu vermitteln oder anders gefragt: warum tun Sie, was Sie tun?

Maximilian Missoni: Zum einen muss ich da an meine Studentenzeit in Linz zurückdenken und die kritische Haltung meiner KommilitonInnen gegenüber der Automobilindustrie hinsichtlich der Emissionen. Das Argument kann ich durchaus unterstützen, aber ich habe schon damals gesehen, dass sich von außen nichts verändern lassen wird. Bereits damals war mir klar, dass sich die Industrie in Zukunft bewegen muss, auch wenn ich noch nicht wusste wie. Heute, 20 Jahre später, sind wir tatsächlich in der Lage, alternative Materialien auch in der Industrie zum Einsatz zu bringen – gerade bei einer Marke wie Polestar, die sehr großen Wert auf Design und Wandel legt. Diese Chance möchte ich einfach nutzen.

Zum anderen sind die Emotionen, die Autos nun einmal auslösen können, und auch das direkte positive Feedback der KundInnen ein täglicher Antrieb einfach ein schönes Gefühl.

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