Hart am Wind

ARCO Lisboa trotzt Portugals Sparkurs

Lissabon zählt weiterhin zu den globalen Boomtowns. Der Tourismus und – kaufkräftige – Zuwanderung steigen kontinuierlich an. Auf solch betuchte Klientel und internationale Sammler:innen setzten die Organisatoren der Kunstmesse heuer vorrangig. Denn die portugiesische Politik segelt derzeit mit rigorosem Sparkurs hart am Wind, die hiesige Kunstszene nachhaltig zu beschädigen.


Hart am Wind

Der Steuersatz hat es in sich. Beim Betreten der Kunstmesse in der Cordoaria Nacional, einer ehemaligen Marineseilfabrik in Belém vermitteln hunderte gelbe Hinweiszettel und Aufkleber den ersten Eindruck. Darauf ist die Forderung nach sechs Prozent Mehrwertsteuer formuliert. In einem „absolut zerstörerischen Manöver“ (Ilan Karpio, Sales Director der Galerie Pedro Cera) hat die portugiesische Regierung den Steuersatz von Kunstwerken auf 23 Prozent erhöht. Eine Volte, die es durchaus möglich erscheinen lässt, das zarte, aber in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsene Pflänzchen relevanter Kunstkäufe und nachhaltigen Aufbaus privater Sammlungen im Keim zu ersticken.

Auf der anderen Seite genießen finanzkräftige Migranten und Unternehmen für zumindest zehn Jahre eine bevorzugte (Steuer-)Behandlung. Ein relativ großer Teil davon hätte die Möglichkeit durch Unternehmen und Zweitwohnsitze in Europa den Kunstkauf bei der Arco über günstigere Steuersätze in Deutschland oder Frankreich abzurechnen. Den meisten portugiesischen Sammler:innen fehlt offenkundig diese Möglichkeit. Daher sehen Galerien und Kunsthändler:innen berechtigterweise die aufkommende Gefahr, dass von dieser Seite heuer nicht viel in Kunstankäufe investiert werden kann.

ARCOlisboa 2025 ©ARCO Ifema

ARCOlisboa 2025 ©ARCO Ifema

Zu dieser Malaise gesellt sich ebenfalls hinzu, dass die Regierung bei der Verteilung von Budgetmitteln für Kunst und Kultur extrem auf der Bremse steht. Der Museumskomplex des überdimensionierten MAC/CCB konnte erst im Oktober 2023 eröffnet werden, nachdem die Baustelle über Jahre ob fehlender Finanzierungsmöglichkeiten stillgestanden ist. Im MNAC („Museu Nacional de Arte Contemporâneo“) wiederum beklagt die Direktorin Filipa Oliviera, die erst vor wenigen Monaten ihr Amt angetreten hat, dass seit Jahren kein staatliches Ankaufsbudget mehr zur Verfügung steht und die Kontinuität der Sammlung damit abrupt unterbrochen wurde. Leere Ausstellungsflächen zeugen drastisch von der Misere. Wenn öffentlichen Museen und Sammlungen die Finanzmittel für Ankäufe fehlen, dann spüren das die Kunstmessen wie die Arco Lisboa sofort, denn in den Anfangsjahren wurden hier Werke für Sammlungen erworben.

Demgegenüber zeugen immer mehr private Sammlungen und Foundations wie jene von Vasco Viera de Almeida oder das im März 2025 eröffnete Privatmuseum MACAM („Museu de Arte Contemporâneo Amando Martins“), dass sich am portugiesischen Kunstmarkt schon einiges in Bewegung befindet.

Mónica de Miranda, Concrete Sand, 2024, © Sabrina Amrani

Mónica de Miranda, Concrete Sand, 2024, © Sabrina Amrani

Aber zurück zur Kunstmesse: Obwohl zahlreiche Risikofaktoren über der 8. Ausgabe der Arco schwebten, gestaltete sich die Eröffnung für die 82 Galerien aus 17 Ländern recht positiv, optimistisch. Bei Sabrina Amrani war die ungemein ergreifende (Wüsten-)Fotoserie der angolanisch-portugiesischen Künstlerin Mónica de Miranda, die im vergangenen Jahr Portugal bei der Venedig Biennale vertreten hat, stark nachgefragt (Arbeiten zwischen 7.000, 10.000 und 14.000 Euro, Auflage 3). Cornelis van Almsick (Zeller van Almsick) erregte Aufsehen mit der Gegenüberstellung der historisch-komplexen Installation „Memória Dissolvente“ aus Seifenstücken von Ana de Almeida (25.000 Euro) und den pastos-skulpturalen Arbeiten von Dejan Dukic (ab 1.200 Euro). Die Galerie Miguel Nabinho präsentiert zwei Heroen der zeitgenössischen portugiesischen Malerei: Pedro Cabrita Reis (*1956) und Pedro Calapez (*1953). Reis‘ malerisch-flächigen Werke bewegen sich zwischen 12.500 und 85.000 Euro (ohne Steuer). Wohingegen eine schwungvoll-poppige Leinwand von Calapez mit 31.119 Euro (inklusive Steuer) angeschrieben war.

Stand der Galerie Lisa Kandlhofer mit Arbeiten von Nana Mandl und Estrid Lutz, Foto: © Rodrigo Gatinho, ©ARCO Ifema

Bei Lisa Kandlbauer zeigt die Strabag-Art-Award-2024-Preisträgerin Nana Mandl ihre neue Werkserie: Die malerische Geste tritt nun bei ihr etwas in den Hintergrund und die Künstlerin komponiert ihre nuancierten Textil-Arbeiten auf mehreren Ebenen. Die Preise bewegen sich von einer eigens für die Arco kreierten 900-Euro-Edition bis zum Großformat für 9.000 Euro. Auf Klassiker setzt Leandro Navarro: Sein Repertoire besticht mit frühen Arbeiten von Hans Arp bis Kurt Schwitters und endet mit der umwerfenden Skulptur „Tête“ von Joan Miró (1970, Auflage 4, 180.000 Euro).

Fazit: „Hart am Wind“ – das nächste Jahr wird wahrscheinlich schon zeigen, ob das Projekt Kunstmesse in Lissabon in ruhigere Gewässer gesegelt ist – oder Havarie erleidet.

MEhr Infos

Julie Mehretu, Slouching Towards Bethlehem, Fourth Seal, 280.000 Euro bei Carlier Gebauer, © Carlier Gebauer

Julie Mehretu, Slouching Towards Bethlehem, Fourth Seal, 280.000 Euro bei Carlier Gebauer, © Carlier Gebauer

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