Zwei Ausstellungsempfehlungen im Belvedere
In der letzten Juniwoche startete das Belvedere Museum gleich mit zwei neuen Ausstellungen. Bis Sonntag sind die beiden Expositionen noch zu sehen - und einen Besuch auf jeden Fall wert.
Hannah Höch. Montierte Welten
Unteres Belvedere
Das Belvedere widmet Hannah Höch ihre erste große Ausstellung in Österreich und präsentiert sie als überragende Pionierin der Medienkunst.
Hannah Höch (1889–1978), die einzige Frau im Kreis der Berliner Dadaisten, gilt als Miterfinderin der Fotomontage. Sie gehörte zu den ersten Künstlern, die vorgefundenes Bildmaterial nutzten und verarbeiteten. Als Mitarbeiterin bei einem großen Zeitschriftenverlag wusste sie um die Macht der Bilder und deren Wirkung in den Massenmedien des Alltags. Illustrierten und Zeitschriften entnahm sie ihr Fotomaterial, aus dem sie mit Schere und Kleister eine Vielzahl an Fotomontagen schuf, die bis heute eine frappierende Brisanz auszeichnet. Auf diese konzentriert sich die Ausstellung im Unteren Belvedere, die in Kooperation mit dem Zentrum Paul Klee entstanden ist und Hannah Höchs Stellenwert als Vordenkerin der Konzeptkunst, Medienkunst und feministischen Kunst sehr gelungen und eindrücklich vor Augen führt.
Nach ihrer ersten Fotomontage 1916 perfektionierte Hannah Höch ihre Technik und schuf ein umfangreiches und vielschichtiges Werk. Die Bildfragmente und Arrangements wurden zunehmend freier und radikaler. Sie empfand eine enge Verwandtschaft zum zeitgenössischen avantgardistischen Film, der die technischen und industriellen Innovationen der Zeit affirmativ spiegelte und durch Schnitt und Montage neue Seherlebnisse erzeugte. Die effektive Nähe zum Film zeigt sich im Belvedere in der dialogischen Gegenüberstellung mit filmischen Arbeiten von Fernand Léger, Dsiga Wertow, Hans Richter oder László Moholy-Nagy, die Hannah Höch gesehen hatte und die für sie ein Quell künstlerischer Impulse waren.
vielfältige und diverse Figuren
Anders als ihre männlichen Dada-Kollegen verfolgte Hannah Höch keine politisch-aktivistischen Ziele. Und doch wendete sie sich in ihrer Kunst gegen die aggressiv propagierten Ideologien ihrer Zeit und deren totalitäre Vereinnahmung, gegen den erstarkenden Faschismus wie gegen den revolutionären Kommunismus. Sie entwarf fantastische Bildfindungen, die sich jeder eindeutigen Kategorisierung entziehen. In diesen kritisierte sie die vorherrschenden Machtverhältnisse, den schwelenden Rassismus oder festgeschriebene Geschlechterrollen. Ihre Fotomontagen sind ein feinsinniges Spiel mit Form und Farbe, doch von messerscharfer Ironie, von einem bitteren Humor subversiv, aber nachhaltig stimuliert.
Ab 1933 galt Hannah Höchs Kunst als „entartet“. Sie blieb in Deutschland, zog sich in ein kleines Haus mit großem Garten außerhalb von Berlin zurück. Der Garten versorgte sie mit Nahrung wie zunehmend mit Inspiration. Sie entfernte sich in ihrer Kunst von politischen oder gesellschaftlichen Themen, distanzierte sich vom Dadaismus und zeigte Interesse für den Surrealismus. Fragen des Rhythmus, der Form, Farbe und Komposition bestimmten ihr reifes Werk. Sie suchte nach einer universellen Form der visuellen Poesie.
Obgleich Hanna Höch mit unnachgiebig medienkritischem Blick ein subtiles Werk geschaffen hat, das in der Nachhaltigkeit und Vielschichtigkeit seiner poetisch-radikalen Imagination das ihrer männlichen Kollegen durchaus in den Schatten stellt, musste sie bis in die 1960er-Jahre auf die verdiente Würdigung warten.
