Lagebericht Art Cologne
Wenn die größte zeitgenössische Kunstmesse Deutschlands nur einen Tag nach dem zweiten Wahlerfolg Donald Trumps in den Vereinigten Staaten eröffnet wird, stellen sich zahlreiche Fragen: Gibt es Reaktionen der Künstler und Galerien darauf? Ist Protest angebracht? Und wie reagiert der europäische wie globale Kunstmarkt? Ein Lagebericht von der Vernissage der Art Cologne.
„Es ist DIE deutsche Kunstmesse!“ Der künstlerische Leiter der Art Cologne, der Amerikaner mit Schweizer Wurzeln, Daniel Hug, spricht es klar aus. „Es macht keinen Sinn in diesen Zeiten lediglich auf das Kommen internationaler Sammlerinnen und Sammler zu hoffen. Bei der Art Cologne muss sich der deutschsprachige Kunstmarkt beweisen“, stellt er fast apodiktisch im Gespräch mit PARNASS in den Raum. Dieses Statement mag sich streng anhören, aber Hug, der die Kunstmesse seit 16 Jahren leitet, kennt mittlerweile seine Pappenheimer. Er weiß, wovon er spricht. Mit den Jahren hatte er mit einigen „Ups and Downs“ zu kämpfen. Allein durch den Versuch der Etablierung einer Kunstmesse in Düsseldorf hat Köln einige Stammkunden verloren. Deswegen hat Hug einerseits eine pointierte Strategie der Akquirierung von Ausstellern entwickelt und andererseits viel Energie in die Betreuung der heimischen Sammler gesteckt.
US-Wahlergebnis & der Kunstmarkt
„Wir sind etwas davon abgekommen, zehn bis fünfzehn Toptop-Galerien unbedingt nach Köln holen zu wollen“, erklärt er seine Strategie. „Denn wenn zwei, drei von diesen Galerien einmal zu wenig verkaufen, sind sie natürlich im kommenden Jahr Geschichte – und hinterlassen eine Lücke!“. Hug konzentriert sich auf zwei, drei „big names“, wie heuer etwa Ropac, Greve oder Sprüth Magers, und bringt Künstlerinnen und Künstler, die stark am Markt nachgefragt über andere Galerien, bei denen sie ebenfalls vertreten sind, an den Rhein.
In Summe bedeutet das, dass die 57. Ausgabe der Art Cologne, die Doyenne der zeitgenössischen Kunstmessen, auf 170 Galerien aus 24 Ländern verweisen kann. Mit einem starken Fokus auf junge Galerien im Sektor „Neumarkt“, der von 20 auf 26 Aussteller erweitert wurde.
Auf Seiten der kaufkräftigen Sammler spricht Hug von mehr als 10.000 Einladungen, die sich bis Sonntag in den neu adaptieren, sehr großzügigen Messehallen einfinden werden. Er appelliert schon verschmitzt an den „deutschen Sammlerstolz“: „Denn hier im Rheinland, Nordrhein-Westfalen sowie im Ruhrpott sind die bedeutenden Nachkriegssammlungen entstanden und sollten dementsprechend hier weitergepflegt werden“, ist er überzeugt. „Und man darf sich auch nicht aus der Ruhe bringen lassen“, meint er abschließend, wenn er an der Geistesverfasstheit seiner Landsmänner und -frauen (ver-)zweifelt: „Wie kann man nur so ‚stupid‘ sein?“, fasst er am Tag vor der Messeeröffnung das Wahlergebnis zusammen.
Wie stark war das US-Wahlergebnis und der gleichzeitige Zusammenbruch der deutschen Ampelkoalition am Eröffnungstag zu spüren? Gab es unmittelbare Auswirkungen auf Stimmung und Verkäufe?
Von einer allgemein lockeren Stimmung zu sprechen, wäre übertrieben. Aber eine inferiore Katerstimmung hat sich ebenfalls nicht abgezeichnet. Es war eher „business as usal“ in einem nicht leichten Marktumfeld. „Die Börsen gehen rauf, bestimmte Indikatoren deuten schon jetzt auf ein stärkeres Wirtschaftswachstum hin und das ‚big money‘ à la Bezos und Musk ist mit Sicherheit der große Gewinner“, resümiert ein österreichischer Sammler mit Bankhintergrund die Stunden nach der US-Wahl. Aber ob’s dem Kunstmarkt derart kurzfristig helfen wird, noch dazu in Europa, steht auf einem anderen Blatt.
