Kim Hankyuls robotisches Theater
Bis zum 17. Jänner 2025 zeugt das esc medien kunst labor Kim Hankyuls "M. Butterfly - Vol. 2: Death Proof".
Mit M. Butterfly erschafft der südkoreanische Künslter Kim Hankyul eine vielschichtige Inszenierung, die den westlichen Blick auf den "Orient" hinterfragt und kulturelle Stereotype spielerisch dekonstruiert – ein faszinierendes Zusammenspiel aus Material, Bewegung und Klang, das traditionelle Grenzen von Theater und Installation auflöst.
Zwischen Klang und Identität: Kim Hankyuls robotische Choreografien
Die Arbeiten von Kim Hankyul (*1990, Südkorea) beschäftigen sich mit Themen wie Gewalt, Entfremdung, Kolonialismus, Religion und Mediengesellschaft ebenso wie mit Klangbildern, die durch die physische Bewegung von Skulpturen entstehen. Hankyul versuchte in Installationen, den Klang von Feuer mit Industrie- oder Haushaltsgegenständen nachzuahmen (2021); in Jazz by Jazz (2020) stand die Idee im Mittelpunkt, musikalischen Prinzipien mit mechanischen Mitteln nachzuspüren. M. Butterfly (2022) umspielt mit robotischen Akteuren Motive individueller und nationaler Identitäten.
Kim Hankyuls M. Butterfly ist vielschichtig, anspielungsreich, dramatisch … Die kinetische Installation zitiert Bühneneffekte, erinnert an das Theater. Materialien, Zeit, Bewegung, Klänge – alles ist da, nur kein Mime, kein Text. Es ist, als würden Bühnenrequisiten nach dem Verschwinden des menschlichen Ensembles ihr eigenes, gleichermaßen gespenstisches wie slapstickhaftes Stück aufführen. Mit David Henry Hwangs Stück M.Butterfly aus dem Jahr 1988 hat Kim Hankyuls gleichnamige Installation die Verweise des Hwang-Stücks auf Giacomo Puccinis Oper Madama Butterfly (1904) und die Freiheit in der Variation des David-Cronenberg-Films (1993) über Hwangs M. Butterfly gemein.
Zentral sind die Themen Projektion und Schein: Von D. H. Hwang u.a. in der Unkenntnis seines Helden verortet, dass seine Liebe zu einer Sängerin der Pekinger Oper eigentlich einem Mann gilt (darüber hinaus einem für China tätigen Spion; das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen ist darin Teilaspekt). Vor dem Hintergrund, dass Frauen in der sogenannten Peking-Oper von Männern gespielt werden, und der Kritik an Puccinis Oper, die im Kleid des Fernwehs abendländische Vorurteile repliziere (der Liebestod der orientalischen Frau als Projektion chauvinistischen Wunschdenkens westlicher Prägung), thematisiert Hwangs M.Butterfly sowohl weltpolitische Großmachtphantasien als auch Fragen der Geschlechteridentität. Kim Hankyul greift diese Motive auf, löst sie von den
narrativen Verbindlichkeiten des Theaters und überführt sie in ein Spiel der Anspielungen und freien Assoziationen und der Choreografie robotischer Bewegungsabläufe.
Die Spannung zwischen Authentizität und Fiktion im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen ist in ihrer/seiner „Inszenierung“ nicht minder spürbar und wird sowohl durch die kontrastreichen materiellen Begegnungen der Installation als auch durch das „Drama“, das
sich im Raum entfaltet, untermauert: Drähte und Kabel verbinden Skulpturen aus Glas, aus Holz und Metall mit Lautsprechern
und einem lauten Stromgenerator. Einige der Skulpturen sind mit unspezifischen „östlichen“ Symbolen verziert, Formen, die wie asiatische Schriftzeichen aussehen, aber nicht unbedingt etwas bedeuten. Einerseits wird hier Hankyuls Spiel mit Klischees über den Osten deutlich, andererseits erinnert der Künstler daran, wie westliche Erwartungen an das Asiatisch-Sein auch die Selbstinszenierung der südostasiatischen Diaspora prägen. Hankyul inszeniert den Blick auf „den Anderen“ als konstruierende Kraft.
Anders als Spielformen des mechanischen Theaters nach Art des Bauhauses oder der Futuristen, die mit der Guckkastenbühne das Gegenüber der Vor-Stellung beibehielten, sind in Kim Hankyuls M-Butterfly-Inszenierung zuletzt doch menschliche Akteure
engagiert. All jene – wir –, die (wir) uns als das vermeintliche Publikum dazwischen bewegen und als einen systemischen Teil des Geschehens erfahren.
ESC MEDIEN KUNST LABOR
Bürgergasse 5, 8010 Graz
Österreich
bis 17. Jänner 2025