Unteres Belvedere, Orangerie
Rennweg 6, 1030 Wien
Österreich
Visionäre Räume. Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler
Belvedere 21
Walter Pichler und Friedrich Kiesler, beide herausragende Künstler, in deren Werk sich die Disziplinen Architektur und Kunst untrennbar vereinen, trafen sich nur einmal: als der 27-jährige Pichler den 73-jährigen Kiesler 1963 in New York für ein Gespräch aufsuchte. Friedrich Kiesler emigrierte zwar 1926 von Wien nach New York und realisierte seine Architekturentwürfe kaum, doch lösten seine Ideen in der Wiener Kunst- und Architekturszene einen regen Diskurs aus sowie einen Sog, ihn zu besuchen, dem sich auch der junge Walter Pichler nicht entziehen wollte.
Um dieses nicht näher dokumentierte Treffen ranken sich Legenden. Überlegungen zu den möglichen Themen dieses Gesprächs, in dessen Fokus die unweigerliche Verbundenheit von Skulptur und Architektur gestanden sein muss, werden nun von der Kuratorin Verena Gamper im Belvedere 21 als spekulativer Dialog zwischen ausgesuchten Werken beider Künstler veranschaulicht. Ihre visionäre Kunstentwürfe werden vereint präsentiert und in einem Display der Künstlerin Sonia Leimer effektiv in die Gegenwart gehoben.
Zwischen Skulptur und Architektur
Die Bühne für diese Begegnung gestaltete Sonia Leimer mit einem durchlässigen System, in dem das Verbindende wie das Gegensätzliche der beiden Œuvres vorzüglich präsentiert werden. Sie adaptierte eigene Objekte und traf mit ihnen entscheidende Setzungen im Raum. Die offene Struktur ihrer Einbauten integriert sich im architektonischen Rahmen des von Karl Schwanzer entworfenen Pavillons ohne Abstriche bei der eigenen Autarkie. Eine durchbrochene Wand, die sich großzügig nach hinten wölbt, dynamisiert die gesamte Präsentation, während Stahlrahmen auf Y-förmigen Grundrissen den Raum rhythmisieren und Exponate in Gruppen auf sich versammeln.
Friedrich Kiesler wie Walter Pichler vertraten eine Verschränkung von Skulptur und Architektur als raumplastisches Gefüge (Kiesler inkludierte zudem Malerei), dessen Anschaulichkeit beide mit Vorliebe anhand plastischer Modelle und manipulierter Fotografien demonstrativ intensivierten. Dementsprechend versammelt Verena Gamper in der Ausstellung neben Fotografien vor allem Modelle, die Skulptur- wie zugleich Architekturentwürfe vorstellen, außerdem Zeichnungen, Plastiken und auch Möbel, die futuristisches Design mit skulpturaler Qualität verschmelzen. Utopisch-visionäre Züge von verblüffender Aktualität prägen die Werke: Architektur sollte nicht an die menschliche Grundversorgung zweckgebunden sein, sondern vielmehr mit ideellem Inhalt aufgeladen der seelischen Empfindsamkeit Rechnung tragen und die Lebensqualität optimieren. Pichler verfolgte fantastische urbanistische Ideen, die sich auch in das Innere der Erde verlagern können. 1964 schuf er die „Kompakte Stadt mit Klimahülle“. Kiesler propagierte biomorphe Formen und organische Strukturen als dynamisches Gefüge von Mensch, Natur und Technik, exemplarisch in den vielen Versionen seines „Endless House“ (ab 1947).
Das gedämpfte Licht im Raum ist der physischen Sensibilität der Exponate geschuldet, die es atmosphärisch umhüllt, was die Sinnlichkeit der einzelnen Objekte betont. So gelingt der Präsentation weit mehr als rein intellektuelle Bereicherung.
Belvedere 21
Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1, 1030 Wien
Österreich