Nachgefragt

10 Minuten mit Gerda Ridler

Gerda Ridler ist seit 1. Jänner 2022 Künstlerische Direktorin der Landesgalerie Niederösterreich, für die 2019 in Krems ein spektakulärer Neubau errichtet wurde. PARNASS spricht mit ihr über ihre Pläne, Herausforderungen und Visionen.


PARNASS: Auf der Website der Landesgalerie steht ein Zitat von Ihnen: „Die markante Architektur des Hauses verbinde ich mit Dynamik, Innovation und Wagemut. Das sind auch die Leitmotive für mein Programm.“ Das klingt sehr ambitioniert und macht natürlich sehr neugierig und genau darüber möchte ich gerne mit Ihnen sprechen: Wie wird sich die genannte Dynamik, die Innovation und der Wagemut ausdrücken?

Gerda Ridler: Ich wurde mit dem Auftrag zur Direktorin bestellt, die künstlerische Programmstrategie zu schärfen und ein eigenständiges Profil für die Landesgalerie zu entwickeln. Das Haus hat herausragendes Potenzial, es ist ein Markstein der zeitgenössischen Architektur und es ist eine junge Institution, die trotz ihres dreijährigen Bestehens großen Freiraum zur Entfaltung und Gestaltung gewährt. Unser Ziel und Anspruch liegen in der Entwicklung markanter und qualitätvoller Ausstellungen, die einem diversifizierten Publikum vielfältige Begegnungsmöglichkeiten mit bildender Kunst vorwiegend österreichischer Provenienz bieten. Einen Vorgeschmack auf das künftige Programm geben meine drei ersten Ausstellungen: Die Personale von „Isolde Maria Joham“, einer niederösterreichischen Künstlerin, die es unbedingt zu entdecken gilt, ein „Rendezvous mit der zeitgenössischen Sammlung“, das noch nie gesehene Schätze aus dem Depot ans Licht der Kunstöffentlichkeit holt und die eindrucksvolle Rauminstallation von „Chiharu Shiota“, die auf Krems und die Architektur des Museums reagiert.

P: Die Architektur und ihre Funktionalität der gerade erst errichteten Landesgalerie wird ja heftig diskutiert.

GR: Das vorhandene Stellwand-System zu verändern und die spektakuläre Museumsarchitektur mit ihren hyperparabolischen Flächen in den Ausstellungsräumen wieder stärker spürbar zu machen, war ein Herzenswunsch von mir. Wir haben im gesamten Museum ein neues Ausstellungsdisplay entwickelt und in allen Etagen großzügige Raumatmosphären geschaffen, die den Kunstwerken einen optimalen Auftritt ermöglichen und unserem Publikum eine neue Orientierungs- und Aufenthaltsqualität bieten.

P: Ja, das ist sehr überzeugend gelungen, die Räume haben an Qualität enorm gewonnen und vermitteln ein sehr anderes, viel freieres Raumerlebnis. Ich möchte Ihnen gratulieren! Wie wollen Sie Identität des Museums auch programmatisch prägen oder stärken?

GR: Mein Programm beruht auf drei Säulen: Die Landesgalerie ist erstens Bühne für die Kunstsammlung des Landes, die rund 100.000 Werke von der Gotik bis zum Zeitgenössischen umfasst. Von deren Vielfalt, Tiefe und musealen Qualität kann man sich in der aktuellen Sammlungspräsentation überzeugen. Themen zukünftiger Ausstellungen entwickeln wir aus Inhalten der Sammlung und stärken so das institutionelle Alleinstellungsmerkmal des Museums. Zweitens ist die Landegalerie attraktiver Präsentationsort für heimische Künstler:innen, sowohl für prominente als auch für noch zu entdeckende Positionen. Es werden aber auch Kunstschaffende eine Bühne erhalten, die aus unserer Sicht bisher zu wenig Würdigung und Anerkennung für ihr Schaffen erhalten haben, wie die 90-jährige Isolde Maria Joham. Die dritte Säule ist unser Fenster zur internationalen Kunst und stellt Projekte vor, die mit der Region, der Bevölkerung und mit der Architektur des Museums in Dialog treten. Die international renommierte Japanerin Chiharu Shiota setzt mit ihrer eigens für die Landesgalerie konzipierten Installation „Across the River“ einen deutlichen Bezug zur Donau.

