Kazuko Miyamoto im Belvedere 21

Erst seit wenigen Jahren ist man auf die 1942 in Tokio geborene und mit 22 Jahren nach New York ausgewanderte Künstlerin Kazuko Miyamoto aufmerksam geworden. Eva Fabbris, Kuratorin und Direktorin des MADRE in Neapel, widmete ihr die erste umfassende institutionelle Retrospektive, die nun nach ihrem Konzept im Belvedere 21 mit der Unterstützung des Teams neu aufgestellt wird.
Kazuko (so signiert sie ihre Werke) genoss eine traditionelle japanische Erziehung, die auch traditionellen japanischen Tanz und das Nähen von Kimonos beinhaltet, und studierte Kunst. Sie kam 1964 nach New York, um ihr Studium der Malerei fortzusetzen, begegnete dort 1968 Sol LeWitt und wurde seine erste Assistentin und Produzentin. Unter den Eindrücken der pulsierenden Kunstszene entwickelte Kazuko einen eigenständigen Weg des Minimalismus, der es verdient, in den Kanon der Kunstgeschichte aufgenommen zu werden. Und doch bleibt sie in all den Metamorphosen ihres Werks der kulturellen Tradition Japans verbunden, die ja selbst puristisch reduziert dem westlichen Minimalismus formal nahe ist.
Im Speisezimmer Sol LeWitts schuf sie 1972 ihre erste „String Construction“, eine Verspannung von parallel laufenden schwarzen Baumwollfäden zwischen unzähligen kleinen Nägeln an der Wand. Sie fertigte diese charakteristischen Installationen bis in die 2010er-Jahre. Zunächst orientierten sich die Fadenkonstruktionen noch an den Eckpunkten der Ziegelsteine, doch zunehmend überwanden sie den Rapport der Wand, um sich in freien kompositorischen Rhythmen skulptural in den Raum hinein zu entfalten.
Faden für Faden baut sich eine schwer fassbare, vibrierende Körperlichkeit auf, die Kazuko auch für den performativen Dialog mit japanischem Tanz nutzt. Das händische Einschlagen der Nägel führt zu minimalen Abweichungen in den linearen Strukturen. Die puristische Durchlässigkeit und kaum sichtbare Ungleichmäßigkeiten der „String Constructions“ sowie die Wahl oft unscheinbarer Schauplätze für diese erinnern an die traditionelle japanische Ästhetik, an eine Weltanschauung, die auf der Akzeptanz von Vergänglichkeit und Unvollkommenheit beruht.

Kazuko Miyamoto inside Black Poppy, 1978, Installationsansicht A.I.R. Gallery, New York, Foto: Tom Flynn
In zwei Arbeiten durchwandert eine dem Atem der Künstlerin folgende Sinuskurve die präzise Regelmäßigkeit des Zirkelschlags, auf dem die Konstruktion aufbaut. So durchdringt das bewegte Kontinuum des eigenen Körpers die Starrheit der Geometrie und unterhöhlt das rigide Regelwerk des Minimalismus.
Seit 1980 schafft Kazuko aus eingedrehtem Papier und Zweigen große Nester und Strickleitern, die sie auch im Freien als brückenartige Verbindungen zwischen Baumkronen anbringt – auch wenn sie sich nicht als spirituelle Person empfindet, birgt ihr Werk die Tradition des Shintoismus. Sie fertigt Kimonos, die sie manchmal bedruckt, auch überdimensional groß oder aus Papier, und nutzt ihre Werke für Tanz und Performance. Im Zentrum steht stets der Körper.

Ausstellungsansicht, Kazuko Miyamoto, Belvedere 21, Foto: kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez / Belvedere, Wien
Kazuko ist Aktivistin und Feministin und politisch engagiert. 1986 gründete sie die Gallery „Onetwentyeight“, um neu immigrierten Künstler:innen einen Präsentationsraum zu bieten. Sie sucht Wege der Verbindung und Kommunikation unterschiedlicher Kulturen. Regelmäßig besucht sie ihre alte Heimat Japan und durchwandert New York mit sensitivem Blick, sie sieht sich selbst als Teil beider Welten.
Die Künstlerin hat nicht nur kulturelle Brücken errichtet, sie hat auch mit tänzerischer Nonchalance die männlich dominierte Minimal Art subtil und subversiv unterlaufen und eine eigene poetische Sprache geschaffen.

Ausstellungsansicht, Kazuko Miyamoto, Belvedere 21, Foto: kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez / Belvedere, Wien
Belvedere 21
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