Nach eineinhalb Jahren ist es Gewissheit: Die Corona-Pandemie hat die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Steigende Arbeitslosenzahlen, der Bedarf an Wohnbeihilfen, Sozialmärkten und Notschlafstellen sprechen eine erschütternde Sprache. In Österreich sind aktuell 1,5 Millionen Menschen armutsgefährdet 17,5 Prozent der Bevölkerung.


Brisant, gesellschaftspolitisch aktuell und an einem Ort, an dem sich rund um den Stephansdom Luxusboutiquen und karitative Einrichtungen begegnen: In der aktuellen Jahresschau „arm & reich“ des Dom Museum Wien zeigt Direktorin und Kuratorin Johanna Schwanberg globale Armut als Folge der Pandemie wie auch sozioökonomische Ungleichheit als Konstante unterschiedlicher Epochen und Gesellschaften. Der weite Bogen der umfangreichen Schau spannt sich vom Mittelalter bis in die Gegenwart, von Barmherzigkeitsaltären aus dem 15. Jahrhundert, sakralen und profanen Gemälden, liturgischen Schätzen, Fotografien und Videoarbeiten zu Projekten zeitgenössischer Künstler in Zusammenarbeit mit von Armut betroffenen Menschen.

In sechs thematischen Bereichen werden Aspekte des Armseins in Wechselbeziehung zu Wohlstand gebracht, Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in der „großen Schere“ verdeutlicht, Armut in „Gesichtern und Geschichten“ dokumentiert und an „Orten der Ungleichheit“ gezeigt, mutig „Kritik, Widerstand und Protest“ geübt und engagiert „Teilen und Teilhabe“ praktiziert, ergänzt durch materielle wie immaterielle „Symbole, Materialien und Werte“. 

In Gesichtern ist oft die ganze Tragik der Armut zu erfassen, Biedermeierbilder von Ferdinand Georg Waldmüller und Peter Fendi zeigen Kinderarbeit in berührenden Szenen. Fotos aus der Serie „Child Labour Exploitation“ des zeitgenössischen spanischen Reportagefotografen Fernando Moleres führen einem vor Augen, dass weltweite Kinderarbeit und -armut auch heute akute Themen sind. Kann man seine menschliche Würde in Elend und Armut bewahren, scheint der Barockmaler Luca Giordano in seinem „Bettler-Philosophen“ zu fragen.

Projeto Morrinho, Projeto Morrinho, seit 1997. Foto: Sabrina Mesquita / Projeto Morrinho

Kritisch betrachteten schon Rembrandt und Bruegel, später Käthe Kollwitz und George Grosz politische wie wirtschaftliche Systeme, die zu ökonomischer Ungleichheit und sozialer Not führen. Zeitgenössische Künstler wie Alice Creischer, Oliver Ressler und Krzysztof Wodiczko benutzen andere Medien, doch die Anklagen sind dieselben.

Sakrale Objekte spüren den materiellen und immateriellen Werten von Gegenständen nach und spiegeln Standpunkte der Kirche zu Reichtum, Repräsentanz und Armut wider. Kelche aus Gold, mit Edelsteinen geschmückt, stehen einem schlichten Reliquiar mit Erde vom Grab des heiligen Franziskus gegenüber. Daneben stellt Beuys die Frage nach den wahren Werten der Kunst.

Dieser Text wurde gekürzt, den ganzen Beitrag finden Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/2021.

Pieter Bruegel d. Ä., Kampf der Geldkisten und Sparbüchsen, nach 1570. Albertina, Wien. Foto: Albertina, Wien

Dom Museum Wien

Stephansplatz 6, 1010 Wien
Österreich

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