Ponto Zero #07 © Rodrigo Braga, 2019

Wie kann sich die Kunst in die Debatte um den Klimanotstand einbringen? Aktuell beschäftigen sich mehrere österreichische wie internationale Ausstellungen mit dem Thema Natur aus unterschiedlichen Perspektiven. Ob konkret mit den politischen, ökonomischen, ökologischen und humanitären Auswirkungen des Anthropozäns oder mit dem Diskurs über einen neuen inklusiven Naturbegriff, in dem wir Menschen stärker als Teil der Natur sehen sollen. Doch geht es den Künstler:innen dabei nicht nur darum, Missstände zu dokumentieren und die Notwendigkeit des Handelns zu formulieren. So entwerfen sie emotionalisierende Dystopien gleichermaßen wie utopische Visionen, vermitteln auf dokumentarische wie sinnliche Weise komplexe biologische Zusammenhänge und thematisieren eine im Wandel begriffene Umwelt.


Gabriele Engelhardt. KREMSER BERGE

bis 16. März 2025 | KUNSTHALLE KREMS

Die in Karlsruhe lebende Künstlerin Gabriele Engelhardt (*1967) beschäftigt sich in ihren Fotoarbeiten mit den sichtbaren und unsichtbaren Spuren, die menschliche Eingriffe in die Natur hinterlassen. Ihre „wirkmächtigen Tableaus der heutigen Zeit“, so Florian Steininger, Direktor der Kunsthalle Krems, sind derzeit in der Oberlichthalle der Kunsthalle Krems zu sehen. Engelhardt arbeitet stets seriell und untersucht in ihren Fotoserien die verschiedenen Facetten ihrer Motive. In ihrer Serie „Kremser Berge“ zeigt sie den formalen skulpturalen Aspekt der industriellen Landschaften um den Donauhafen. „Ich modelliere diese Rohdaten zu Bildern. Im Grunde ‚taste‘ ich Objekte fotografisch ab und setze hinterher die Schärfeebenen zusammen. Dieses Aneinanderreihen der einzelnen Fragmente ist wie ein Modellieren mit Rohdaten“, erklärt sie. Die Schrottberge sind für Engelhardt Zeugnisse unseres Lebens: „Da ist alles drin: vom Wäscheständer über Auto bis Fahrrad und Zug. Was für ein Irrsinn: Wir werden alle auch einmal auf so einem Haufen enden.“


Das KunstHausWien verfolgt unter der neuen Leitung von Gerlinde Riedl die Vision seines Gründers Friedensreich Hundertwasser, das Verhältnis von Mensch, Kunst und Ökologie zu thematisieren. Mit den Ausstellungen von Emma Talbot und Anne Duk Hee Jordan im Projektraum Garage wird diese Ausrichtung fortgeführt. Beide Ausstellungen, kuratiert von Barbara Horvath, teilen „den transformativen Gedanken, dass der Mensch sich selbst zu erneuern vermag“. „Mit Blick auf die aktuellen ökologischen Herausforderungen handeln beide Ausstellungen von der zyklischen Natur des Lebens, die zeigt, dass jedes Ende auch ein neuer Anfang ist“, so Horvath. Beide Künstlerinnen schaffen sinnlich-intuitive Werke, die die drängenden ökologischen Herausforderungen auf unterschiedliche Weise beleuchten.

ANNE DUK HEE JORDAN. THE END IS WHERE WE START FROM

bis 26. Jänner 2025 | KUNSTHAUSWIEN

Anne Duk Hee Jordan verwandelt auf zwei Ebenen die Räume des KunstHausWien in eine audio-visuelle Inszenierung. „Wir sind eng mit allem um uns herum verbunden, und um Ökologie wirklich zu verstehen, müssen wir in ununterbrochenen Kreisläufen denken“, erklärt sie. Ihre Installation führt von der Ursuppe über fluoreszierende Unterwasserwelten bis hin zu Vulkanlandschaften und thematisiert die Verbindung von Mensch und Natur durch immersive Elemente.

EMMA TALBOT. TALKING TO NATURE

beendet (05.01.25) | KUNSTHAUSWIEN, Projektraum Garage

Emma Talbot, erstmals in Wien zu sehen, präsentiert im Projektraum Garage „Talking to Nature“ – eine raumfüllende Malerei, ergänzt durch die Animation „Keening Songs“ (2021). „Die Ausstellungen sind eine Einladung, den Dialog über unsere Verantwortung gegenüber der Natur zu vertiefen und unsere Beziehung zur Umwelt zu überdenken“, fügt Gerlinde Riedl hinzu.


LEANDRO ERLICH. SCHWERELOS

bis 13. Juli 2025 | KUNSTMUSEUM WOLFSBURG

In Wolfsburg steckt der Mond im Museumsboden fest, gleich neben einer Rakete, die nie abheben wird. Nebenan schwebt ein Haus mit Wurzeln wie Kraken, und ein goldener Schmetterling hat Flügel aus Menschenohren. Die neueste Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg wurde von Leandro Erlich gestaltet. Der argentinische Künstler ist ein Meister surrealer Illusionen. Für seine erste Einzelausstellung in Deutschland hat er exklusiv für Wolfsburg gearbeitet, eingeladen von Museumsdirektor Andreas Beitin. Der Museumsbau eignet sich perfekt für überdimensionale Installationen, wie das mehr als elf Meter hohe klassizistische Bürgerhaus, das unter der Decke hängt.

