Ai Weiwei trifft auf die Hallstattkultur
„Transcending Borders“, die Grenzüberschreitung der Kulturräume Österreich und China wird diesen Sommer im Bad Ischler Marmorschlössl, dem Kaiserpark und den Kaiserlichen Stallungen aufgeschlagen. Hier tritt der renommierten Künstler Ai Weiwei in Dialog mit dem Erbe der Hallstattzeit.
Kultureller Dialog zwischen Asien und Europa
Im „Salzkammergut-Jahr“ rund um die Kulturhauptstadt wollte der Direktor der OÖ Landes-Kultur GmbH Alfred Weidinger gemeinsam mit Kurator Lucas Cuturi auch mit seiner Sommerausstellung im Marmorschlössl ein Augenmerk auf die Region legen. So entstand die Idee asiatische und europäische Geschichte miteinander wirken zu lassen, schließlich bilden Funde aus der Hallstattzeit (800–450 v. Chr.) ein wesentliches Charakteristikum der Region. Ein großer Sammler und Interpret wiederum früher chinesischer Dynastien ist Ai Weiwei. Seine Kunst referenziert vielfach auf archäologische Artefakte und kulturhistorische Überlieferungen. So bot man dem chinesischen Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator die Möglichkeit, aus den aus den Sammlungen des Oberösterreichischen Landesmuseums eine Auswahl der Hallstattkultur, der sogenannten „älteren Eisenzeit“, einer der bedeutendsten prähistorischen Kulturen Mitteleuropas, zu treffen und neu sichtbar zu machen.
Keramik, Schmuck, aber auch Werkzeuge werden nun ausgestellt und treffen auf Objekte der privaten Sammlung des Künstlers sowie neue und ältere Kunstwerke aus seiner Hand. „Die archaischen Kunstwerke von Ai Weiwei, in eigens von ihm entworfenen Vitrinen, ergänzen die Sammlung auf geniale Weise. Es entsteht so ein Dialog, der Fragen nach Identität, Tradition und menschlichem Erbe aufwirft“, so die Ausstellungsmacher. Die Präsentation fällt vielfältig aus, von über viele tausend Jahre alten Objekten hin zu jüngst entstandenen Lego-Bildern Ai Weiweis. Ein Element, das wiederholt auftritt und der Ausstellung Takt verleiht, ist der Drache. In der chinesischen Astrologie ist dieses das heurige Jahr diesem Tierkreiszeichen zugeordnet, und so fliegt er etwa komponiert aus Symbolen von Ländern, in denen die Redefreiheit eingeschränkt ist, über die Köpfe der Ausstellungsbesucher hinweg.
Daneben begegnet man unter anderem dem Künstler im digital generierten Selbstporträt aus Aluminium oder dem Symbol des Fahrrads. Für Ai Weiwei ein Versatzstück seiner Kindheit, als im chinesischen Alltag das Fahrrad Luxussymbol war. Im Kaiserpark entfaltet sich unterdessen eine Begegnung des Marmorschlössls mit der Holzriegelkonstruktion eines original chinesischen Herrenhauses aus der Qing-Dynastie (1644–1911 n. Chr.) das Ai Weiwei knallbunt mit Autolack ins Jetzt holt und dabei kulturelle Aneignung ebenso thematisiert, wie er auch kritisch auf die Zerstörungskraft des Menschen verweist.
Nebenan sind Ai Weiweis „Zodiac Heads“ zu sehen, monumentalen Tierkreisköpfe, eine Neuinterpretation der Brunnenfiguren, die bis zur Zerstörung im Ersten Opium-Krieg vor dem kaiserlichen Sommerpalast in Peking standen. In Bad Ischl stehen sie nun in Bezug zu der Sommerresidenz, wo Kaiser Franz Joseph I. die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnete, die den Ersten Weltkrieg auslöste. Tierdarstellungen sind auch in den gezeigten frühgeschichtlichen Objekten zentral. So sind etwa bronzene Prungehängefibeln zu sehen – „Es handelt sich um mit Tierdarstellungen verzierte Platten. Vor allem (Wasser-)Vögel gehören zu den häufig dargestellten Tieren in der Hallstattzeit, die Fragen zu ihrer Bedeutung in Religion und Kult auslösen, die mangels Schriftquellen nicht beantwortet werden können“, führt Jutta Leskovar, Sammlungsleiterin der Ur- und Frühgeschichte aus – sie begleitete die Ausstellungskonzeption. Funde wie dieser bilden mannigfaltigen Boden zur Beschäftigung und werden durch den Gedankenaustausch mit Ai Weiwei ins Jetzt geholt. Insgesamt gelingt ein lohnendes Gastspiel, das spannende Einsichten liefert, was parallel zur und vor der Frühgeschichte Hallstatts am asiatischen Kontinent geschah.
Es sei gelungen, mit Ai Weiwei die Person ins Boot zu holen, die eine der eindrucksvollsten Sammlungen chinesischer Artefakte außerhalb Chinas besitzt.
Marmorschlössl
Jainzen 1, 4820 Bad Ischl
Österreich
Ai Weiwei. Transcending Borders
bis 27. Oktober 2024