Blind Date

Geometrisch-konstruktive Kunst im Museum Liaunig

Ausstellungsansicht "Blind Date", v.l.n.r. Bob Bonies, Roland Goeschl, Skulptur: Roland Goeschl, © alle Bildrecht Wien 2024, Foto: Museum Liaunig

Geometrisch-konstruktive Kunst steht im Zentrum der diesjährigen Hauptausstellung im Museum Liaunig. Werke der eigenen Sammlung treten in Dialog mit jenen der Münchner Sammlung Weishaupt.


 

Wie ein überdimensionales Teleskop schiebt sich der Ausstellungstrakt horizontal in die Hügellandschaft des unteren Drautals. Glasfronten an den beiden Enden geben den Blick in die Landschaft frei. Sonst lenkt nichts von der Kunst ab, die das Teleskop im Inneren fokussiert. Und selten wirkt diese Klarheit und Konzentration so stimmig wie bei der diesjährigen Hauptausstellung im Museum Liaunig: „Blind Date – Die Münchner Sammlung Maximilian und Agathe Weishaupt im Dialog mit der Sammlung Liaunig“. Wobei – ganz so „blind“ ist dieses Date nicht. „Die Schnittstelle ist der deutsche Bildhauer und Plastiker Robert Schad, der 2020 bei uns im Haus eine großartige Ausstellung in unserem Skulpturendepot gemacht hat“, verrät Peter Liaunig, Sohn des im Vorjahr verstorbenen Museumsgründers und selbst Kunstsammler.

Ausstellungsansicht "Blind Date", Esther Stocker, François Morellet, © Esther Stocker / François Morellet (Bildrecht, Wien 2024), Foto: Museum Liaunig

Ausstellungsansicht "Blind Date", Esther Stocker, François Morellet, © Esther Stocker / François Morellet (Bildrecht, Wien 2024), Foto: Museum Liaunig

 

Agathe Weishaupt, in deren Sammlung Schad bestens vertreten ist, ergänzt in einem im Katalog publizierten Interview: „Er erzählte so begeistert von dem Museum, dass ich zu seiner Ausstellungseröffnung nach Neuhaus fuhr.“ Bei dieser Gelegenheit entstand die Idee einer Ausstellung, die Positionen der beiden jeweils sehr klar profilierten Sammlungen gegenüberstellt. Für die beiden Kuratorinnen Alexandra Schantl und Franziska Straubinger war das Ausstellungskonzept rasch klar: „Die Werkauswahl erfolgte entlang der größten Schnittmenge beider Sammlungen nach thematischen Gesichtspunkten, die zugleich seit jeher zentrale Fragestellungen abstrakter Kunst darstellen, nämlich Farbe, Form, Licht, Raum sowie Material und deren facettenreiche Wechselwirkungen.“

Ausstellungsansicht "Blind Date", v.l.n.r. Bob Bonies, Roland Goeschl, Hildegard Joos, Günter Fruhtrunk, Skulptur: Roland Goeschl, © die Künstler und Bildrecht Wien, 2024, Foto: Museum Liaunig

Ausstellungsansicht "Blind Date", v.l.n.r. Bob Bonies, Roland Goeschl, Hildegard Joos, Günter Fruhtrunk, Skulptur: Roland Goeschl, © die Künstler und Bildrecht Wien, 2024, Foto: Museum Liaunig

 

Geometrisch-konstruktive Kunst bildet Schwerpunkte in beiden Kollektionen, die jedoch weit über die engere Definition hinausgehend gegenstandslose Positionen ab 1945 umfassen: Ausgehend von Josef Albers, generationen- und länderübergreifendend über Hildegard Joos, Morris Louis, Hans Bischoffshausen, Helga Philipp, François Morellet, Jakob Gasteiger oder Eva Schlegel bis zu Andreas Fogarasi, Raphaela Riepl oder dem 2018 verstorbenen Sammler und Künstler Maximilian Weishaupt. Seine raumgreifende Stahlskulptur „Scheibe“ schließt den Ausstellungsparcours auf der südseitigen Terrasse ab. Mit den in verschiedenen Konstellationen „aufgebätterten“ Kreissegmenten, die entfernt an Pflanzensamen erinnern, „bettet sich dieses Werk … in die Natur ein und trägt die Samen der Kunst vielleicht fort“, heißt es im Ausstellungskatalog.

Ausstellungsansicht "Blind Date", v.l.n.r. Inge Dick, Josef Adam Moser, Ulrich Erben, Josef Adam Moser, Barbara Höller, Inge Dick, © die Künstler:innen und Bildrecht Wien 2024, Foto: Museum Liaunig

Ausstellungsansicht "Blind Date", v.l.n.r. Inge Dick, Josef Adam Moser, Ulrich Erben, Josef Adam Moser, Barbara Höller, Inge Dick, © die Künstler:innen und Bildrecht Wien 2024, Foto: Museum Liaunig

 

Vor dieser Referenz an den Sammler, von dessen eigenem künstlerischem Schaffen kaum jemand wusste, eröffnen sich an und zwischen den Wänden der Ausstellungshalle immer wieder überraschende, aufschlussreiche und vielschichtige Gegenüberstellungen von puristischer Schönheit und Stimmigkeit: Konvergenzen und Divergenzen, einmal in klaren leuchtenden Farben, dann in purer Materialwirkung, meist in sparsamer Zurückhaltung der Mittel, immer mit beeindruckender Ausstrahlung. Da eröffnen sich farbliche Harmonien zwischen Skulpturen, Reliefs und Acrylbildern von Jorrit Tornquist, János Megyik, Oskar Putz, Peter Halley und Raimer Jochims, dort lässt eine Skulptur aus Vierkant-Stahlstäben von Robert Schad formale Parallelen mit einer Materialcollage von Michael Kienzer aufblitzen.

Hier scheint ein Farbreflex von Ben Muthofers „Formbild“ auf Josef Adam Mosers „Welle“ überzuspringen, schräg vis-à-vis vermeint man Strukturen von François Morellets Edelstahl-Dreh-Objekt „Sphère-trame“ in einem titellosen Acrylbild von Esther Stocker wiederzuwiederzuerkennen. Und die geometrisch reduzierten Objekte von Edgar Knoop, Annette Sauermann oder Hellmut Bruch scheinen ohndies wie für einander geschaffen.

Erst die Texte zu den im Katalog nach Kapiteln geordneten Werken geben über die oft beträchtlichen zeitlichen und räumlichen Distanzen der Entstehung Aufschluss. „Alles ist stets im Gespräch“, heißt es im Epilog, „auch weit voneinander positionierte Werke.“ Man hört es geradezu summen und schwingen in dieser exzellenten Ausstellung, die zu den gelungensten dieser Museumssaison gehört.

Ausstellungsansicht "Blind Date", Rupprecht Geiger, Franz Pichler, © alle Bildrecht Wien 2024, Foto: Museum Liaunig

Ausstellungsansicht "Blind Date", Rupprecht Geiger, Franz Pichler, © alle Bildrecht Wien 2024, Foto: Museum Liaunig

Museum Liaunig

Neuhaus 41, 9155 Neuhaus
Österreich

BLIND DATE

Die Sammlung Maximilian und Agathe Weishaupt im Dialog mit der Sammlung Liaunig

28. April - 31. Oktober 2024

Museum LiauniG.AT