Filigrane Verästelungen

Galerie Sturm & Schober: Gabriela Oberkofler

Gabriela Oberkofler, Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein., Ausstellungsansicht Galerie Sturm & Schober 2025, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Helmut Spudich

Feine, kleinteilige Zeichnungen sind das Markenzeichen von Gabriela Oberkofler. Ihr Œuvre ist dabei geprägt von Bezügen zur Natur, zum ländlichen Raum oder zu Tieren. Was an der Oberfläche leicht und verspielt wirkt, hat einen bitteren Beigeschmack: die Tiere sind hinter Zäunen, die Pflanzen vom Aussterben bedroht und der romantische Blick aufs Land hat auch seine Grenzen. In der großformatigen zweiteiligen Tuschezeichnung „Vibrations“ (2024) wird eine ähnliche Erwartung auch in dieser Ausstellung in Wien enttäuscht. Darauf sehen wir zwei Äste: einer erblüht, der andere bleibt karg. Zwischen saftig grüne Blätter und unterschiedliche Blütenstände mischen sich nun Totenköpfe und Gerippe.

Das Auftauchen des Menschlichen wird in meiner zukünftigen Arbeit stärker sein, diese Körperlichkeit kündigt sich in den Zeichnungen schon an.

Gabriela Oberkofler

Immer wieder verbanden sich verschiedene Pflanzen in Oberkoflers Arbeiten und tauchten als „Hybride“ – eine Werkserie von 2017 – auf. Nun überschreiten die Zeichnungen sogar Gattungsgrenzen. Es wachsen plötzlich zwei „Finger“ (2024) in der gleichnamigen Arbeit aus einer Verästelung an Blüten, Blättern, Farnen und Insekten. Sie sind im typisch filigranen Stil der Künstlerin zusammengesetzt. Die kleinen aquarellierten Striche und Punkte ergeben ein Ganzes, das sich wie eine Girlande über das Blatt zieht. Die beiden menschlichen Finger stechen aus diesem Bild heraus. Zwar sind sie mit Pink in die Welt der Flora und Fauna eingebunden, eine Linie als Kontur hebt sie jedoch vom Rest ab. Damit ähneln sie den oben erwähnten Schädeln, die sich integrieren, aber erst ihren Weg in diese Welt finden müssen.

Radikal sei dieser Wechsel dennoch nicht, so die Künstlerin im Gespräch mit PARNASS: „Vielmehr steckt dahinter der Gedanke, dass sich Blätter, Blüten, Wurzeln, Moose oder Erde mehr mit dem Körper verbinden. Das Auftauchen des Menschlichen wird in meiner zukünftigen Arbeit stärker sein, diese Körperlichkeit kündigt sich in den Zeichnungen schon an.“

 Gabriela Oberkofler, Karpfen, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Frank Kleinbach

Gabriela Oberkofler, Karpfen, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Frank Kleinbach

 

Solche Fragen der Symbiose von Mensch und Natur beschäftigen Gabriela Oberkofler schon seit Langem. Wie die komplexen Zusammenhänge, die sie reflektiert, führen wir als Betrachter:innen die einzelnen Striche, Punkte und Bildelemente zusammen. 

Schritt für Schritt führen die Werke aus der Serie „Verkettungen“ das vor. Sie widmen sich je einer Spezies, die sich mit dem Rest der gezeichneten Natur verbindet. Während die „Karpfen“ oder „Seepferdchen“ sehr eigenständig im Bildraum stehen, wachsen in „Mensch“ (alle 2024) weibliche und männliche Geschlechtsteile in eine gelb blühende Formation.

 Gabriela Oberkofler, Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein., Ausstellungsansicht Galerie Sturm & Schober 2025, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Helmut Spudich

Gabriela Oberkofler, Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein., Ausstellungsansicht Galerie Sturm & Schober 2025, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Helmut Spudich

„Together“ (2025) ergänzt an zwei von der Decke abgehängten Ästen nicht nur – selbstverständlich aus Holz geschnitzte – menschliche Brüste und Blüten, sondern genauso Pilze, Kastanienschalen oder Topfpflanzen. Die Ausstellung deutet vieles an, etwa Formen von Wachstum sowie Ideen von Natürlichkeit oder Nutzen. Es beruhigt, mit welcher Leichtigkeit sich diese widersprüchlichen Gedanken in Zeichnungen einfügen, die vorderhand Natur abbilden – und damit einen reicheren Begriff dieser schaffen, der sie jenseits von Reinheit mit menschlichen und nicht-menschlichen Eingriffen porträtiert.

Am Ende verbindet sich im poetischen Titel der Ausstellung, „Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein.“, sogar das Leben einer Zimmerpflanze mit Fragen des Klimawandels. Eine persönliche Geschichte von Gabriela Oberkofler führte dazu: „Meine Mitbewohnerin hatte ein Zitronenbäumchen, vermutlich mit Läusen, die Löcher in die Blätter fraßen, und hat es deshalb aussortiert. Ich habe es wieder in die Wohnung geholt. Der Baum erholte sich und wächst heute wunderschön! Beim Zeichnen wurde er zu einem weinenden Baum – vielleicht weil die Pflanzen heute wieder weinen, wenn sie so wenig Regenwasser bekommen?“

Gabriela Oberkofler, Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein., Ausstellungsansicht Galerie Sturm & Schober 2025, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Helmut Spudich

Gabriela Oberkofler, Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher. Es regnet rein., Ausstellungsansicht Galerie Sturm & Schober 2025, Courtesy of Galerie Sturm & Schober, Foto: Helmut Spudich

Galerie Sturm & Schober

Kohlmarkt 9/2/5, 1010 Wien
Österreich

Gabriela Oberkofler.
Die Blätter des Zitronenbaums haben kleine Löcher.
Es regnet rein.

bis  08.05.2025