20 Jahre VIENNA ART WEEK
Die VIENNA ART WEEK (VAW) feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum und stellt auch in diesem November Wiens vielfältige Kunstszene ins Scheinwerferlicht. Gemeinsam mit rund 70 Programmpartnern bietet das Festival eine Woche lang inspirierende Kunst von der Gegenwart bis zum Barock. Wir haben Robert Punkenhofer, Mitbegründer der VAW und künstlerischer Direktor, zum Gespräch getroffen.
PARNASS: Was war die Idee, die hinter der Gründung der VIENNA ART WEEK – eine ganze Woche Kunst – stand?
ROBERT PUNKENHOFER: Unsere Idee war, mit der VIENNA ART WEEK gemeinsam mit den Museen, Institutionen und Galerien eine stärkere Visibilität für die bildende Kunst in Wien zu erreichen. Früher gab es die sogenannten Festwochenausstellungen, mit Kurator:innen wie Kasper König, Hans Ulrich Obrist, Cathrin Pichler und anderen, die international Aufmerksamkeit erregten, die jedoch nicht weitergeführt wurden.
Zudem hat sich die Wiener Kunstszene enorm weiterentwickelt. Anders als andere Städte, die damals vor allem auf Großevents wie Biennalen setzten, wollten wir die Breite der Wiener Kunstszene in den Fokus rücken. Zu Beginn wollten wir vor allem international ein neues Bewusstsein dafür schaffen, dass Wien nicht nur eine Musik- und Theaterstadt ist, sondern auch im Bereich der bildenden Kunst viel zu bieten hat – vor allem auch eine interessante junge zeitgenössische Kunstszene. Doch es war auch wesentlich, das lokale Publikum zu gewinnen, denn vielen in Österreich lebenden Menschen und auch der Politik ist die Vielfalt und auch die Bedeutung der heimischen Kunstszene nicht bewusst. Dabei bieten die Museen, Institutionen und Galerien ein umfangreiches und fantastisches Programm mit einem breiten internationalen Spektrum. Und wir fanden, das muss gesehen werden.
P: Mittlerweile ist die VAW zu einem Fixpunkt sowohl der internationalen als auch der lokalen Kunstcommunity geworden. Doch war, wie überall, „aller Anfang schwer“.
RP: Speziell die ersten drei Jahre waren schwer. Es war zunächst leichter, die Institutionen und Museen ins Boot zu holen als die Galerien, obwohl wir damals terminlich auch mit der Kunstmesse kooperiert haben. Doch ein Anfang war gesetzt, die VAW hat sich jedes Jahr weiterentwickelt und ist mittlerweile ein Festival mit großer Relevanz geworden. Statt 500 Gäste wie zu Beginn erreichen wir heute um die 30.000 Leute und haben auch medial einen großen Outreach. Dazu trägt auch das Programm der VAW bei, das weit über übliche Führungen durch Ausstellungen hinausgeht mit Inhalten, die speziell für diese Woche entwickelt werden. Dazu gehören auch unsere Ausstellungen, die wir stets in besonderen Gebäuden gemacht haben, die vor dem Abriss standen oder umgebaut wurden, in Fabrikhallen etc. In diesen Zwischennutzungen, die traditionell der jungen Szene zugeordnet werden, haben wir auch etablierte Kunst präsentiert. Nicht zuletzt, um Wien aus einem anderen Blickwinkel zu zeigen, außerhalb des Zentrums.
Die VAW hat seit ihrer Gründung eine enorme Öffnung erlebt, die Community, die sich für Kunst interessiert, ist gewachsen und auch die Anzahl der teilnehmenden Institutionen. Wir haben bald auch die Artist-run Spaces und Alternative Spaces eingeladen, um die sehr aktive junge Szene Wiens zu zeigen. Die Open Studio Days wurden initiiert usw.
P: Die VAW wurde auch zum Vorbild für weitere Art-Week-Gründungen.
RP: Ja, wir sind quasi die „Mutter aller Art Weeks“ – einer Idee, dass eine Woche lang alle Player der Kunstszene an einem Strang ziehen und gemeinsam ein interessantes Programm anbieten. Ähnliche Ideen sind nach uns in Amsterdam, Berlin, Prag, Stockholm, Budapest, Lissabon und Paris entstanden, teilweise auch mit unserer Hilfe oder mit unserer Beratung. Wir haben mittlerweile eine kleinen Verband dieser Städte gegründet und zu unserem 20-jährigen Jubiläum wird es ein Treffen der Organisator:innen in Wien geben.
P: Gibt es eine nachhaltige internationale Vernetzung mit Künstler:innen und Kurator:innen?
