Große Empfehlung: Rochelle Feinstein

Rochelle Feinstein, Zeit im Bild, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Mit souveräner Leichtigkeit und scheinbarer Beiläufigkeit vermag Rochelle Feinstein mit ihrer abstrakten Malerei den Hauptsaal der Secession in Schwingung zu versetzen.


 

Tritt man an die Werke näher heran, wird man gewahr, dass es sich keineswegs um reine Malerei oder reine Abstraktion handelt. Die 1947 geborene New Yorker Künstlerin entwickelte in den letzten 40 Jahren eine künstlerische Praxis, die sich diverser künstlerischer Techniken und Medien bedient.

Rochelle Feinsteins Arbeiten durchlaufen einen Prozess, der Malerei, Fotografie, Scan, digitale Skalierung, Siebdruck, UV-Druck, Transformation durch künstliche Intelligenz und erneute Übermalung mit Pinsel oder Spray beinhalten kann. Sie fertigt großformatige Collagen und erzeugt ein Erscheinungsbild, das jedenfalls als malerisch zu bezeichnen ist.

Rochelle Feinstein bedient sich einer eigenartigen Aneignungsstrategie diverser Motivik oder Gestik großer Künstler des 20. Jahrhunderts, sie lässt deren Kunst im Hintergrund ihres eigenen Werks erahnen, ohne dass ein bestimmtes Werk bezeichnet werden könnte und schafft etwas spezifisches charakteristisches Neues.

In der Secession zeigt Rochelle Feinstein unter dem mehrdeutigen Ausstellungstitel „Zeit im Bild“ sehr aktuelle Arbeiten, nahezu alle Exponate sind 2024 entstanden. Farbe, Rhythmus und Bewegung bestimmen die Werke wie die Disposition derselben.

Rochelle Feinstein, Zeit im Bild, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Rochelle Feinstein, Zeit im Bild, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

 

Zentral im Raum ist die Bodenarbeit „Embedded“ platziert: Ein billiges quadratisches Tuch ist in Regenbogenfarben besprüht und in Kunstharz gegossen. Das minderwertige Material ist durch den teuren Guss kostbar und schwer handzuhaben geworden. Es ist eine ironische Anspielung auf die abstrakte Kunst in den USA wie auf die inzwischen durch Kommerzialisierung sinnentleerte Hülse der Regenbogenfarben.

Um dieses zentral ruhende Werk, das wie ein Anker für die übrigen Exponate fungiert, existiert ein Moment der Bewegung und Flüchtigkeit. Manche Arbeiten sind auf Rollwägen präsentiert, die wie temporär abgestellt erscheinen. Andere Arbeiten sind mit Nadeln an die Wand gepinnt und in Gruppen von einem Malerband eingefasst, das eine rahmende Funktion übernommen hat oder als kompositorisches Element wahrgenommen wird.

Rochelle Feinstein, Zeit im BIld, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Rochelle Feinstein, Zeit im BIld, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Die Werke sind laut Pressetext infiltriert von aktuellen Debatten um Politik und Gesellschaft, Kunst, Kommerz, Sex, Dummheit und Wahlkampf. Diese Bezüge sind oft schwer zu fassen und kaum zu dechiffrieren. Doch Methodik und Ausdrucksmittel verorten Rochelle Feinsteins Malereien klar im gegenwärtigen Kunstgeschehen. Ihre Auseinandersetzung mit den diversen Techniken und Ausdrucksmitteln der Zeit ist mit Sorgfalt durchdacht und mit einer Selbstverständlichkeit und Freiheit ausgespielt, man könnte meinen mit Willkür.

Sie setzt in ihren großen bildhaften Collagen die unterschiedlichen künstlerischen Techniken nebeneinander und übereinander. Malerei, transformierte Malerei, transformierter Siebdruck oder transformierte Fotografie überlagern sich in Fragmenten, eine Technik unterläuft die andere und Widersprüchlichkeiten tauchen auf.

Rochelle Feinstein, Tagged, 2019, Foto: Greg Carideo

Rochelle Feinstein, Tagged, 2019, Foto: Greg Carideo

In „Trauma Buddies, Orange“ wird ein Wischpapier, an dem ein Pinsel ausgewischt worden ist, bildwürdiges Motiv einer großformatigen Komposition: Der Pinselstrich ist fotografiert, gescannt, skaliert, in Siebdruck umgesetzt und in Reproduktionen nebeneinandergesetzt potenziert, in Wiederholungen, die dann doch keine Wiederholungen sind. Die Spontanität der großen Geste des Pinselstrichs ist entkräftet durch die Übersetzung in Siebdruck, seine zelebrierte Singularität zersetzt in der Wiederkehr wie in den Rasterungen des Druckverfahrens. Der intuitive Subjektivismus der großen Geste ist ausgehoben, an seine Stelle ist die Geste des Fragmentierens und Collagierens gesetzt.

Rochelle Feinstein ruft Heroen und Paradigmen der Kunstgeschichte auf, den genialischen Gestus des Pinselstrichs, die Farbfeldmalerei, den abstrakten Expressionismus. Unprätentiös parodiert sie das Pathos und den gewichtigen Ernst dieser meist männlichen Größen und deren Kunst, setzt sie in Szene und durchkreuzt humorvoll und subtil deren Strategie.

Rochelle Feinstein, Zeit im Bild, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Rochelle Feinstein, Zeit im Bild, Ausstelllungsansicht, Secession 2024, Foto: Oliver Ottenschläger

Secession

Friedrichstraße 12, 1010 Wien
Österreich

Zeit im Bild

Rochelle Feinstein

06.12.24 – 23.02.25