Sheila Hicks: Mit Fäden malen

Sheila Hicks neben ihrer Arbeit "Saffron Sentinel", 2017, eingefärbte Fasern, Courtesy the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Katja Illner

Zu ihrem 90. Geburtstag bekommt die US-amerikanische Künstlerin Sheila Hicks endlich ihre erste institutionelle Solopräsentation in Deutschland – dafür aber gleich in zwei Museen: in einer Kooperation des Josef Albers Museums in Bottrop mit der Kunsthalle Düsseldorf. Die beiden Ausstellungen liefern einen anregenden Überblick über ihr vielschichtiges Œuvre.


Es war eine monumentale Arbeit von Sheila Hicks, die sich nachhaltig im Gedächtnis von Kunstliebhaber:innen verankert hat: Im Arsenal, am räumlichen Ende der Ausstellung „Viva Arte Viva“ der Kuratorin Christine Macel anlässlich der 57. Kunstbiennale in Venedig fanden sich die Besucher:innen plötzlich vor einem überdimensionierten, farbenfrohen Haufen von Pölstern wieder. Nicht wenige der bereits erschöpften Kunstaficionados hätten sich im Jahr 2017 gerne in diese einladende Installation gelegt. Das war aber aufgrund der Fragilität der Arbeit – und wegen des zu erwartenden Massenansturms – leider nicht möglich. Jedoch blieb diese Präsentation im Gedächtnis zahlreicher Menschen als erster und bleibender Eindruck der Künstlerin zurück.

Sheila Hicks, die 1934 in Hastings, Nebraska, geboren wurde, geht es um die Tiefe der Farben, um Texturen und die unmittelbare, sinnliche Erlebbarkeit ihrer Arbeiten. Ein Ansatz, der nicht unbedingt das Berühren involviert. Eher das Sehen, wenn etwa die Sonne aufgeht und die Natur in ihrer Farbigkeit zu strahlen beginnt, wie sie in einem Gespräch betont hat.

Installationsansicht, Sheila Hicks, Kunsthalle Düsseldorf 2024, © VG Bild-Kunst Bonn, 2024, Foto: Katja Illner

Installationsansicht, Sheila Hicks, Kunsthalle Düsseldorf 2024, © VG Bild-Kunst Bonn, 2024, Foto: Katja Illner


Hicks kommt an sich aus der Malerei und hat die Yale School of Art abgeschlossen. Sie begann, sich als Weltenbummlerin im Zuge ihrer ausgedehnten Reisen zunehmend und intensiv mit Stoffen, entsorgten Kleidungsstücken und Textilien aus allen Weltregionen auseinanderzusetzen. In einem Interview anlässlich der Venedig-Biennale hat sie sich dafür ausgesprochen, die Welt von der missbräuchlichen Verwendung der Farben, die in Metropolen oder beim Bau von Gebäuden zu erkennen sind, zu befreien und gleichzeitig unterschiedliche stoffliche Materialien aus Marokko und anderen Ländern Afrikas, Japan, Frankreich, Indien, Ozeanien oder Südamerika neu zu arrangieren und den Menschen in Form ihrer Kunstwerke wieder zurückzugeben.

Sheila Hicks geht es um die Tiefe der Farben, um Texturen und die unmittelbare, sinnliche Erlebbarkeit ihrer Arbeiten.

Christof Habres

In der Kunsthalle Düsseldorf werden feine Happen aus ihrem Schaffensprozess serviert: Da beherrschen der venezianische Polsterhaufen „Saffron Senteniel“ (2017), der vor Ort wieder arrangiert wurde, und die massive, hängende Baumwoll-Skulptur „Au-delà“ (2022) den Kinosaal der Kunsthalle.

Im zweiten Stock werden einige Flachreliefs gezeigt, die zwischen 2018 und 2022 entstanden sind, darunter „Zeus“, „Voltaire“, „Paros“ und „Sunrise in Machu Picchu“. Hier lässt sich trefflich erkennen, warum über die Arbeit der Künstlerin auch gesagt wird, sie male mit Fäden. So zeigen die Arbeiten zauberhaft zusammengefügte, nuancierte Farbstimmungen und -abläufe im klassischen Bildformat.

Sheila Hicks neben ihrer Arbeit "Aprentizaje de la Victoria", 2008–2016, Courtesy the artist © VG Bild-Kunst Bonn, 2024, Foto: Katja Illner

Sheila Hicks neben ihrer Arbeit "Aprentizaje de la Victoria", 2008–2016, Courtesy the artist © VG Bild-Kunst Bonn, 2024, Foto: Katja Illner


Einem breiteren Sammlerpublikum ist auch ihre Serie der „Lianen“ bekannt, denn nicht wenige Arbeiten aus dieser Werkfolge wurden etwa bei der Art Basel in Paris erfolgreich verkauft. Die ersten Lianen hat Hicks bereits vor 60 Jahren kreiert. Ganz besondere Geschichten erzählt Sheila Hicks in den collageartigen Mixed-Media-Kleinformaten, in denen Muscheln, Pfeilspitzen, Ananasfasern oder Stachelschwein-Borsten verwendet werden. In diesen Arbeiten wird das Ansinnen der Künstlerin, durch ihr Werk auf die sozialen, gesellschaftspolitischen sowie wirtschaftlichen globalen Interdependenzen aufmerksam zu machen, sehr direkt spürbar.

Sheila Hicks Doppelpräsentation in Bottrop und Düsseldorf ist ein idealer Moment, die wichtige und (völker-)verbindende Künstlerin eingehender kennenzulernen.

Sheila Hicks, Labyrinthe du paradis, 2024, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Claire Dorn

Sheila Hicks, Labyrinthe du paradis, 2024, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Claire Dorn