CHANEL Culture Fund

Klára Hosnedlová im Hamburger Bahnhof

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Komm in meine Arme! Die tschechische Künstlerin Klára Hosnedlová zeigt in Berlin „Embrace“.


 

„Zottelige Giganten“ nennt sie die Kuratorin, die Künstlerin spricht ganz neutral von Tapisserien. Es ist nicht genau zu bestimmen, was da in der großen Halle des Museums Hamburger Bahnhof in Berlin steht, hängt, sich ausbreitet. Das Fell von Traummonstern? Eine Invasion unbekannter Gewächse? Die Kulisse eines Märchenwaldes? Stumme Wesen, die durch ihre riesige Präsenz die Betrachter:innen verschlucken oder doch nur umarmen wollen, wie der Titel der Ausstellung von Klára Hosnedlová vermuten lässt?
Antworten gibt es auf diese Fragen nicht. Zumindest keine letztgültigen. Denn die Antwort liegt in der Fantasie der einzelnen Betrachter: innen.

Fest steht hingegen: Die tschechische Künstlerin hat die große Berliner Bahnhofs-/Ausstellungshalle in eine Zauberwelt verwandelt. Darin hängen Gebilde aus grob gewebtem Flachs und Hanf, die ihre Wurzeln oder Arme auf grauen Pflasterplatten entlangschlängeln. Durch das feine Pflaster bricht die (künstlich-künstlerisch gestaltete) Natur. Erde und glänzende Pfützen mäandern über den Boden, wobei nicht ausgemacht ist, dass das, was da feucht scheint, harmloses Wasser ist. An den Wänden hängen Wirbelsäulenteile nicht identifizierbarer Tiere. Sie sind groß, steinartig und werden von feinsten Glasobjekten und Stickereien in Metallrahmen ergänzt.

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flusser

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Eine aktuelle Ausstellung enthält immer Verweise auf die vorherige Ausstellung und fungiert als Inspiration für die nächste.

Klára Hosnedlová

Willkommen in der Welt von Klára Hosnedlová! Sie ist die erste Künstlerin, die mit Mitteln des Chanel Culture Funds eine neue Arbeit für die große Halle des Museums realisieren konnte. Zwei weitere Kooperationen in den nächsten beiden Jahren werden folgen. „Embrace“ ist die bisher größte Einzelausstellung der 1990 geborenen tschechischen Künstlerin.

Doch auch wenn Klára Hosnedlová für ihre Berliner Ausstellung ein neues Konzept entworfen hat, steht diese Ausstellung in direktem Zusammenhang mit vergangenen Ausstellungen – und mit kommenden. Denn Teil der aktuellen Schau waren Performances ohne Öffentlichkeit, von denen Fotografien im Katalog abgedruckt sind. Diese Fotos werden „Vorlagen für Stickereien in neuen Projekten. Auf diese Weise enthält eine aktuelle Ausstellung immer Verweise auf die vorherige Ausstellung und fungiert als Inspiration für die nächste“, sagt die Künstlerin und ergänzt: „Das Resultat ist ein endloser verflochtener Strang, in dem alle Arbeiten miteinander in Beziehung gesetzt sind.“

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Es geht um den Moment der „Umarmung“, in dem sich zwei Welten kurz ganz nah kommen.

Uta Baier

Das ist nur konsequent, denn immer geht es bei Klára Hosnedlová um Zeit, um Vergangenheit und um ihre Wirkung in der Gegenwart. Dafür taucht sie tief in die Traditionen ein: Die gegossenen Glasobjekte, die wie edle, schimmernde Schmuckstücke aus den rauen Skelettteilen ragen, bestehen aus Gussglas. Nur eine einzige Manufaktur in Tschechien arbeitet noch mit dieser Technik. Auch für die Herstellung der Flachs- und Hanf-Ungeheuer-Tapisserien kam traditionelles Handwerk zum Einsatz. Und die überaus feinen Stickbilder entstehen, wenn Klára Hosnedlová sich zurückzieht und mittels dieser alten Handwerkstechnik in wochenlanger Arbeit ihre Bilder herstellt.

So verwebt sie Tradition und Kunst, nimmt die eine in der anderen auf und erweitert das eigene System. In Berlin wird es erstmals von einer Klangarbeit begleitet. Die fantastische Akustik der ehemaligen Bahnhofshalle habe sie inspiriert. Und auch hier verschränken sich verschiedene Einflüsse zu einer Musik, die auf dem Grat von Vertrautheit und Fremdartigkeit balanciert. Klára Hosnedlová hat die Gesänge des tschechischen Volksmusik-Frauenchors „Lada“ mit der Musik des tschechischen Rappers Yzomandias verschmolzen. Die Frauen interpretieren alte Lieder neu und lassen sich von den traditionellen Instrumenten Geige, Bratsche, Akkordeon begleiten. Aus riesigen Lautsprecherskulpturen klingen nun dunkle, sphärische Töne, auch Rufe oder Schreie. Sie sollen an Echos erinnern, mit deren Hilfe Bergbewohner:innen einst kommunizierten, erklärt die Künstlerin, die die Boxen für ihre Klanginstallation in Berliner Clubs zusammengesucht hat. Sie sind gebraucht und funktionieren nicht alle. Das Ephemere, Unsichere gefällt der Künstlerin besonders. Einfache Mietlautsprecher ohne Geschichte habe sie nicht verwenden wollen.

Das Bezugssystem der Künstlerin ist schwer durchschaubar. Doch das macht nichts, denn es geht hier nicht um ein Erkennen. Es geht um den Moment der „Umarmung“, in dem sich zwei Welten kurz ganz nah kommen.

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Klára Hosnedlová, CHANEL Commission, Installationsansicht »embrace«, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 2025, © Courtesy Artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, White Cube / Staatliche Museen zu Berlin – Nationalgalerie, Zdeněk Porcal – Studio Flu

Klára Hosnedlová, Foto: Vitali Gelwich

Klára Hosnedlová, Foto: Vitali Gelwich

Klára Hosnedlová. Embrace

Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

bis 26.10.2025

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