Gallery Diary - Galerie Reinthaler | Veronika Suschnig

Noch bis 11. November 2022 ist die Ausstellung "Soft Skills" von Veronika Suschnig in der Galerie Reinthaler zu sehen.


Ein Netz vermag alles aufzufangen. Ein Zwischenraum, wie ein Filter, durch den die Gedanken nicht einfach durchrutschen, sondern sich darin verfangen, hängen und haften bleiben, ohne die freie Sicht auf das Davor und das Dahinter wegzunehmen. Das Netz als rhythmisches Moment des Innehaltens und als Organismus, der sich ausstreckt und alles verbindet.

Die Gaze ist ein Netzgewebe, flach gewebt aus Baumwolle. Zum Einsatz kommt sie zum Versorgen und Verbinden von Wunden, zum Polieren in Tiefdruckverfahren und im seit 2019 fortlaufenden Werkkomplex „Soft Skills“ von Veronika Suschnig. Hier befragt die Künstlerin nicht nur die Nähe- und Distanzverhältnisse, die die Covid-Pandemiejahre verschärft haben, sondern generelle zwischenmenschliche Verschiebungen im Kommunikationsverhalten. Der Duden definiert „Soft Skill“ als „Kompetenz im zwischenmenschlichen Bereich, Fähigkeit im Umgang mit anderen Menschen“. Diese Fähigkeiten werden aber immer dünner, beobachtet die Künstlerin, ganz so wie der scheinbare Faden, der die Formen der „Soft Skills“-Serie webt, lasierend und schemenhaft schimmert. Acrylbänder, die sich an den Stoff schmiegen, so wie der Stoff sich sonst über Wunden legt. Heilung und die Spuren der Wunden sind wiederholt Themen im Werk von Veronika Suschnig, das zu mehr Aufmerksamkeit im Nebeneinander und Miteinander animiert, das wird nicht nur in der Serie der „Soft Skills“ augenscheinlich, sondern auch in den „Pain Poems“ und „Pain Patterns“ – Notizen geklebt in Rosendornen – oder auch in den „Drugtales“, auf leeren Tablettenhüllen gezogene Versatzstücke aus Textfragmenten. “Turn soft and lovely anytime you have the chance”, heißt es bei Jenny Holzer1.

Veronika Suschnig, Soft Skills. Installation View, Galerie Reinthaler, 2022

Ein komplexer Arbeitsprozess verbirgt sich hinter den porös scheinenden Bildkörpern der „Soft Skills“. Tuschezeichnungen werden aus dem analogen in den digitalen Raum gespiegelt, dort durch Überlagerungen und Verschiebungen verfremdet, um dann wieder mittels Siebdruck auf den mit Gaze bespannten Keilrahmen zu finden, wo die Acrylfarbe pastös durch das Gitternetz des Stoffes gepresst wird und dabei eine unnachahmliche dreidimensionale Haptik entwickelt. Der Keilrahmen bleibt sichtbar, Vorder- und Hintergrund wechseln sich ab und lösen sich auf. Das dreidimensionale und raumgreifende Denken, welches in allen Werkserien Suschnigs wesentlich ist, ist auch aus der Beschäftigung mit Architektur entstanden. 1989 in Korneuburg bei Wien geboren, studierte Veronika Suschnig nicht nur Malerei an der Akademie der bildenden Künste Wien in der Klasse von Daniel Richter, sondern schloss auch ein Architekturstudium ab. Aktuell ist die Künstlerin – nach einer kurzen Lehre bei Heimo Zobernig – in der Bildhauerklasse von Nora Schultz eingeschrieben, wo sich ihr persönliches Interesse von „skulpturalen Tafelbildern“ noch weiter zur Rauminstallation ausgedehnt.

Veronika Suschnig, Soft Skills. Installation View, Galerie Reinthaler, 2022

So erobert Suschnig auch den Galerieraum ganzheitlich und zieht eine Zimmerstruktur, komponiert aus einem Bodenaufbau und fensterartigen Bildwerken, in ihre erste Einzelausstellung bei Agnes Reinthaler ein. Es entsteht ein dialogisches Wechselspiel aus Raumskulpturen und Bildobjekten – hier im Raum sowie im ganzen Denken von Veronika Suschnig ist Kommunikation essenziell. Rund um die Digitalisierung befragt sie den langsamen Verlust der Körpersprache und animiert einen Austausch auch auf dieser Ebene – denn Veronika Suschnigs Arbeiten versteht man am besten in der Bewegung um sie herum.

Galerie Reinthaler

Gumpendorfer Straße 53, 1060 Wien
Österreich