Gerhard Richter in Düsseldorf

Die Grundidee stammt aus den Zeiten der Pandemie: Da internationale Transporte blockiert waren und plötzlich der Begriff „Regionalität“ in aller Munde war, fragte der Direktor des Düsseldorfer Kunstpalasts, Felix Krämer, für eine geplante Gerhard-Richter-Ausstellung einfach bei rheinländischen Privatsammlungen um Leihgaben an. Der Response war überwältigend: Die Schau „Verborgene Schätze“ liefert einen ebenso informativen wie teilweise überraschenden Blick auf Richters Œuvre.
Mehr als 120 Arbeiten bekam der Kunstpalast für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt, die meisten stammen aus Privatsammlungen. Daher rührt auch der Titel der Ausstellung. Denn das Gros der ausgewählten Arbeiten ist zuvor selten oder noch gar nicht einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Kurator Markus Heinzelmann ist es mit dieser Präsentation gelungen, die umfassendste Gerhard-Richter-Ausstellung in Deutschland seit über zehn Jahren zusammenzustellen. Und das ohne ausufernde Transportkosten. Wobei die Versicherungskosten bestimmt massiv am Ausstellungsbudget geknabbert haben.
„Verborgene Schätze“ liefert einen nuancierten Einblick in das gesamte Spektrum des 1932 in Dresden geborenen Künstlers. Und dieses Spektrum manifestiert sich in Richters Fall bekanntermaßen auf unglaublich vielen Ebenen und Stilelementen. Richters fulminanter Tanz auf unterschiedlichen künstlerischen Hochzeiten verdeutlicht, warum er zu den prägendsten und erfolgreichsten Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts zählt.
Die Dramaturgie der Show beginnt bei den Anfängen in den frühen 1960er-Jahren und setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Das Rheinland ist ein Heimspiel für Gerhard Richter: Seit seinem Weggang aus Dresden im Jahr 1961 lebt er in dieser Region. Er hatte über 20 Jahre eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf und traf hier sowohl auf Gleichgesinnte wie Sigmar Polke als auch auf Vorbilder und Reibebäume wie Joseph Beuys. Aber nicht nur in Künstlerzirkeln ging er hier ein und aus. Auch die immens starke Sammlerklientel der Region, die sich rund um die avantgardistischen, jungen Galerien in Köln und Düsseldorf etabliert hat, begann sich früh für sein Werk zu interessieren und es zu erwerben.

Gerhard, Richter, 7. März 2009, 2009, Öl auf Fotografie, 166 x 126 cm, © by the artist 2024, Foto: Tino Kukulies
Markus Heinzelmann ist es hoch anzurechnen, dass er nicht der Versuchung erlegen ist, einzelne charakteristische Werkserien des Künstlers gemeinsam zu präsentieren, sondern tatsächlich der Datierung gefolgt ist. Diese Reihenfolge ermöglicht den Besucher:innen, nachzuvollziehen, dass sich Richter nicht solitär einem Zyklus verschrieben, sondern immer gleichzeitig an der Entwicklung unterschiedlicher Stilrichtungen „geprobt“ hat. Er musste nicht unmittelbar nach einer beendeten Serie quasi jungfräulich mit einer neuen beginnen. Eine Wand mit Kleinformaten in Petersburger Hängung kurz nach dem Entrée macht deutlich, dass er sich immer wieder und oft gleichzeitig in neuen malerischen Ausdruckformen versucht hat. Manches wurde erst Jahre später für ihn tatsächlich relevant.
Wie kaum ein anderer Künstler lotet er mit einer ihm eigenen Chuzpe die Grenzen der Malerei aus. Während viele bei der ihnen eigenen, originären Stilistik verharren, marschiert Richter künstlerisch von fotorealistischer Malerei zu geometrischen Farbflächen oder -linien bis zu den opulent-abstrakten, poppigen Großformaten. Er hat mit seiner Malerei Standards gesetzt und durch das prominente Besetzen mannigfaltiger Stilrichtungen nicht wenigen Künstler:innen das Mäntelchen des Epigonalen umgehängt.
Die sehenswerte Ausstellung, die einen enormen Publikumsandrang verzeichnet, endet mit einer wunderbaren, fast liebevoll-ironischen Gegenüberstellung zweier vollkommen gegensätzlicher Richter’schen Werke: auf der einen Seite ein raumgreifendes, abstraktes Großformat und rechts daneben ein fotorealistisches Kleinformat eines Brei mampfenden Kleinkindes mit weit aufgerissenen Augen. Viele Besucher:innen können ob dieses dramaturgischen Dialogs ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Gerhard Richter, Abstraktes Bild, 1982, Öl auf Leinwand, 200 x 140 cm, Sammlung Stiftung, © by the artist 2024
Kunstpalast Düsseldorf
Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf
Deutschland
GERHARD RICHTER. VERBORGENE SCHÄTZE
WERKE AUS RHEINISCHEN PRIVATSAMMLUNGEN
bis 02.02.2025