Erlichs Arbeiten sind auf den ersten Blick beeindruckend, entlarven ihre Illusionen aber schnell – von Wolken auf Glasplatten bis zur Schwerelosigkeit durch Glas-Spiegel-Anordnungen. Der Künstler selbst sagt: „Der Wendepunkt, den ich an der Illusion interessant finde, ist die Erzeugung von Zweifeln.“ Das Museum betont den kunsthistorischen Wert der Werke, die etwa das „Entwurzelte Haus“ mit Flucht- und Migrationsbewegungen assoziieren.

Erlich bleibt offen für Interpretationen: „In all meinen Werken zeigt sich die Wirklichkeit auf unterschiedliche Weise. Was wir sehen, ist immer eine Frage der Wahrnehmung."


THROUGH THE FLOODS

bis 16. Februar 2025 | COLLEZIONE MARAMOTTI, REGGIO-EMILIA

In der Collezione Maramotti wird die Flut als eklektisches Sinnbild der Katastrophe medienreich inszeniert. Mario Schifanos Palme aus Aluminium wird als tragisch-komischer Hoffnungsträger gezeigt, Joan Banachs „Deep Water“ zieht sich tief ins Holz, und Federico Tosi führt fiktive Fossilien aus Beton in den Dialog mit klimatischen Tatsachen. Matthew Day Jackson bringt das Matterhorn dem Untergang näher, während Gregory Greens „Chemical Bomb“ apokalyptische Zukunftsassoziationen befeuert. Käthe Kollwitz’ Schicksalsgesten und Francisco de Goyas „Desastres de la guerra“ sind ebenfalls präsent.

Ariel Cabrerea Montejos Aquarellarbeit „Metaerzählungen“ irritiert durch die fehlende Kontextualisierung massenhaft abgebildeter Menschen, der Realismus trifft auf Mystik und Fantastisches. Ergänzt wird die Schau durch hochkarätige Leihgaben, darunter Medardo Rossos „Bambino malato“ und Filippo Palizzis „Oltre il Diluvio“ von 1864.

Die Flut wird als Katastrophe sichtbar, die die Menschheit seit jeher begleitet. Andy Cross überführt Noahs Arche in die Zukunft, und Krištof Kintera lässt Bronzen zu betenden Figuren werden. Beatrice Pendiconis Polaroids sind Gaia gewidmet, und Jules de Balincourt kritisiert in „Blind Faith and Tunnel Vision“ den Glauben. Allesamt tolle Werke, die in der Gesamtgestaltung schlicht noch zwei Räume mehr gebraucht hätten, um sich voll zu entfalten. Doch eines gelingt der Schau: Sie zeigt, dass die Klimakatastrophen, die auf uns zukommen, mannigfaltige Zerstörung bringen. Hier kann sich jeder und jede von der einen oder anderen Perspektive abholen lassen, ein Besuch ist empfohlen.


URSULA BIEMANN. BECOMING EARTH

bis 23. Februar 2025 | MQ FREIRAUM

Die Schweizer Künstlerin Ursula Biemann untersucht ökologische Fragestellungen an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Aktivismus. Sie ist bekannt für ihre videobasierten Arbeiten, die Migration, Globalisierung, Ökologie und feministische Theorie thematisieren. Ihre Arbeiten kombinieren dokumentarische Methoden mit künstlerischen Ansätzen, um geopolitische und ökologische Zusammenhänge zu beleuchten.

In der Ausstellung sind fünf Installationen zu sehen, in denen Biemann für ein neues Verständnis von Mensch und Natur eintritt. Sie arbeitet eng mit indigenen Künstler:innen und Naturwissenschaftler:innen zusammen und vereint deren Wissen über die Intelligenz der Natur und die Beziehungen zwischen allen Lebewesen. Ihr Video „Forest Mind“ zeigt das Wissen über Pflanzen im Amazonas, das sowohl naturwissenschaftlich als auch schamanisch geprägt ist.

Die Ausstellung kombiniert poetische Erzählstränge mit dokumentarischen Elementen, z. B. durch eine Wand mit dem DNA-Code des Amazonas-Regenwaldes, der aus akustischen Aufnahmen und Baumsamen gewonnen wurde. Biemann hat auch im Projekt „Devenir Universidad“ mitgearbeitet, um indigenes Wissen durch die Gründung einer Biokulturellen Universität im Amazonas zu fördern. Weitere Werke wie „Acoustic Ocean“ und „Forest Law“ beschäftigen sich mit der Kommunikation von Meeresbewohnern und den rechtlichen Kämpfen um Naturrechte im ecuadorianischen Amazonasgebiet. „Meine Feldarbeit hat mich in entlegene indigene Gebiete vom Amazonas bis zur Arktis geführt, wo ich die Umweltzerstörung und ihre tiefgreifenden Auswirkungen auf alle Lebensformen hautnah miterlebt habe“, erklärt die Künstlerin.