»Setting the scene« bei Lovaas, München

Kunstszene
»Setting the Scene«, 2019, Ausstellungsansicht, Lovaas, München | Foto: Ulrich Gebert

Lovaas

Fürstenstrasse 6, 80333 München
Deutschland

KünstlerIn: Maximiliane Baumgartner, Poul Gernes, Verena Issel, Jonas von Ostrowski, Jochen Weber, Alex Wissel, Andrea Zittel

Titel: Setting the scene

Datum: 14. November 2019 bis 23. Januar 2020

Fotografie: All images Courtesy Lovaas and the artists | Foto: Ulrich Gebert

Notiz: Organisiert von Jonas von Ostrowski

Ausstellungstext:

Das Setup bestimmt das Szenario. Die Szenerie bedingt die Szene. Jede Umgebung definiert und verändert das, was in ihr stattfindet. Je nach Beschaffenheit lässt sie Dinge fühl- oder denkbar werden und andere verschwinden. Das Schaffen eines Umfeldes ist daher oft der erste Schritt auf dem Weg zu einer Handlung.

Schon grundsätzliche räumliche Parameter, wie Weite, Enge, Offenheit, Geschlossenheit, Höhe, Tiefe etc., verstärken oder kreieren potentiell sehr spezifische emotionale Verfassungen, die ihrerseits wiederum dazu führen, dass verschiedene Gedanken, Konzepte, Ideen und Vorstellungen entstehen können oder eben nicht.

So unterstützen die Innenräume von Kathedralen durch Lichtführung und Akustik die „religiöse Erfahrung“, Herrschaftsarchitektur inszeniert nicht nur die Macht der Auftraggeber, sondern sorgt für eine Unterdrückung möglichst jeden Widerstandes, die Gestaltung der Büroräume der führenden Tech-Firmen sollen einerseits eine maximale Entfaltung der Leistungsfähigkeit der Arbeitenden ermöglichen, wie zur gleichen Zeit keinen Zweifel am Sinn ihrer Tätigkeit aufkommen lassen, Transiträume sollen schnellstmöglich wieder verlassen werden, Möbelhäuser die Existenz der Außenwelt völlig vergessen machen, usw.

Künstler*innen, die sich in ihrer Praxis mit der Herstellung von auf die ein oder andere Art funktionalen Environments befassen, lassen sich spätestens seit den frühmodernen Avantgardebewegungen zahlreich finden. Beispiele reichen dabei von einem experimentellen Umgang mit den Formen des Alltäglichen, wie in Absalons Cellules, über das Initiieren von tatsächlichen Orten, wie Anna Halprins Waldbühne, auf der Tänzer*innen wie Merce Cunningham die Gelegenheit hatten, ihre spezielle Form zu entwickeln, hin zu Schwitters berühmtem Merzbau, eine Transformation des Künstlerhauses zu einer – bewohnten – künstlerischen Arbeit.

Alles in allem scheint es, als sei das Denk-, Tätigkeits-, und Existenzfeld von Künstler*innen gut dazu geeignet, Umgebungen oder Räume zu schaffen und damit Settings für Szenarios zu entwerfen, die abseits von Marktforschungstools und technokratischen Zukunftsvisionen liegen.

Die in dieser Ausstellung vertretenen Künstler*innen befassen sich auf jeweils ihre Weise mit der Herstellung von eben solchen Settings, die zur Ermöglichung, Konditionierung oder Untersuchung von etwas in ihnen Stattfindendem gedacht sind.

So ist ein zur fahrenden Künstlerresidency ausgebauter Mercedes Sprinter Teil des gemeinsamen Projekts Vagabund von Jochen Weber und Alex Wissel. Resident*innen nutzten die von den Künstlern speziell entworfene Toiletten- und Duschskulpturen und den fensterlosen Transporter für einige Wochen als Wohnort. Ein großzügiger Tankgutschein motivierte eine gegebenenfalls auch ziellose Mobilität.

Fahrende Strukturen und Spielsettings gehören auch zu Maximiliane Baumgartners Arbeit. Dabei sind sie sowohl für den Ausstellungsraum gedacht als auch für die „Aktionsräume“, die sie als Teil ihrer künstlerischen Praxis für und mit Künstler*innen und Kindern initiiert, und die den städtisch öffentlichen Raum - sei es eine Wiese, die Straße oder ein Schulgelände - machtkritisch befragen.

Verena Issels oft raumfüllende Installationen stellen eine Unklarheit über die Beschaffenheit ihrer Teile her – sind sie eigenständige Arbeiten, Teile einer Installation oder Bühne für die eigentlichen Arbeiten? 

Nach einem vielgestaltigen Oeuvre, das neben Malerei auch seriell hergestellte Möbel umfasste, kehrte Poul Gernes für die letzten 16 Jahre seines Schaffens Galerien und Museen völlig den Rücken, um sein Werk mit der farbigen Gestaltung öffentlicher Bauten wie Krankenhäusern, Schulen oder Gefängnissen weiterzuführen. 

Strukturen des Privaten und des Persönlichen dagegen sind Forschungsgegenstand von Andrea Zittel. Ihre Arbeiten ermöglichen oder konditionieren meist alltägliche Handlungen oder Tätigkeiten. Sie lebt und arbeitet in und an A-Z West, ihrem „institute for investigative living“ in der kalifornischen Wüste. 

Jonas von Ostrowski arbeitet seit einigen Jahren an Los Angeles, einem bewohnbaren Skulpturengarten im ländlichen Nordhessen. Die dort entstehenden Objekte von unterschiedlichen Künstler*innen sind teilweise praktisch nutzbar, wie Ostrowski’s House With Clear Shapes And A Complex Entrance, und machen Los Angeles so zu einem funktionsfähigen Aufenthalts- und Arbeitsort.

Diese Ausstellung soll Licht werfen auf den Entwurf von Settings und Szenarios als Teil künstlerischer Praxis, und damit die Frage stellen nach den Potentialen künstlerischer Arbeit im Hinblick auf eine Verwandlung der ästhetischen und sozialen Wirklichkeit.

JvO