Künstlerhaus

WUNDERKAMMER

Ort
Kunstszene
Künstler
Maria Temnitschka Parasitierte Hornrüsselfliege, 2011, Diverse Materialien, montiert, diverse Größen

Die von Günther Oberhollenzer kuratierte Mitgliederausstellung „Wunderkammer“ ist nur noch bis 13. Oktober geöffnet. Wenn Sie sie noch nicht gesehen haben, sollten Sie das letzte Wochenende noch nutzen. Denn ein Besuch lohnt.


Mitgliederausstellungen von Kunstvereinen machen einem immer irgendwie Angst. Vielfach überladen, weil man alle Mitglieder zeigen will, oder als Präsentation knapp vor Weihnachten mit einem Angebot an kleinen oder niedrigpreisigen Werken, haben sie sich generell keinen guten Ruf erworben. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Aber auch das Künstlerhaus hatte mit dem Vorurteil zu kämpfen. Die von den Mitgliedern selbst kuratierten Ausstellungen waren oft kein Highlight und ambitionierten und erfahrenen Kurator:innen – auch aus den Reihen des Künstlerhauses selbst – wurde eine selektierte Auswahl durch die Vereinsmitglieder nicht immer leicht gemacht. Günther Oberhollenzer hat damit seit seinem Amtsantritt erfolgreich aufgeräumt und zeigt nach der Vorjahrsausstellung „Human Nature“ kuratierte von Maria Christine Holter und Julia Hartmann mit „Wunderkammer“ auch dieses Jahr eine sehenswerte Mitgliederausstellung – „ganz ohne den alten Mief von Gefälligkeiten und Seilschaften. Dafür optisch imposant und spannend bis zum Gehtnichtmehr.“, wie Michael Wurmitzer in seiner Kritik für die Tageszeitung „DerStandard“ diesen Sommer nach der Eröffnung der Ausstellung treffend schrieb. Und Oberhollenzer gelang es auch ein Thema zu finden, das einige Künstler:innen dazu veranlasst hat, auch speziell für die Ausstellung neue Werke zu schaffen und so einen gewissen kreativen Spirit im Haus zu erzeugen, der auch in der Schau spürbar ist.

Wunderkammer – Eine Ausstellung zum Schauen und Staunen

Kann eine Gesellschaft, die vermeintlich schon alles gesehen hat noch staunen? Dieser Frage geht Oberhollenzer, durchaus inspiriert von historischen Kunst- und Wunderkammern, nach und gestaltete einen facettenreichen Parcours durch die Räume des Künstlerhauses. Ähnlich wie in den Kunstkammern früherer Zeiten soll auch hier dem Einzigartigen, dem Raren, dem Seltenen wie Außergewöhnlichen Platz gemacht werden. Doch geht es nicht darum ein Universum an skurrilen Artefakten zu zeigen, vielmehr sind die Werke allesamt auch eine Reflexion unserer heutigen Zeit. Wie etwa die Fotografien von Johannes Rass. Rass zerteilt Tiere, die bei vielen Menschen regelmäßig auf dem Speiseplan stehen, fachmännisch wie eine Fleischhauer und bereitet die einzelnen Teile zu – und setzt das Tier, etwa einen lebensgroßen Hirschen oder ein Rind, aus den gekochten Fleischteilen seiner selbst wieder zusammen. Ästhetisch und schaurig zugleich. Was sagt uns das? Manch einer mag hier mehr der formalen Qualität der Werke folgen, der andere sieht darin eventuell eine Kritik an unserem längst zu übermäßig gewordenen Fleischkonsum. Eine „Kollektive Intelligenz", so der Titel einer wunderbaren Arbeit von Adele Razkövi, würde ich unserer Gesellschaft in diesem Zusammenhang absprechen – Razkövi zeigt auch einen Fischschwarm. Besonders sind auch die Tiere von Maria Temnitschka, die man eigentlich als Malerin kennt. Mit der Präsentation ihrer kleinen Objekte aus diversen Fundmaterialien ist Oberhollenzer eine Überraschung gelungen.(Siehe auch die Abbildung auf unserem Eingangsbild: "Parasitierte Hornrüsselfliege", von 2011).

Die Werke sind allesamt auch eine Reflexion unserer heutigen Zeit.

Silvie Aigner

 

Johannes Rass, Cervus Elaphus III, 2023, Mischtechnik, Performance, Fotografie, Direktdruck auf Acryl und Aludibond, 187,5 x 150 cm, © Joannes Rass, Bildrecht Wien, 2024, Foto: Roland Zygmunt

Johannes Rass, Cervus Elaphus III, 2023, Mischtechnik, Performance, Fotografie, Direktdruck auf Acryl und Aludibond, 187,5 x 150 cm, © Joannes Rass, Bildrecht Wien, 2024, Foto: Roland Zygmunt

Adele Razkövi Collective Intelligence, 2019 Installation mit Schattenprojektion, Draht, ca. 200 x 160 x 80 cm © Adele Razkövi/Bildrecht Wien

Adele Razkövi, Collective Intelligence, 2019, Installation mit Schattenprojektion, Draht, ca. 200 x 160 x 80 cm, © Adele Razkövi/Bildrecht Wien

Die Ausstellung ist in verschiedene Themenbereiche aufgeteilt. Im ersten Raum empfangen fantasievolle Skulpturen von Theres Cassini die Besucher, besonders sind auch die Fotoarbeiten von Michaela Bruckmüller und Sissa Micheli. Nach dieser „Introductio“ führen weitere Kapitel wie „Naturalia & Artificalia“, wo etwa auch Henriette Leinfellners akkurate Zeichnungen zu sehen ist, „Collectio“ in dem das Sammeln als künstlerische Strategie im Fokus steht, sowie „Memoria“ und „Futurum“ durch die Ausstellung. Letzteres schließt die Ausstellung ab und führt von der analogen in die digitale Welt, in eine seltsame Welt von Mensch-Maschinen und in eine von Jeremias Altmann und Andreas Tanzer aus Bauschutt gestalteten „Grey Time“ – eine dystopische Zukunft. Eine Aussicht, die man dem Künstlerhaus, das aktuell auch in Turbulenzen geraten ist, nicht wünschen mag. Doch die Hoffnung ist da, denn tritt man aus der Installation von Altmann und Tanzer heraus und in den nächsten Raum hinein,  ist man wieder am Anfang. Bereit zum Restart.

Henriette Leinfellner Jardín 15, 2022 Farbstift auf Papier 25 x 40 cm Jardín 10, 2022 Farbstift auf Papier 49 x 39 cm © Henriette Leinfellner/Bildrecht Wien Fotos: Farid Sabha

Henriette Leinfellner Jardín 15, 2022 Farbstift auf Papier 25 x 40 cm Jardín 10, 2022 Farbstift auf Papier 49 x 39 cm © Henriette Leinfellner/Bildrecht Wien Fotos: Farid Sabha

Künstlerhaus

Karlsplatz 5, 1010 Wien
Österreich