Art Basel Paris oder Frieze Art Fair? Christof Habres zieht Bilanz

Umkämpfter Kunstmarkt – London vs. Paris

Art Basel Paris 2024 at the Grand Palais, Courtesy of Art Basel

Endlich die Premiere: Nach zwei öffentlichen Generalproben, die unter dem sperrigen Titel „Paris+ par Art Basel“ performten, präsentiert sich die weltweit führende Kunstmessen-Holding endlich im renovierten Grand Palais als Art Basel Paris. Mit der Erstaufführung wird der Vergleichskampf um den Kunst-Platzhirsch in Europa prolongiert: London oder Paris?


Um das Ergebnis gleich an den Anfang zu stellen:

Weder London mit der Frieze Art Fair noch Paris mit der Art Basel konnten sich in diesem Jahr als DIE Kunstmetropole Europas etablieren. Das ist der allgemein mauen, eher lustlosen Situation des globalen Kunstmarkts geschuldet. Die nachträglichen Analysen tatsächlich abgeschlossener Verkäufe im Zuge beider Messen relativieren die Anfangseuphorie sowohl an der Themse als auch an der Seine. Führt man alle Faktoren (Brexit, Steuern, Zölle, Reisebeschränkungen, etc.) ins Treffen, dann wird Paris bald die Nase vorne haben: Zahlreiche Galerien aus den USA, Großbritannien und anderen nicht-europäischen Ländern haben hier nicht nur Galerienzweigstellen eröffnet, sondern auch ihre (Bilder-)Lager in Zollfreilagern in Frankreich und am europäischen Kontinent eingerichtet. Zusätzlich war in diesem Jahr zu beobachten, dass einige ernstzunehmende Satellitenmessen mit Erfolg Nischen besetzen konnten, wie die Paris Internationale, The Salon (eine Kooperation zwischen der US-amerikanischen NADA Art Fair und The Community aus Paris), die Off Screen und die Asia Now.

Lisson Gallery, Frieze London 2024, Foto: Linda Nylind, Courtesy Linda Nylind / Frieze

Lisson Gallery, Frieze London 2024, Foto: Linda Nylind, Courtesy Linda Nylind / Frieze

In London hat die Frieze mit einem bewundernswerten gestalterischen Schachzug den Strom der Sammler derart kanalisiert, dass die Blue-Chips-Galerien teilweise eine halbe Stunde warten mussten, bis die ersten Kunstliebhaber bei ihnen angelangt sind. Zuerst mussten sie die Stände der jüngeren und „cutting edge“-Galerien passieren. Durch diese Anordnung wurden unvermutet die eine oder andere Arbeit verkauft.

Viele internationale Galerien verfolgen in London einen anderen Schwerpunkt als in Paris und setzten auf jüngere Positionen im Programm. Das entspricht dem ursprünglichen Ansatz der Frieze, jüngere Talente hervorzuheben. Wobei es einigen Galeristen im Laufe der Tage zu „jung“ geworden ist: Sie beklagten, dass mehr das Party-machen im Mittelpunkt stand als die ernsthafte Vermittlung aktueller zeitgenössischer Positionen. Am Ende der Kunstmesse tendierte der Tenor, wie ein deutscher Galerist in Paris berichtete, zu „es war ok, aber nicht berauschend“.

Frieze London 2024, Foto: Linda Nylind, Courtesy Frieze / Linda Nylind

Frieze London 2024, Foto: Linda Nylind, Courtesy Frieze / Linda Nylind

"GRAND" IN JEDEM SINNE

Ein paar Tage später folgte Paris: Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten stand heuer zum ersten Mal wieder das Grand Palais als Ausstellungsort zur Verfügung und die Messe Schweiz outet sich nun erstmals offiziell als Art Basel Paris. „Die diesjährige Ausgabe der Basler ist die bisher stärkste Pariser Messe“, gibt sich der Galerist Thaddaeus Ropac am ersten Tag überzeugt. „Abgesehen davon, dass dies eine fantastische Rückkehr ins Grand Palais ist – diese Location macht einen großen Unterschied –, sind Stimmung und Besucherzahlen hervorragend!“, führt er weiter aus.

Der Lokalaugenschein bestätigt seine Aussagen: Am Preview-Tag der Kunstmesse – bei strahlendem Sonnenschein – benötigen die meisten Besucher zwar einige Zeit, um sich an den eigentlichen Grund ihres Kommens zu erinnern: Die atemberaubende Jugendstil-Architektur des bis zu 44 Meter hohen Palais spielte anfangs die Hauptrolle.

 

Art Basel Paris 2024 at the Grand Palais, Courtesy of Art Basel

Art Basel Paris 2024 at the Grand Palais, Courtesy of Art Basel

Aber die Kunstinvestitionen kommen am ersten Tag nicht zu kurz: Bei Ropac gehen zehn Skulpturen von Hans Josephsohn, der gerade in einer sehenswerte Einzelausstellung im Pairser Musée d'Art Moderne (kuratiert von Albert Oehlen) zu bewundern ist, sowie das Großformat „Untitled“ aus dem Jahr 1986 von Martha Jungwirth an Sammler. Eva Presenhuber (Zürich/Wien) freut sich darüber, dass alle Leinwände der amerikanischen Künstlerin Tschabalala Self, die einen grandiosen Soloauftritt inszenierte, innerhalb weniger Stunden verkauft sind (Preise zwischen 235.000 bis 250.000 Euro).

