SPARK 25 durch die Pariser Brille

Die SPARK Art Fair schloss mit verhaltenen Verkaufszahlen. Trotzdem ist die Messe auf dem richtigen Weg: Nach einem globalen Wettrennen liegt die Zukunft zeitgenössischer Kunstmessen im Singulären, Spezifischen und in der Begegnung. Eine Einschätzung unseres Frankreich-Korrespondenten J. Emil Sennewald.
Kunstmesse mit Wohnzimmergefühl: SPARK schafft Nähe statt Distanz
Sich gegenübersitzen, am Küchentisch der Künstlerin in Ruhe plaudern, Kunst mit ihren Augen sehen – das gibt es bei Atelierbesuchen oder in Off-Spaces, nicht auf Messen. Irrtum: Die diesjährige SPARK Art Fair lieferte das mit einer sehr beliebten Ausstellungs-Installation von Nives Widauer (*1965) bei W&K - Wienerroither & Kohlbacher. Die international aktive Künstlerin schöpft aus Persönlichem, Intimem und Gefundenem, schafft Orte der Begegnung. Zwischen klug konzipierten Stand-Inseln stand sie programmatisch für persönliche Nähe zu Kunst, Augenkontakt.

W&K - Wienerroither Kohlbacher - Nives Widauer (Foto: Kurt Prinz)
Dem aus Paris eigens nach Wien gereisten Besucher bot die „Entdeckermesse“ mit ihren kleinen Einstiegspreisen, den Platzhirschen einhegenden, gleich großen Standflächen und den kuratierten Soloshows hier den entscheidenden Unterschied zum konkurrenzbissigen Pariser Großbetrieb: zugewandte Gastfreundschaft in gut organisiertem Ambiente. Das entspricht nicht unbedingt dem Ruf der Wiener Kunstszene. SPARK macht’s möglich. Aber wie?
Zunächst durch Luftigkeit: Zwischen Boutique-Messe und Themen-Ausstellung liefert die SPARK in den ehemaligen Rinderverkaufshallen Raum, um sich nahe zu kommen, ohne sich anzurempeln. So kann man Hintergründe verstehen. Zum Beispiel, warum Mariola Przyjemska (*1963) 2022 „Victoria’s secret“ erstellt hat, 32 Fotos von Schößen von Kirchen-Statuen, bei ihrer Warschauer Galerie Ewa Opałka für je 4.500 Euro angeboten. So werden meditativ-bedächtige Werke wie die drei Leinwände von Marcin Jasik genießbar. Die Berliner Galerie Persons Projects bot die drei an geometrische Abstraktion erinnernden, den Widerschein von Nachbildern erkundenden Leinwände des 35-jährigen Warschauers zwischen 10.000 und 12.000 Euro an. Günstig, antizipiert man das kommende Abstrakten-Revival. Ähnlich Linus Rauch (*1984) bei Tom Reichstein aus Hamburg. Dessen sorgsam-geometrische Spurensicherung aus Kunst- und Großstadtalltag Berlins waren mit 970 bis 10.500 Euro nicht zu teuer, um einzusteigen.
Es gibt hier eine gute Sammlerklientel, die Neues entdecken will.

SPARK Art Fair 2025, Tom Reichstein Contemporary, Foto: Kurt Prinz
Das wäre der zweite Grund für die Attraktivität der SPARK: sie ist spektakulär unspekulativ. Ärgern den Normalkunden von Pariser Salons fürs Zeitgenössische drittklassige Werke für fünfstellige Summen, so wirkten die Preisansagen der SPARK meist realistisch. Mit den ungemein aktuell wirkenden abstrakt-expressionischen Gemälden des in Wien lebenden Amerikaners Kottie Paloma (*1974) voll im Trend zu neuen neuen Wilden, trat die zwei Jahre junge DOD gallery (definition of done) aus Köln selbstbewusst auf – und günstig, meist unter dem fünfstelligen Bereich. Zwischen 850 und 8.500 Euro bewegten sich die haarfeinen Zeichnungen von Lavinia Lanner (*1985) bei Rudolf Leeb, mit denen die Galerie sich auch bei der Pariser Drawing Now (27. bis 30.3.2025) hätte bewerben können. Geben alle Befragten zu Protokoll, dass Paris derzeit der wichtigste Hotspot im Kunstmarkt sei, so war es erstaunlich, keine Pariser auf der SPARK vorzufinden.

SPARK Art Fair 2025, DOD Gallery, Foto: Kurt Prinz
Wir sind vielleicht Richtung Osten orientiert. Wir haben heuer viele deutsche Galerien dabei und überhaupt mit 19 Nationen aus fünf Kontinenten eine hohe Internationalität.
Zugänglichkeit ist der dritte Grund für SPARKs Funken – ein Ergebnis des ökonomischen Modells im Hintergrund: „Die HEY-U Mediagroup verdient mit Konzerten und Großveranstaltungen ihr Geld,“ erklärt Walter Seidl, „das ermöglicht eine großzügige Unterstützung der Messe.“ Die wiederum wirkt sich auf günstige Stand-Angebote aus, dank derer Galerien das Risiko der Soloshow auf sich nehmen: „Man wird zur Messe eingeladen, meist auch mit einem konkreten Wunsch, mit wem man antreten soll,“ erklärt Mira Bernabeu. Mit seiner Madrider Galerie 1 Mira überzeugte er museumsreif durch intensive Arbeiten der 76-jährigen kroatischen Feministin Sanja Iveković. Performance als Leitthema war live im Messeraum wenig präsent, überzeugte jedoch dort, wo sie dokumentiert wurde – wie die 1961 geborene Lia Perjovschi bei Ivan Gallery aus Bukarest. Messeauftritt als Markenpflege – so argumentierte auch Uroš Legen aus Bukarest. Er würdigte am Stand seiner P74 gallery das Zeitungs-Collagen-Werk des historisch bedeutsamen 70-jährigen slowenischen Künstlers Jože Barši (20.000 Euro). Sonst auf der Vienna contemporary, sei die „Museumsshow“ ein symbolischer Auftritt. Dass solche Strategien nicht gleich Umsatz bringen, liegt in der Natur der Sache. Umso wichtiger wird die After-Fair-Kundenpflege.

SPARK Art Fair 2025, P74 gallery, Foto: Kurt Prinz
Die Zukunft des Kunstmarkts
Was in Paris der Luxus ist, ist in Wien die Nähe. Sie ist wichtig, jedoch auch risikoreich. Man kann nur dazu ermutigen, noch radikaler Risiko einzugehen, noch pointierter Position zu beziehen, statt für jeden Geschmack etwas dabei zu haben – das Digitalkunst-Angebot blieb hinter dem state-of-the-art zurück. Spezifisch, singulär, präzise macht Nähe zu Kunst und Produzierenden aus der Messe einen Fluchtpunkt, an dem der Kauf solidarischer Akt statt Spekulationsdienst ist. Hier liegt die Zukunft eines Marktes, der mit aktueller Kunst nicht nur handelt, sondern deren Entwicklung mit gestalten will.

© SPARK Art Fair 2025