Die Wanderausstellung „Water Pressure“ im MAK – Museum für angewandte Kunst macht deutlich, dass sich unser Umgang mit der Ressource Wasser ändern muss.
Wir nennen ihn den „blauen“ Planeten und doch brodelt sein Inneres wie ein Feuerball. Meere bedecken rund 70 Prozent der Erde, und seit Jahrzehnten steigen die Temperaturen. Der Künstler Julian Charrière hat für diese Entwicklung ein starkes Bild gefunden. Sein Video „And Beneath It All Flows Liquid Fire“ zeigt einen historischen Brunnen, aus dessen Becken Flammen hochlodern, während gleichzeitig Wasserfontänen spritzen. Auch andere Kunstprojekte des 1987 geborenen Schweizers, von dem Sie noch mehr in dieser Ausgabe lesen können, drehen sich um Umweltfragen und so eignet sich sein „flüssiges Feuer“ bestens für den Auftakt der rund 300 Exponate starken Schau „Water Pressure. Gestaltung für die Zukunft“ im MAK.
Die von dem britischen Designbüros Jane Withers Studio konzipierte Schau rückt die globale Wasserkrise ins Zentrum. Obwohl uns laufend Meldungen von Dürren und Fluten erreichen, wird immer noch unglaublich viel Trinkwasser verschwendet – man denke nur an unsere WCs. Die Wanderausstellung, die zuvor im Hamburger Museum für Gewerbe und Kunst und im Zürcher Museum für Gestaltung Station machte, versammelt Ideen für einen schonenderen Umgang mit dem existenziellen Element. Die in Wien von MAK-Kuratorin Marlies Wirth erweiterte Ausstellung fungiert auf Mikro- und Makroebene, bringt Designprototypen mit urbanen Best-Practice-Beispielen, traditionelle und indigene Praktiken mit eindringlicher Gegenwartskunst zusammen.
Schon im Foyer geht es mit Händewaschen zur Sache. Der Zapfhahn „SafeTap“ der Wiener Designer EOOS kann per Loch an einen Kanister oder Kübel montiert werden. Das kleine Plastikobjekt ermöglicht sparsam dosierte Handreinigung für jene 40 Prozent der Weltbevölkerung, für die kein Leitungswasser fließt. Zu den Eyecatchern der Schau zählt neben einem uralten Einbaum aus dem Kärntner Landesmuseum auch eine Wandmalerei von Marjetica Potrč. Die archaische Darstellung einer Baumfigur mit ausufernden Ästen und Wurzeln verknüpft sie mit kleineren Grafiken. Die Künstlerin greift darin Kämpfe um den Schutz von Flüssen auf, den indigene Gruppen in Australien für den Lachlan River und slowenische Aktivist:innen für die Soča führen. Potrč’ manifestartige Begleittexte fordern ein egalitäreres Verhältnis zwischen Mensch und Natur, etwa durch die Anerkennung von Flüssen als juristische Personen. Das Kapitel „Water Stories“ vereint eine Fülle von Objekten, von altägyptischen Wassergefäßen bis hin zu japanischen Farbholzschnitten (allen voran Hokusais „Großer Welle von Kanagawa“), die jedoch etwas beliebig wirkt.
Der nächste Abschnitt „Bodily Waters“ erinnert mit poetischen Arbeiten daran, dass wir durch die Zusammensetzung unserer Körper Teil des Wasserhaushalts der Erde sind. Für ihre Werkreihe „The Topography of Tears“ nahm die US-Fotografin Rose-Lynn Fisher Augenflüssigkeit unter die Lupe und produzierte faszinierende Mikroskopaufnahmen der verschiedenen Arten von Tränen. Das niederländische Studio Makkink & Bey hat für die Installation „GLASSworks MATTER“ den Wassergehalt im Körper des Designers Jürgen Bey erhoben und präsentiert nun 70 Liter in Trinkgläsern, in die Organe wie Herz oder Nieren graviert wurden. Auch das ökologisch wichtige Toiletten-Thema darf nicht fehlen, dem sich etwa 2023 die Schau „Death to the Flushing Toilet“ im finnischen Pavillon der Architekturbiennale in Venedig gewidmet hat.
Der Abschnitt „Thirsty Cities“ analysiert den Wasserverbrauch urbaner Ballungsräume und stellt wegweisende Projekte vor, etwa eine schwimmende Schule von NLÉ Architects in einem Hochwassergebiet von Lagos oder die Kopenhagener „Klimafliesen“, ein wasserspeichernder Gehwegbelag des dänischen Architekturbüros Tredje Natur. In eine künstlerische Unterwasserwelt führt Cristina Iglesias’ Video „Estancias Sumergidas (Mar de Cortés)“: Vor der mexikanischen Halbinsel Baja California hat die Spanierin 2010 Räume aus Gitterwänden am Meeresboden geschaffen, in denen mittlerweile ein Riff voll ozeanischer Flora und Fauna entstanden ist. Was zählt schon ein einzelner Tropfen? Viel, sagt das Designkollektiv Dutch Invertuals & Edhv, das in seiner Installation „Flow“ kleine Wassermengen auf den Weg über stoffüberzogene Rinnen und durch ein Labyrinth schickt. „Ehrfurcht vor den Rhythmen der Natur in unserem technologiegetriebenen Zeitalter“, schreiben die Designer: innen als Motto über ihre Anordnung, die gerade ob ihrer Einfachheit fesselt. Wenn sich hingegen ein Fluss in ein Rinnsal verwandelt, entsteht leicht Melancholie.
So auch in BjørnSegschneiders mit Echosound unterlegter Videoarbeit „Los Angeles River“, die zu betonierten Kanälen führt. Der deutsche Künstler hält riesige Brückenpfeiler samt Graffiti fest, ebenso wie Wasseralgen, Müll oder Lichtreflexe im spärlichen Nass.
Solch Bilder öder Vertrocknung erzeugen Sehnsucht nach „einem Bächlein helle“, wie es Franz Schubert in seinem Lied „Die Forelle“ besang. Auch wenn die Ausstellung an politische Fragen des Umweltschutzes nur anstreift, macht ihr ansprechender Mix aus Design, Wissenschaft und Kunst doch klar, dass eine neue Wasserkultur keinen Verlust, sondern einen Gewinn bedeutet.
WATER PRESSURE. Gestaltung für die Zukunft, MAK Wien, 2025, Foto: kunstdokumentation.com / MAK