Bei Plan B. aus Cluj findet bald nach der Eröffnung ein Großformat von Adrian Ghenie, zurzeit mit der Ausstellung „Schattenbilder“ in der Wiener Albertina zu sehen, einen Käufer (900.000 Euro). Capitain Petzel verzeichnet gesteigertes Sammlerinteresse für eine Leinwand von Maria Lassnig um 750.000 Euro. Schwarzwälder ist mit „weißen Lianen“ und kleineren Arbeiten von Sheila Hicks und der Malerei von Jongsuk Yoon (ihre Ausstellung „Han“ ist in der Galerie zu sehen) erfolgreich. A Gentil Carioca aus Brasilien konnte wieder mit den filigranen, wie eindringlichen Arbeiten von Ana Silva punkten (zwischen 18.000 und 22.000 Euro). „Wichtige Sammler, viele aus den USA, haben zu diesem Erfolg beigetragen“, resümiert Ropac nach dem Premieren-Tag.

Ausstellungsansicht, Tschabalala Self: My House, Galerie Eva Presenhuber, Art Basel Paris, Booth B37, Grand Palais, Paris, 2024, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna, Foto: Annik Wetter

Ausstellungsansicht, Tschabalala Self: My House, Galerie Eva Presenhuber, Art Basel Paris, Booth B37, Grand Palais, Paris, 2024, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna, Foto: Annik Wetter

Die Qualität der Kunst, die man auf der Messe sieht, ist entscheidend. Die Galerien wurden dieser Herausforderung gerecht – und dementsprechend ist die Resonanz.

Galerist Thaddaeus Ropac

Die Erfolgsberichte des ersten Tages kamen von Galerien, die „zu ebner Erd‘“ also im Erdgeschoss präsent waren: Denn am zweiten Tag war Unmut bei Ausstellern im ersten Stock zu vernehmen. Ein Gros der internationalen Sammlerklientel besuchte zur Preview lediglich die Galerien im Erdgeschoss, das sich im Sonnenschein zu fast tropischen Temperaturen erhitzte. Nach ein paar Stunden Tropenhitze haben Sammler lieber einen angenehmen Herbsttag in Paris genossen.

Piktogramm, Art Basel Paris, 2024, Courtesy of Art Basel

Piktogramm, Art Basel Paris, 2024, Courtesy of Art Basel

EIN GRÜNES STAHL-LABYRINTH

Emanuel Layr kritisierte, dass es der Messeorganisation nicht gelungen wäre, die Galerien besser zu durchmischen und ein durchschaubares Leitsystem einzurichten. Denn einige Sammler, die er von der Balustrade entdeckt hat, haben den Weg zum Stand nicht gefunden.

Eine berechtigte Kritik, denn viele Besucher kamen mit dem Einbahnsystem und „versteckten“ Ausstellungsräumen nicht zurecht. Junge Galerien wie Felix Gaudlitz aus Wien sahen sich ans Ende einer Sackgasse verbannt. Die Galerien des „Emergence“-Sektors hatten zumindest den Vorteil, sichtbar am Rundgang im oberen Stockwerk angesiedelt zu sein. So konnten Sammler die fulminante Einzelpräsentation von Sophie Thun bei Sophie Tappeiner – der Erstauftritt der Wiener Galeristin bei der Art Basel – bewundern (Preisrange zwischen 6.500 bis 22.000 Euro).

Mendes Wood DM, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

Mendes Wood DM, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

Die Stimmung allgemein war gut –
was schon sehr wichtig ist in den diesen Zeiten!

Melanie Harl, Galerie nächst St. Stephan

Zum Abschluss der Art Basel waren Unstimmigkeiten weitgehend ausgeräumt: „Die Sammler sind dann schon raufgekommen – aber viele auch nicht. Aber vor dem Hintergrund der schwierigen Marktumstände war es eine gute Messe“, zieht Emanuel Layr Bilanz. Er verweist auf das typische Kaufverhalten in der momentanen Marktsituation: Entweder es gehen junge, gefragte Positionen mit nicht zu hohen Preisen (wie bei ihm zum Beispiel Ann Sophie Berger) oder „Blue Chips“ wie Käthe Kollwitz. „Aber es war schon gut, wieder im Zentrum des internationalen Kunstgeschehens zu sein“, führt er im Gespräch mit PARNASS weiter aus: „Wenn die Organisatoren die heurigen Makel noch ausmerzen, dann wird das die wichtigste Messe“, prophezeit er.

Hauser and Wirth, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

Hauser and Wirth, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

Ja, Paris war gut für uns, nicht übermäßig, aber mehr als zufriedenstellend“, verweist Melanie Harl von der Galerie nächst St. Stephan im Gespräch mit PARNASS auf die globale Lage. Mit einem schelmischen Lächeln reagiert der Galerist Márcio Botner von A Gentil Carioca (Sāo Paulo/Rio de Janiero) auf die Frage, wie die Kunstmesse und das Jahr für ihn gewesen sei: „Das Jahr 2024 wird sich für uns als Synonym einer Hochschaubahn einprägen – manchmal war’s gut, dann wieder schlecht“, resümiert der Galerist. Um augenzwinkernd fortzufahren:

Wir ‚Artisten‘ des Kunstzirkus haben’s überlebt und freuen uns auf 2025!

Galerist Márcio Botner

 

Niki de Saint Phalle, Parvis de l’Institut de France, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

Niki de Saint Phalle, Parvis de l’Institut de France, Art Basel Paris 2024, Courtesy of Art Basel

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