Market Art Fair Stockholm

Wie geht’s dem Kunstmarkt Skandinaviens?

Anja Fredell, Galleri Hedenius, Foto: Jean-Baptiste Béranger

Ein Jahr vor dem 20-jährigen Jubiläum zeichnen sich einschneidende Veränderungen in der Konzeption von Stockholms führender Kunstmesse ab: Der dezidierte Fokus auf skandinavische Galerien und Künstler:innen wird auf eine breitere Internationalität erweitert. Die ersten Erweiterungen im Zuge der 19. Ausgabe bringen bereits frischen Wind in die nördlichste Kunstmesse der Welt.


„In Europa liegen wir weit ab vom Schuss“, spricht die Direktorin der Market Art Fair, Sara Berner Bengtsson, im Gespräch mit PARNASS die geografische Lage Stockholms an. „Zu uns zu kommen, erfordert deutlich mehr Planung als in Mitteleuropa Kunstmessen zu besuchen!“ Es kann jedoch als Beweis einer sehr potenten skandinavischen Kunstsammlerklientel betrachtet werden, dass die Market Art Fair erfolgreich 18 Ausgaben hinter sich gebracht hat. Und nicht nur die Stockholmer Kunstmesse kann auf einen solchen Erfolg verweisen, sondern auch die CHART in Kopenhagen – mit einer fast identischen Ausrichtung – reüssiert bei Publikum und Sammler:innen meist gegenüber gescheiterten Versuchen in der dänischen Hauptstadt eine internationale Kunstmesse wie die Enter Art Fair zu etablieren.

Sammler:innen und Museen in Skandinavien sind bei Ankäufen wirklich treu und spendabel.

Aber kehren wir zurück nach Schweden: Die Market Art Fair hat in diesem Jahr die ersten Schritte einer Öffnung gesetzt: Unter den 51 ausstellenden Galerien befinden sich erstmals Galerien aus Deutschland, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten. Außerdem wurde es den nordischen Galerien zugestanden, nicht nur regionale Künstler:innen zu präsentieren, sondern quasi aus dem Vollen ihrer Portfolios zu schöpfen. Ein Moment, der Galerien wie Anhava, Wetterling, Asbaek, Bjerggaard, Wallner oder Andréhn-Schiptjenko, die auf starke internationale Präsenz verweisen können, selbstverständlich entgegenkommt.

Wie etwa bei Andréhn-Schiptjenko, die den 25-jährigen franko-marokkanischen Künstler Amine Habki präsentieren. Seine textilen, poppigen Arbeiten spiegeln ungeheuer originär die Auseinandersetzungen zwischen Generationen wider: Auf der einen Seite die patriarchal-religiöse Strenge einer maghrebinischen Familie und auf der anderen Seite der künstlerisch-queeren Ausbruch des Nachwuchses (Arbeiten zwischen 4.000 und 6.000 Euro).

„Wir wollen hier unbedingt solche Positionen präsentieren“, verdeutlicht Marina Schiptjenko im Gespräch, „Die Kunstmesse muss sich weiter öffnen!“ Sie unterstreicht aber auch, dass Sammler:innen und Museen in Skandinavien bei Ankäufen wirklich treu und spendabel sind. „Es dauert manchmal etwas länger, sie davon zu überzeugen – aber dann zeigen sie sich sehr aufgeschlossen“, charakterisiert die Galeristin ihre Klientel weiter.

Éva Mag und Eline Mugaas, Galleri Riis, Foto: Jean-Baptiste Béranger

Éva Mag und Eline Mugaas, Galleri Riis, Foto: Jean-Baptiste Béranger

 

In diese Richtung argumentiert Berner Bengtsson, die seit 2020, seit der Pandemie Messechefin ist, ebenfalls: „Die Market Art Fair war zuvor im Besitz von Galerien und wurde von einem Konsortium aus Sammler:innen gekauft“, vertieft sie die Geschichte der Kunstmesse. „Ein Zusammenschluss, der natürlich darauf achtet, dass die Messe positiv bilanziert – aber auch die Verantwortung und das Selbstverständnis besitzt, wenn es notwendig ist, zu investieren, um einerseits in Krisenzeiten über die Runden zu kommen. Aber um sich auch andererseits in der Zukunft neu positionieren zu können!“ Ein Ansatz, von dem Wiener Kunstmessen nur träumen können, wenn man/frau sich in Erinnerung ruft, dass der Versuch die viennacontemporary durch kunstaffine Investoren budgetär solider aufzustellen, in einem Desaster geendet ist.

Erik Thörnqvist und Sophie Reinhold (Nordenhake, SE/DE/MX), Foto: Jean-Baptiste Béranger

Erik Thörnqvist und Sophie Reinhold (Nordenhake, SE/DE/MX), Foto: Jean-Baptiste Béranger

Von der Kunstmessenpolitik zur Kunst

Was gibt es auf der Market Art Fair zu entdecken? Etwa die schräg-hybriden Skulpturen des 72-jährigen schwedischen Künstlers Fredrik Wretman bei der Galerie Flach (etwa 2.700 bis 7.200 Euro). Bei Martin Asbaek sind es die eindringlichen Foto-Malerei-Collagen des US-amerikanischen Künstlers Matt Saunders, die Sammler:innen beeindruckt haben (zwischen 17.000 und 34.000 Euro). Bei der dänischen Galerie Avlskarl ist es ein großartiges Audio-Kassetten-Bild von Gregor Hildebrandt, das für Aufsehen sorgt (42.000 Euro). Der deutsche Künstler ist es auch, der mit der BMW Group Culture – einem der Unterstützer der Messe – ein eigenes Kunstprojekt im Zuge der Kunstmesse realisiert hat. Unter dem sprechenden Titel „Letztes Jahr im Marienbad“ wird eine Auftragsarbeit während der Messe präsentiert (Artikel folgt).

Fredrik Wretman, Galerie Flach, Foto: Market Art Fair

Fredrik Wretman, Galerie Flach, Foto: Market Art Fair

Wunderbar komponierte und arrangierte Arbeiten aus Papier und Buchseiten präsentiert der Künstler Louis Reith bei der niederländischen Galerie Mini – benannt nach den ersten Ausstellungen der Galeristin in ihrem Wohnzimmer. Bei Nicolai Wallner ist es die unglaublich intensive, teilweise auch irgendwie verstörende Malerei der schwedischen Künstlerin Clara Gesang-Gottowt, die auf Interesse gestoßen ist. Ihre Landschaften vermögen durchaus zu fesseln – mit ein paar Fragezeichen. Wer Ruhe von der malerischen Intensität Gesang-Gottowts benötigt, dem/der seien die Arbeiten von Heini Aho bei Anhava aus Helsinki empfohlen: Von ihrer feinen, humorvollen Installation mit der Kichererbse werden die Besucher:innen unmittelbar in den Bann gezogen – und man/frau kann sich dem Werk nur schwer wieder entziehen (Arbeiten zwischen 8.000 und 10.000 Euro).

Die bereits erweiterte 19. Ausgabe der Market Art Fair macht neugierig, wie sich die Jubiläumsausgabe, für die sich internationale Galerien ohne nordische Auflagen bewerben können, im kommenden Jahr präsentieren wird.


Market Art Fair, Stockholm
bis 18. Mai 2025

Innuteq Storch, Wilson Saplana Gallery, Foto: Jean-Baptiste Béranger

Innuteq Storch, Wilson Saplana Gallery, Foto: Jean-Baptiste Béranger

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