Gerda Ridler, Foto: Alexandra Bruckböck

P: Wie soll sich das Museum in der Zukunft behaupten, oder besser: Was sind Ihre Visionen?

GR: Ich will das Potenzial der Sammlung durch ebenso kluge wie ansprechende Ausstellungsaktivitäten in ein neues Licht rücken. Dabei sind wir der Geschichte verpflichtet und gleichzeitig der Zukunft zugewandt. Durch die Auseinandersetzung mit den eigenen kulturellen Traditionen und Werten kann es gelingen, sich selbst zu verstehen und gleichzeitig ein besseres Verständnis für das scheinbar Fremde und Andere zu fördern. Wenn man vor diesem Hintergrund von gesellschaftlicher Verantwortung sprechen möchte, dann spielt die Landesgalerie Niederösterreich als Ort der Identitätsstiftung und der kulturellen Teilhabe eine zentrale Rolle. Heute und in Zukunft mehr denn je. Daher will ich vor allem im Bereich der Vermittlung den Fokus auf junge Menschen richten, auf unser Publikum von morgen. Kulturelle Bildung ist ein unverzichtbarer Teil unseres Bildungssystems und Museen können hier als Orte des lebenslangen und generationenübergreifenden Lernens eine wichtige Funktion erfüllen.

Landesgalerie Niederösterreich © Raffael F. Lehner

Ein Museum der Zukunft muss nachhaltig und Ressourcen schonend arbeiten. Ich werde mich daher um kreative Allianzen bemühen und habe mit Blick auf die nächsten Jahre bereits einige Ausstellungs- und Publikationskooperationen initiiert. Zeitgemäße Museumsarbeit ist auch ohne das Digitale nicht mehr denkbar, denn das Internet eröffnet unbegrenzte Reichweiten. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass das Museum vor allem als Ort der Originalität und als Ort des authentischen und gemeinsamen Erlebens erfolgversprechend und zukunftsträchtig ist. Ich wünsche mir, dass die Landesgalerie Niederösterreich ein offenes und lebendiges Haus der Begegnung ist, ein Museum, das inspiriert und überrascht. Es soll regional verankert sein und überregional ausstrahlen, mit dem Ziel, dass es zu den wichtigsten Ausstellungshäusern in Österreich zählt und im Verbund mit den anderen Institutionen der Kunstmeile Krems zum wichtigsten Kunstzentrum in Österreich außerhalb Wiens wird. Und ich denke, dass wir dafür gute Voraussetzungen haben.

Chiharu Shiota, Across the River © Christian Redtenbacher

Chiharu Shiota, Across the River © Christian Redtenbacher

Rendezvous mit der Sammlung © Christoph Fuchs

Rendezvous mit der Sammlung © Christoph Fuchs

Isolde Maria Joham © Christian Redtenbacher 

Isolde Maria Joham © Christian Redtenbacher 

Landesgalerie Niederösterreich

Franz-Zeller-Platz 3, 3500 Krems
Österreich

 

Ausstellungsinformationen:

Isolde Maria Joham. Eine Visionärin neu entdeckt

bis 09 10 2022

Rendezvous mit der Sammlung. Kunst von 1960 bis heute

bis 05 02 2023

Chiharu Shiota. Across the River

bis 15 01 2023

Kurzvita Gerda Ridler

Mag.aDr.in Gerda Ridler (*1963 in OÖ) studierte Kunstgeschichte und Kulturmanagement in Wien, Linz und Ludwigsburg. Seit rund 30 Jahren arbeitet sie in unterschiedlichen Funktionen im internationalen Museums- und Ausstellungsbereich und war unter anderem im Kunstmuseum Lentos in Linz, im Belvedere in Wien, beim Festival steirischer herbst in Graz und im Kunstmuseum Stuttgart tätig. Von 2004 bis 2010 war Gerda Ridler und Gründungsdirektorin des Kunstmuseums Ritter in Waldenbuch bei Stuttgart, von 2013 bis 2018 wissenschaftliche Leiterin des Oberösterreichischen Landesmuseums. Als Kunsthistorikerin liegt ihre Expertise im Bereich der bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, als gerichtlich zertifizierte Sachverständige im Besonderen auf der Konkreten Kunst. Seit 1. Jänner 2022 leitet sie als künstlerische Direktorin die Landesgalerie Niederösterreich in Krems.

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