Material im Trend

Die Wiederbelebung der Keramik

Soshiro Matsubara, Untitled, 2024, Keramik und Plastik, Courtesy the artist and Croy Nielsen, Vienna, Foto: Simon Veres

Die Keramik hat sich vom Handwerk emanzipiert und erlebt einen Aufschwung in der zeitgenössischen Kunst. Mit der stärkeren Präsenz von Keramik in Museen, Galerien und auf Messen hat auch das Interesse der Sammler zugenommen.


Keramik führte lange ein Schattendasein in der Kunst und wurde mit funktionalen Objekten wie Geschirr oder dekorativen Vasen assoziiert. Doch die unterschätzte Kunstform erhält zunehmend mehr Aufmerksamkeit, von institutioneller Seite ebenso wie von Galerien, Biennalen und Messen. Diese Neubewertung ist nicht nur das Ergebnis einer wachsenden Wertschätzung für handwerkliche Fertigkeiten, sondern auch Ausdruck eines tieferen Verständnisses für die kulturelle und historische Bedeutung keramischer Arbeiten.

Die Liste der Künstler des 20. Jahrhunderts, die mit Keramik gearbeitet haben, ist viel länger, als man denken könnte: An der Spitze steht Pablo Picasso, der den höchsten Preis für eine westliche Keramikskulptur hält. Seine graue Eule „Le hibou gris“ von 1953 erzielte 2,4 Millionen US-Dollar. Aber auch Künstler wie Fernand Léger mit seinen berühmten Wandkeramiken oder Paul Gauguin, Raoul Dufy, Edouard Vuillard, Georges Rouault, Salvador Dalí und nicht zu vergessen Marcel Duchamp, Meret Oppenheim, Roy Lichtenstein, Lucio Fontana und Michel Barcelo arbeiteten mit Keramik.

Ceramic Brussels 2025, Ausstellungsansicht, Courtesy of Ceramic Brussels, Foto: Mickael Pijoubert

Ceramic Brussels 2025, Ausstellungsansicht, Courtesy of Ceramic Brussels, Foto: Mickael Pijoubert

Katarina Stojanović, Expertin für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts bei Christie’s, betont die jahrhundertealte Tradition von Keramik in der Kunst. „Von der prähistorischen Töpferei bis zu den antiken griechischen Amphoren, vom Aufkommen des Porzellans in Asien und Europa bis zur Artsand-Crafts-Bewegung in England und den USA haben keramische Traditionen die Künstler:innen seit langem fasziniert und ihre Praktiken durchdrungen“, sagt die Expertin gegenüber PARNASS. In der Welt der zeitgenössischen Kunst habe die Keramik 2014 enorm an Popularität gewonnen, als auf der Whitney-Biennale die Keramiken von Sterling Ruby und Shio Kusaka prominent präsentiert wurden und auf großen Messen wie der Art Basel Galerien keramische Kunstwerke von Dan McCarthy und Takuro Kuwata sowie figurative Skulpturen von Rachel Kneebone und Klara Kristalova gezeigt wurden.

Keramik als Material in der zeitgenössischen Kunst ist gewissermaßen salonfähig geworden. Sie hat sich vom Handwerk emanzipiert, was sicherlich auch mit dem Umgang des Materials und den Konzepten der einzelnen Künstler:innen zu tun hat.

Melanie Wagner (Galerie Lombardi-Kargl)

Seither haben sich vermehrt Museen und Institutionen dem Thema angenommen und auch auf dem Kunstmarkt wird Keramik immer präsenter. 2022 etwa widmete sich die Londoner Hayward Gallery in der Ausstellung „Strange Clay: Ceramics in Contemporary Art“ der Frage, wie sich die Verwendung des Mediums von funktionalen Töpfen und Tellern in den Bereich der bildenden Kunst verlagert hat. Bezeichnend an dieser Ausstellung war, dass sie in Zusammenarbeit mit bekannten Galerien wie White Cube, Hauser & Wirth, Gagosian und Stephen Friedman entstand, deren Künstler:innen in der Ausstellung vertreten waren.

Emily Hunt, Hand of Nous, 2023, Keramik und Glasperlen, 40 x 24 x 9.5 cm, © The Artist

Emily Hunt, Hand of Nous, 2023, Keramik und Glasperlen, 40 x 24 x 9.5 cm, © The Artist

Auch das Wiener MAK hat sich 2024 in der Ausstellung „Hard/Soft. Textil und Keramik in der zeitgenössischen Kunst“ dem Thema gewidmet. Vertreten waren etwa die britisch-nigerianische Künstlerin Ranti Bam, die Brasilianerin Camila Sposati oder die britisch-österreichische Künstlerin Lucie Rie.

Mit der Ceramic Brussels feierte letztes Jahr die erste internationale Kunstmesse Premiere, die sich explizit der zeitgenössischen Keramik widmet und auch auf der vergangenen Frieze London war Keramik prominent vertreten.

Internationale Galerien wie White Cube und Gagosian haben Keramik-Künstler:innen im Programm, aber auch in Wien gibt es mehrere Beispiele. Neben der Galerie Lombardi-Kargl etwa die Galerie Hubert Winter, die Simone Fattal vertritt, der die Secession 2024 die Solo-Schau „ metaphorS“ widmete. Laura Windhager von der Galerie Gianni Manhattan wiederum hat den in England geborenen Laurence Sturla unter Vertrag. Mit seinen Keramikskulpturen wurde sie im Vorjahr für die Focus-Sektion auf der Frieze London ausgewählt.

Laurence Sturla, Through Tongue and Soil, 2022, GIANNI MANHATTAN, Wien, Courtesy: the artist and GIANNI MANHATTAN, Foto: kunst-dokumentation.com

Laurence Sturla, Through Tongue and Soil, 2022, GIANNI MANHATTAN, Wien, Courtesy: the artist and GIANNI MANHATTAN, Foto: kunst-dokumentation.com

Und in der Galerie Croy Nielsen lief Ende letzten Jahres eine Ausstellung von Soshiro Matsubara. Der in Japan geborene, in Österreich lebende Künstler war bis 11. Jänner auch bei Phileas zu sehen, die sein Werk in Dialog mit dem französischen Künstler Bruno Pélassy setzt. Während Matsubara auch malt und zeichnet, seien es die Keramiken, die sich am besten verkaufen, sagt die Galeristin Henrikke Nielsen. Seine Arbeiten reichen von einfachen, kleineren Werken, wie seinen Lampen, die schon ab 4.000 bis 6.000 Euro zu haben sind. bis zu größeren Installationen, die Nielsen an Institutionen verkauft.

Zeitgenössische Keramik vereint Handwerk und Konzept, Tradition und Avantgarde. Durch die Verbindung von Materialität und Intellektualität hat sich die Keramik vom Nischendasein zu einem zentralen Medium entwickelt, das den Kunstmarkt nachhaltig prägen wird.

Soshiro Matsubara, Engagement, Tolerance and Hospitality (detail), 2019, Keramik und div. Materialien, 65 x 27 x 42 cm, Courtesy the artist and Croy Nielsen, Vienna, Foto: Kunstdokumentation.com

Soshiro Matsubara, Engagement, Tolerance and Hospitality (detail), 2019, Keramik und div. Materialien, 65 x 27 x 42 cm, Courtesy the artist and Croy Nielsen, Vienna, Foto: Kunstdokumentation.com

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