Was ist aufgefallen?
Aber nun in medias res: Was ist am ersten Tag aufgefallen? Welche Arbeiten stießen auf Interesse bei Sammlerinnen und Sammlern? Bei Thaddaeus Ropac sind es die Skulptur „Lola“ von Hans Josephsohn (270.000 Schweizer Franken), ein Robert Rauschenberg um 1,65 Millionen US-Dollar und zwei große Leinwände von Markus Schinwald (100.000 Euro) die für Aufsehen sorgen. Wobei eine Schinwald-Leinwand bereits bei der viennacontemporary ihre Non-Profit-Premiere feierte. Bei Carsten Greve waren neue Arbeiten von Leiko Ikemura stark nachgefragt (Leinwände ab 91.000 Euro; Zeichnungen 12.800 Euro). Die Künstlerin wird im kommenden Jahr mit einer Einzelausstellung in einem Wiener Museum zu sehen sein, wie man von der Galerie zu hören bekam. Sprüth Magers setzt Sammlerinnen und Sammler auf Wartelisten, wenn sie sich für die Arbeiten von Anne Imhof interessieren. Wie bei der beeindruckenden Werkserie aus Glas, Metall, Gummi und Sprühfarbe (Preisrange von 95.000 bis 250.000 Euro), der zum Beispiel die Arbeit „Tiger Tiger“ entstammt. Max Hetzler zeigt eine großartige Serie von 30 Kleinformaten von Günther Förg aus dem Jahr 1999 – mit einem Gesamtpreis von 150.000 Euro fast eine Mezzie. Die Galerie Schwarzwälder setzt erfolgreich auf die Malerei von Jongsuk Yoon (zwischen 36.000 und 62.000 Euro).
Neues vs. Altes
Beim Sektor „Neumarkt“ können etwa die Kölner Galerie Jan Kaps mit den Arbeiten des Schweizer Künstlers Tobias Spichtig (45.000 Euro) oder die Wiener Galerie Wonnerth Dejaco mit einem fein durchdachten Standkonzept und Werken von Saskia Te Nicklin (zwischen 900 und 5200 Euro) und Katharina Höglinger (zwischen 2000 und 6000 Euro) punkten.
Aber nicht nur bei den „Blue Chips“ der Malerei verlief der Premierentag erfolgreich: Die Kölner Galerie von Michael Kaune, die ihren imposanten Standort in einer ehemaligen Kapelle gefunden hat, präsentiert die atemberaubenden Architekturfotografien des manisch-furiosen Hans Georg Esch, der in vielen seiner Arbeiten unvermutet neue Blickwinkel auf architektonische Meilensteine sichtbar macht (Auflagen zwischen drei und fünf; ab 12.500 Euro).
Beim „Altmarkt“ sind die Galeristen und Kunsthändler Wienerroither & Kohlbacher mit einer wilden Wiener Mischung erfolgreich: Von Franz West über Otto Mühl („Massaker von Marzabotto“, 1983, um 140.000 Euro) bis zur etwas ang’fressen blickenden „Gerti“ („Gertrude Schiele sitzend …“, 1910, um 1,5 Millionen Euro) reicht ihr Angebotsspektrum. Von Vertes vertraut auf Gerhard Richter, dem im Düsseldorfer Kunstpalast eine überaus sehenswerte Einzelausstellung gewidmet ist: Zwei abstrakte Bilder zu 3,6 oder 3,8 Millionen Euro.
Der Eröffnungstag der 57. Art Cologne war einerseits von sachlich-professionellen Gesprächen zwischen Galeristen und Sammlern geprägt, und andererseits doch von respektablen Verkäufen. Ohne Hektik, ruhig und seriös. Ein Zeichen des Moments? Oder doch eben eine sehr deutsche Kunstmesse?
57. Art Cologne
bis 10. November 2024, Messe Köln