Neue Sachlichkeit im Leopold Museum

Rudolf Wackers geheimnisvolle Bildsprache

Rudolf Wacker, Stillleben mit Engel und Fixativ, 1933, Öl auf Holz, 60 x 75 cm, Privatsammlung, Foto: Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien

Die geheimnisvolle Bildsprache der Wirklichkeit: Rudolf Wacker (1893–1939) gilt als der bedeutendste Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Österreich. Das Leopold Museum widmet dem gebürtigen Vorarlberger eine umfassende Retrospektive und zeigt den Maler vom Bodensee als Künstler von europäischem Format.


 

 

66 JAHRE OHNE WACKER

Im Jahr 1958, also vor 66 Jahren, fand die erste und bisher einzige Rudolf-Wacker-Ausstellung in Wien in der Österreichischen Galerie im Belvedere statt. Im Jahr 2024 holt das Leopold Museum diesen international renommierten Maler endlich zurück in die Bundeshauptstadt, was nicht zuletzt Rudolf Leopolds hoher Wertschätzung für diesen Künstler geschuldet ist.

„Dass Wacker ungeachtet der außergewöhnlichen Qualität seiner Werke nicht so bekannt ist wie andere, vor allem deutsche Vertreter der Neuen Sachlichkeit, liegt an der relativ spät einsetzenden systematischen Erforschung seines Schaffens“, betont Marianne Hussl-Hörmann, Kuratorin der Wacker-Retrospektive im Leopold Museum.

Die Zeitumstände – Wackers malerisches Werk entstand zwischen den beiden Weltkriegen, von 1921 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1939 – zwangen den Künstler zu einem Rückzug an den heimatlichen Bodensee. Dabei ist bei Wacker nichts Provinzielles zu finden; vielmehr gilt er als Geheimtipp in Kunstkreisen.

Zweifellos lässt sich sein Werk in der obersten Riege der Neuen Sachlichkeit und der postexpressionistischen Malerei einordnen.

Marianne Hussl-Hörmann

 

Rudolf Wacker, Stillleben mit Stechpalme und Kasperl, 1933, Öl auf Sperrholz, 65 x 50 cm, MUSEUM ORTNER, Wien (courtesy Giese & Schweiger), Foto: Alexander Mitterer, Print Alliance

Rudolf Wacker, Stillleben mit Stechpalme und Kasperl, 1933, Öl auf Sperrholz, 65 x 50 cm, MUSEUM ORTNER, Wien (courtesy Giese & Schweiger), Foto: Alexander Mitterer, Print Alliance

 

Um den bedeutenden Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Österreich gebührend zu würdigen, wurde für die aktuelle Schau ein „monografischer Zugang“ gewählt, erklärt Kuratorin Laura Feurle vom Leopold Museum. Neben zahlreichen Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen werden viele Exponate aus Privatbesitz gezeigt.

„Die Ausstellung fokussiert Wackers Ölmalerei der 1920er- und 1930er-Jahre. Darüber hinaus sind neben Zeichnungen aus verschiedenen Werkphasen auch Objekte aus Wackers Nachlass zu sehen, die immer wieder als Protagonisten in seinen Bildern auftauchen.“

Rudolf Wacker, Bregenzer Achbrücke, 1926, Öl auf Leinwand, 79 x 106 cm, Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien

Rudolf Wacker, Bregenzer Achbrücke, 1926, Öl auf Leinwand, 79 x 106 cm, Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien

 

ANWALT DER KLEINEN DINGE

Zudem wurde die Retrospektive punktuell durch kontextualisierende Referenzarbeiten ergänzt, darunter Werke von Otto Dix, Anton Räderscheidt, Franz Lenk und Albert Birkle. „Typisch für Wacker ist vor allem die Ambivalenz zwischen Nähe und Distanz“, erklärt Marianne Hussl-Hörmann.

Mit unglaublicher Präzision erfasst und isoliert Wacker die Dinge des Alltags und verleiht ihnen eine eigene, geheimnisvolle Magie. „Sein Werk konzentriert sich auf die Wirklichkeit und Präsenz der Dinge in seiner unmittelbaren Umgebung: auf Landschaften und Hinterhöfe, auf den weiblichen Akt, sein Selbstporträt sowie auf verschiedene Fundstücke aus seiner eigenen Sammlung, die er immer wieder neu komponierte.“ Das Ergebnis sind einzigartige „Fortsetzungsgeschichten“, in denen bestimmte Objekte, Puppen oder Pflanzen immer wieder neue Rollen einnehmen. Nach und nach verschwimmen die Genregrenzen in diesen Bildketten. Porträt und Stillleben, Interieur und Landschaft, Raum und Wirklichkeit verschränken sich. Als „Anwalt der kleinen Dinge“, wie Wacker sich selbst bezeichnete, lädt er das Dargestellte mit Botschaften auf.

Meine Bilder sind wie Bücher und meine Zeichnungen wie Briefe zu lesen.

Rudolf Wacker

 

Rudolf Wacker, Selbstbildnis mit Rasierschaum, 1924, Öl auf Leinwand, 84 x 63 cm, MUSEUM ORTNER, Wien (courtesy Giese & Schweiger), Foto: Alexander Mitterer/Print Alliance

Rudolf Wacker, Selbstbildnis mit Rasierschaum, 1924, Öl auf Leinwand, 84 x 63 cm, MUSEUM ORTNER, Wien (courtesy Giese & Schweiger), Foto: Alexander Mitterer/Print Alliance

 

Mit dem Zitat „Meine Bilder sind wie Bücher und meine Zeichnungen wie Briefe zu lesen“ gibt uns der „Gotiker“ Wacker – so haben ihn seine Zeitgenossen bezeichnet – jedoch einen Schlüssel zur Entzifferung in die Hand: Wie ein Schriftsteller verdichtet er die Objekte in seinen Gemälden und räumt dem „Dinghaften“ immer mehr Raum ein.

„Der Bildraum wird so zum Resonanzraum, der beispielsweise mit versehrten Puppen gesellschaftskritisch auf die Zeit blickt, ohne sich jedoch zu stark zu positionieren“, bemerkt Kuratorin Marianne Hussl-Hörmann. Ein armloser Christus übt stellvertretend Kritik an der Kirche, während ein Kaktus das Widerspenstige symbolisiert. Mit welken Pflanzen und Kakteen sowie der Puppe und dem Kasperl verwendet Wacker zudem eine für die 1920er-Jahre typische Bildsprache, die er auf innovative Weise interpretiert, so Marianne Hussl-Hörmann: „Rudolf Wacker ist ein Maler von europäischem Format!“

Rudolf Wacker, Schäfchen mit Puppe, 1934, Öl auf Holz, 24 x 31 cm, Sammlung Oesterreichische Nationalbank, Foto: Leihgabe der Oesterreichischen Nationalbank

Rudolf Wacker, Schäfchen mit Puppe, 1934, Öl auf Holz, 24 x 31 cm, Sammlung Oesterreichische Nationalbank, Foto: Leihgabe der Oesterreichischen Nationalbank

Leopold Museum

Museumsquartier
Museumsplatz 1
1070 Wien
Österreich

RUDOLF WACKER

MAGIE UND ABGRÜNDE
DER WIRKLICHKEIT

30.10.2024 bis 16.02.2025