Mohamed Almusibli bei Milieu, Bern

Mohamed Almusibli, A Beautiful Summer, exhibition view, Milieu, Bern, 2019 | Foto: James Bantone

Milieu

Münstergasse 6, 3000 Bern
Schweiz

KünstlerIn: Mohamed Almusibli

Titel: A Beautiful Summer

Datum: 1. September – 28. September 2019

Fotografie: Courtesy Mohamed Almusibli and Milieu, Bern | Foto: James Bantone

Notiz: Sound collaboration with Julian Zehnder

Videolink: https://vimeo.com/359481857

Audiolink: https://vimeo.com/359481324

Ausstellungstext:

Die Erzählungen, die sich um Künstlerinnen und Künstler bilden, umkreisen die Kunst und verfestigen sich langsam. Die Geschichten lassen sich nicht mehr vom Werk trennen, wie Ohren und Sonnenblumen, Verschwinden und Budweiser. Der Geburtsort, die erste Errungenschaft, wird hochgespielt für Kunstikonen und alle anderen. Mohamed Almusibli spielt an allen Ecken seiner künstlerischen Praxis mit Ideen erzählerischer Wahrheit, er zersplittert und zerdellt die unleugbare Architektur seiner Künstlerpersönlichkeit. Hier scheint er biographisch, aber das Persönliche bleibt eine geköderte Chiffre. Traditionelle jemenitische Musik aus dem Geburtsort des Künstlers begleitet die Audiospur, komponiert mit Julian Zehnder. Almusiblis Stimme rezitiert Poesie und Gelegenheit, während der Erzähler schweifend nachsinnt. Wie üblich bleibt es dem Publikum überlassen herauszufinden, was endemisch ist, was fiktionalisiert und was gesampelt wurde. Autor und Erzähler existieren Seite an Seite und im Geiste getrennt. Transparenz wird da als Köder eingesetzt, wo es erwartet wird, und existiert dort, wo nicht. Die gespenstischen Displays zeigen unsterbliche Fotografien, die in der Vorstellung schweben wie Worte, die auf der Zunge liegen. Der Film, auf eine unsichtbare Oberfläche projiziert, ist eine amateurhafte Exkursion durch eine wüstenhafte Trabantenstadt. Ist diese Wüste Almusiblis Mutterleib? Ein Ursprungsbild, nunmehr durchkreuzt von einer Krise? Vertraut man der Kamera ebenso sehr wie Mohameds Augen? Oder sollte man das? Vielleicht ist das Gefundene ebenso authentisch wie das Gemachte. Aber es gibt Tatsachen. Das Heimatland des Künstlers ist in jedem Sinne unzugänglich, und Sehnsucht ist in dem Masse irrelevant, wie Romantik es nicht ist. Es werden uns nur offene Türen geboten, ein kaltes Willkommen zu Erinnerung und Verlust, so leicht und abstrakt wie Erfahrung. Eingeladen, Verbindungen zu ziehen jenseits unserer Allgemeinbegriffe. Seine eigene Erzählung zu kontrollieren bedeutet, die Welt zu kontrollieren, Flexibilität als Freiheit und Fiktion als Ehrlichkeit.

- Mitchell Anderson, 08.2019