RP: Die internationale Vernetzung war von Beginn an wichtig. Es ging und geht uns nicht um eine Nabelschau. Auch bei den Ausstellungen, die wir selbst kuratiert haben, stand der Dialog zwischen der heimischen und der internationalen Kunstszene im Fokus – womit nicht mehr ausschließlich westliche Kunst gemeint ist. Wir haben jahrelang Kurator:innen eingeladen. Daraus sind etliche Folgeprojekte entstanden. Insgesamt also kann man schon sagen, dass diese Vernetzung sehr gut funktioniert.
P: Die VAW steht jährlich unter einem Motto und hat dabei auch oft gesellschaftlich relevante Themen vorweggenommen.
RP: Die Idee war, über die Vernetzung und das Get-together, das uns auch wichtig ist, den Fokus auf Inhalte zu setzen und ein Programm zu entwickeln, das hinter die Kulissen blickt und einen Diskurs evoziert. Das war uns von Beginn an wichtig und ist ein USP der VAW. Themensetzungen, auch um relevant zu sein – und zu bleiben. Gerade Künstler:innen sind wesentliche Seismografen und hinterfragen oder thematisieren soziale, politische und gesellschaftliche Gegebenheiten und Rahmenbedingungen. Das Thema bildete immer eine Art roten Faden, der auch nach außen gut kommunizierbar ist.
P: Die erste VAW 2005 stand unter dem Motto „take. time. meet. art. vienna“. Auch dieses Jahr steht mit „Facing Time“ der Zeitfaktor im Mittelpunkt.
RP: Ja, da schließt sich ganz bewusst ein Kreis, wobei bei dem Titel „ Facing Time“ heute ganz andere Aspekte mitschwingen. 2005 ging es auch um den Rhythmus der Stadt. Anders als in London oder New York kann man sich hier genussvoll ins Kaffeehaus setzen, sich Zeit nehmen, lesen, diskutieren, sich treffen. Das wollten wir als Charakteristikum der Stadt hervorheben und auch als eine ihrer Qualitäten. Wir wollten aber auch den Faktor Zeit für die Kunst reklamieren: take time meet art vienna. Zeit ist eine kostbare Ressource, die unser modernes Leben prägt und in gesellschaftlichen sowie feministischen Diskursen eine wichtige Rolle spielt. Die diesjährige VAW lädt dazu ein, die flüchtige und tiefgreifende Natur der Zeit und die aktuelle Gegenwart zu reflektieren.
P: Rückblickend auf 20 Jahre VAW – konnte ein Paradigmenwechsel in der internationalen Wahrnehmung erreicht werden?
RP: Allein kann die VAW das nicht bewerkstelligen. Vor allem weil die Stadt Wien im Bereich Marketing stets noch mehr für jene Namen ausgibt, die international nahezu klischeehaft für Wien stehen. Ein Beispiel ist etwa das Budget für das kommende Johann-Strauß-Jahr 2025 in Wien. Daher ist ein Paradigmenwechsel nicht so leicht zu erreichen. Doch alle Initiativen rund um die Gegenwartskunst – und damit auch die VAW – tragen dazu bei, die zeitgenössische Kunstszene der Stadt in den Fokus zu rücken. Ich bin überzeugt, dass wir allein durch das Zusammenwirken der im Vienna Art Cluster gebündelten Institutionen, die alle dasselbe Ziel verfolgen, einen Anteil daran haben, dass die Stadt aus einem anderen Blickwinkel gesehen wird.
P: Wenn wir zu „Facing Time“ zurückkommen: Was erwartet uns bei der heurigen VAW?
RP: Im Rahmen unseres Jubiläumsfestes thematisieren circa zehn künstlerische Interventionen von Künstler:innen die Zeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Es gibt Gespräche mit Protagonist: innen, die uns in den letzten 20 Jahren begleitet haben, etwa Lilli Hollein und Bettina Leidl, und mit Menschen, die die Kunstszene der Stadt geprägt haben.
Auch wir selbst werden das Jubiläum zum Anlass nehmen, um zu reflektieren: Was ist gut gelaufen, was könnte noch besser laufen? Was fehlt noch? Ja, und ganz wichtig: Wir bringen einen 200 Seiten starken Katalog heraus mit einem Blick auf 20 Jahre Kunststadt Wien. Da sind wir wieder beim Faktor Zeit: Die 20 Jahre sind superschnell vergangen, doch der Katalog macht sichtbar, was wir alles realisiert haben, mit welcher Konsequenz wir jedes Jahr die VAW trotz kleinen Budgets, trotz Corona etc. durgeführt haben und wie damit eine wichtige Plattform für die Kunstszene der Stadt entstanden ist.