30 Jahre Galerie Jünger

Andrea Jünger, Foto: © Sabine Maier

Sich für die Kunst Zeit nehmen: Andrea Jünger hat in den 30 Jahren als Galeristin viel ermöglicht, erlebt, verändert, vermittelt und immer wieder dazugelernt. Ein Grundprinzip ist ihr aber immer geblieben: Kunstinteressierte Menschen daran zu erinnern, sich für das Entdecken von Kunst die notwendige Zeit zu nehmen. Das ganze Interview gibt's hier.


„Die Farben saufen ab!“ Andrea Jünger war bei der Präsentation des neuen „Eisernen Vorhangs“ in der Wiener Staatsoper. Seit 1998 gestalten zeitgenössische Künstler:innen die mobile Brandschutzwand des Opernhauses. Ein Vorhang des NSDAP-Mitglieds und Künstlers Rudolf Hermann Eisenmenger, der unter Denkmalschutz steht und nicht so einfach entsorgt werden kann. Daher wurde eine klassisch österreichische Lösung gefunden: Er wird mit zeitgenössischer Kunst überklebt. Dieses Jahr wurde ein Videostill der Schweizer Medienkünstlerin Pipilotti Rist gewählt. „In der Ankündigung wurde eine Farbexplosion versprochen,“ erklärt Jünger im Gespräch mit PARNASS. „Das Ergebnis ist bei weitem nicht so poppig wie erwartet.“

Wenn Andrea Jünger ein Thema zur Kunst anspricht – und sei es auch ein nicht so weltbewegendes wie der „Eiserne Vorhang“ der Wiener Staatsoper –, treten ihre Expertise, Erfahrung und ihr Engagement unmittelbar zutage: Es lässt sie wenig kalt und mit versierter Verve unterstreicht sie Positives wie Negatives im Kunstbetrieb. Eine Begeisterung, die auch nach 30 Jahren als Galeristin, Kuratorin, Kunst- und Kulturvermittlerin nicht nachgelassen hat.

Hubert Roithner – Robert Puczynski, Ausstellungsansicht »Aus Wäldern«, 2022, Foto: © Galerie Jünger

Hubert Roithner – Robert Puczynski, Ausstellungsansicht »Aus Wäldern«, 2022, Foto: © Galerie Jünger

Ihre Karriere als Galeristin begann in der Kurstadt Baden. Bei weitem kein Hotspot für zeitgenössische Kunst. Die Kunsthistorikerin war zuerst für Öffentlichkeitsarbeit in der Galerie von Tina Kosak in der Villa Menotti tätig. „Im Jahr 1994 habe ich Räume in der Villa Menotti übernommen und mich selbstständig gemacht. In Baden, weil ich mir gedacht habe, dass die Galerie dann nur zehn Minuten von unserem Wohnsitz in Bad Vöslau entfernt ist – sehr bequem“, erzählt sie.

Für "unhippe" Positionen braucht es manchmal Zeit, die man sich aber unbedingt nehmen muss.

Andrea Jünger

Auch Dank des gemeinsamen Freundeskreises mit ihrem Mann Otmar war sie in der Kunstszene bereits gut vernetzt und konnte sowohl etablierte Künstler:innen als auch jüngere Talente wie Erwin Wurm oder Peter Kogler zeigen. Ihre Galerie sieht sie eher der Idee eines privaten Salons verwandt und soll primär ein Ort der Kommunikation und des Kunstgenusses sein.

Letztendlich ist sie doch in Wien gelandet. Hier erregte sie Aufsehen mit echt schrägen Ausstellungen in der ehemaligen, verkachelten Backstube der Bäckerei Schrammel. Nun residiert sie in einer Beletage in der Taubstummengasse, wo sie auch wieder näher an ihrem Salonkonzept agieren kann. Dort wurde für den Nachlass des Künstlers Franz Beer auch ein eigener Präsentationsraum ins Leben gerufen.

Kunst darf alles thematisieren, muss aber nicht.

Andrea Jünger

Den Kunstmarkt sieht Jünger in einer Krise: „Die kunstinteressierte Mittelschicht ist finanziell ausgeblutet.“ Hinzu kommt der gesellschaftliche Verlust: „Das kulturelle Bildungsniveau sinkt, daher auch der Anspruch an Qualität.“ Sie fordert die Politik auf, Verantwortung zu übernehmen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Kulturvermittler zu stärken: „Es ist absolut deplorabel, wenn Gossip-Formate den Stellenwert einer Kulturberichterstattung erhalten.“

Gabriele Schöne, Ausstellungsansicht "Verschiedenfrüchigkeit", 2022, Foto: Galerie Jünger

Gabriele Schöne, Ausstellungsansicht "Verschiedenfrüchigkeit", 2022, Foto: Galerie Jünger

Die Politik muss die Weichen für eine Gesellschaft stellen, die sich ihrer demokratischen und kulturellen Werte bewusst ist.

Andrea Jünger

Wenn Andrea Jünger in die Zukunft blickt, dann ist sie hin- und hergerissen. Auf der einen Seite erkennt sie die Krisen, die den Kunstmarkt entscheidend schwächen. „Es ist prekär, was in den letzten Jahren mit der über Jahre hinweg aufgebauten, kunstinteressierten Mittelschicht geschehen ist“, fasst sie besorgt zusammen: „Finanziell ausgeblutet ist diese wichtige Käuferschicht den Galerien einfach weggebrochen! Das kulturelle Bildungsniveau sinkt, daher sinkt auch der Anspruch an Qualität bzw. das Bedürfnis, sich als verantwortlicher Träger dieser Kultur zu begreifen. Die Politik trägt hier die Verantwortung, sie muss die Weichen für eine ebenso aufgeklärte wie aufgeschlossene Gesellschaft stellen, die sich ihrer demokratischen und kulturellen Werte bewusst ist.“

Für Andrea Jünger hat Kunst das Recht, politisch nicht korrekt zu sein. Sie ist vorrangig nicht zur Illustration politischer Geschehnisse aufgerufen, das wäre Angelegenheit von Plakaten. Die Thematik wäre auch noch nicht der Garant für Bedeutung – „da kommt noch die entscheidende Frage nach der formalen Umsetzung“.

Selbst wenn sich zurzeit einiges in Schieflage befindet, ihren Optimismus hat Andrea Jünger nicht verloren: „Es kommen wieder Generationen, die die Fahnen der Kunst und Kultur hochhalten. Die die Fähigkeit haben, intellektuelle und künstlerische Qualitäten zu erkennen. Daran müssen wir arbeiten!“

 Josef Kern, Ausstellungsansicht "Ausgedacht und Abgemalt", 2023, Foto: Galerie Jünger

 Josef Kern, Ausstellungsansicht "Ausgedacht und Abgemalt", 2023, Foto: Galerie Jünger

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