Precious Okoyomon – Cuteness, Poesie, Träume

Precious Okoyomon kennt viele Formen von Eskapismus. Im Kunsthaus Bregenz lädt der:die Künstler:in dazu ein, in eine träumerische Welt einzutauchen, sein inneres Kind zu befreien und das Cuteness-Universum zu entdecken.
In den Installationen von Precious Okoyomon treffen meist süße Verspieltheit und düstere Gedankenwelten aufeinander. International bekannt wurde der:die 1993 in London geborene, nigerianisch-US-amerikanische Künstler:in mit der Venedig-Biennale 2022, wo im Arsenale eine ganze Halle in eine Gartenlandschaft aus Schlingpflanzen und Skulpturen verwandelt war, um darin spirituelle Naturerfahrungen mit afrofuturistischen Visionen zu verbinden. Die Einzelausstellung im Kunsthaus Bregenz hingegen beginnt mit einer pseudo-psychoanalytischen Reise ins Unbewusste.
Okoyomon [...] macht aus dem gesellschaftlichen Tabuthema ein gemeinsames, spielerisches Ritual.

Precious Okoyomon, ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF, Ausstellungsansicht, Kunsthaus Bregenz, 2025, in the belly of the sun endless, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy of the artist und Kunsthaus Bregenz
In zwei begehbaren Behandlungszimmern liegen auf antiken Holzschreibtischen drei Stapel mit Fragebögen aus, die von den Besucher:innen ausgefüllt und bemalt werden dürfen. In den unterschiedlichen Ausführungen richtet Okoyomon Fragen an Menschen, die weit weg waren, etwas zu Papier bringen müssen oder wieder Kunst machen, schreiben oder tanzen wollen. Zu bestimmten Öffnungszeiten ist sogar „Therapiepersonal“ anwesend. Neben altmodischen Polsterliegen stehen in den Regalen Bücher von C. G. Jung, Octavia E. Butler, Sigmund Freud oder Michel Foucault. Die Zimmer von „the existential detective agency“ (2025) sind außerdem mit bunten Tapeten dekoriert, auf denen Zeichnungen puppenhafter Fantasiewesen und kleiner dämonischer Drachen zu sehen sind.
Okoyomon besucht nach eigenen Angaben zweimal wöchentlich Therapiesitzungen und macht aus dem gesellschaftlichen Tabuthema ein gemeinsames, spielerisches Ritual. Weitere Objekte, Bücher und Kreidezeichnungen sowie die Auswahl der gestellten Fragen offenbaren die eigenen Erfahrungen und entführen in den künstlerischen Kosmos Okoyomons.
Gleichzeitig werden mit persönlichen Fragen wie „Wer war für das Leid Ihrer Mutter verantwortlich?“ die Besucher:innen ebenfalls dazu aufgefordert, intime Erinnerungen und verborgene Gefühle zu teilen. Die dabei entstehende Sammlung eines kollektiven Unterbewusstseins soll später in eine neue Arbeit einfließen.

Precious Okoyomon, ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF, Ausstellungsansicht, Kunsthaus Bregenz, 2025, the existential detective agency, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy of the artist
Die Protagonist:innen in Okoyomons Werken sind oft Kuscheltiere. Sie sind beste Freund:innen und Spielkameraden, spenden Trost, sind Projektionsfläche für Emotionen und Speicher von Erinnerungen. In der kindlichen Vorstellungskraft werden ihnen Superkräfte verliehen oder Flügel angelegt, damit sie in andere Welten fliegen können. In „I wanted to kill but had nothing to kill“ (2025) baumeln jedoch dutzende Kuscheltiere mit präparierten Vogelflügeln erhängt an motorisierten Seilen von der Decke: ein verstörend ambivalentes Bild aus Gewaltfantasien und Traumabewältigung.
Eine Etage höher liegt ein riesiger Teddybär mit großen, glitzernden Augen und herzförmigen Pfoten auf einem rosafarbenen Teppich. Wie in einem wahr gewordenen Kindheitstraum ist der treue Begleiter endlich so groß gewachsen, dass man auch auf ihm spielen und in seinem plüschigen Fell Geborgenheit finden kann. Passend dazu ist der Raum in eine Melodie der Soundkünstlerin Takiaya Reed getaucht, deren sphärische Klänge zum Wachträumen anregen. Sowohl mit den Kuscheltieren als auch in den Zeichnungen arbeitet Okoyomon immer wieder mit der Ästhetik des Niedlichen als eine Art Ventil, um der Realität zu entfliehen.

Precious Okoyomon, ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF, Ausstellungsansicht, Kunsthaus Bregenz, 2025, I wanted to kill but had nothing to kill, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy of the artist
Der:die heute in New York lebende Künstler:in nennt auch Träume als eine wichtigste Inspirationsquelle, aus der Gedichte, Objekte und Werktitel entstehen. Besonders deutlich wird dies in einem vierminütigen Video, in dem Okoyomon, selbst im Besitz eines Flugscheins, in einer kleinen Propellermaschine über die Landschaft Ohios fliegt und dabei dem Himmel seinen:ihren „sky song“ (2025) vorträgt.
Beim Betreten des obersten Stockwerkes wird man vom Duft nach Kräuterpflanzen und Gräsern empfangen: Okoyomon hat einen begehbaren Schmetterlingsgarten in den Ausstellungsraum gebracht. Mit invasiven Pflanzen und acht ausgewählten Schmetterlingsarten als lebende, nicht-menschliche Akteur:innen, alle mit schwarzen Flügeln, lässt er sich als subtiles Symbolbild Schwarzen Widerstands und der Befreiung lesen.

Precious Okoyomon, ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF, Ausstellungsansicht, Kunsthaus Bregenz, 2025, the world requires something of me and I’m looking for a place to lie down, 2025, Foto: Markus Tretter, © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz, Courtesy of the artist
KUB Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz, 6900 Bregenz
Österreich