Franz West: Gegen den Strom

Ausstellungsansichten, Franz West, Die frühen Werke, Galerie Eva Presenhuber, Maag Areal, Zurich, 2025, © Archiv Franz West © Estate Franz West, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna, Foto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

Die renommierte Zürcher Galerie Eva Presenhuber zeigt eine einmalige Schau früher Werke von Franz West, einem der bedeutendsten österreichischen Kunstschaffenden.


 

 

Eva Presenhuber, die Zürcher Galeristin mit Wiener Wurzeln, führt den österreichischen Künstler Franz West (1947-2012 Wien A) seit 1993 im Galerieprogramm. Es ist die zwölfte Ausstellung, die sie West widmet. Die Besucher erhalten einen einzigartigen Einblick in dessen Frühwerk von 1975 bis 1990: Peter Pakesch, der bekannte österreichischen Kurator und grossen Kenner sowie Förderer von West, hat die Schau gestaltet. Unter den über 70 Ausstellungsobjekten befinden sich auch Leihgaben aus Privatsammlungen. Zu entdecken sind die frühen Collagen, Plakatentwürfe für eigene Ausstellungen, eine grosse Auswahl von den bekannten «Passstücken», Werke aus Kollaborationen mit anderen Kunstschaffenden, Fotodokumentationen, Möbelstücke sowie zwei Filme. Sie alle zeigen exemplarisch Wests Schaffensweise und deren Ideenwelt.

Ausstellungsansichten, Franz West, Die frühen Werke, Galerie Eva Presenhuber, Maag Areal, Zurich, 2025, © Archiv Franz West © Estate Franz West, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna, Foto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

Ausstellungsansichten, Franz West, Die frühen Werke, Galerie Eva Presenhuber, Maag Areal, Zurich, 2025, © Archiv Franz West © Estate Franz West, Courtesy the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna, Foto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

Interaktive Kunst

Zeitlebens blieb West in der Wiener Kunstszene ein Aussenseiter. Seine Kunst schwamm gegen die ihn umgebenden Strömungen: Weder ästhetisch noch inhaltlich schloss er sich einer künstlerischen Bewegung an. Für West war ab den 1980er Jahren eine Ausstellung seiner Kunst ein lebendiges Erlebnis: Sein Werk wurde interaktiv. Die gezeigten «Passstücke», sind Kunstobjekte, die für das Tragen am menschlichen Körper gedacht sind und so auch in der Ausstellung benutzt werden sollten. Dadurch erweiterte West den Skulpturbegriff: Seine «Passstücke» waren erst mit dem Betrachter zusammen ein Werk, das dieser im Sinne eines Autotheaters in der Ausstellung an sich selbst vorführte. Dabei interessierten den Künstler die daraus entstandene neue Wahrnehmung des eigenen Körpers wie auch seiner «körperbetonten» Kunst.

Kollaborationen

Eine weitere semantische Verschiebung findet beim Umgang mit Skulptur und Sockel statt, wie das die gezeigten vier Skulpturen auf und unter dem Sockel zeigen, die 1988 in Kollaboration mit den Künstlern Heimo Zobernig, Herbert Brandl und Otto Zitko entstanden. Die Bedeutung der Kollaboration ist denn auch zentral bei West: Er arbeitete sowohl mit anderen Kunstschaffenden wie auch mit seinem Publikum aktiv zusammen - Kunst soll auch körperlich gefühlt und haptisch erlebt werden und kann sich alltäglicher Gegenstände bedienen. Davon zeugen die zahlreichen entworfenen Stühle, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind. Die beiden gezeigten Filme zeigen West an der Arbeit und in Aktion: Kunst war für ihn eine ernsthafte Angelegenheit aber zugleich so alltäglich, dass er mit einer Hand den Pinsel hielt, mit dem er seine Skulptur bemalte und mit der anderen Hand das Telefon, auf dem er eine SMS tippte. Der künstlerische Alltag eben. 

Franz West, Ohne Titel (bemalt von Herbert Brandl), 1988, Papier-mâché, painted Sculpture 44 x 37 x 40 cm, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna© Archiv Franz West © Estate Franz WestPhoto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

 

Franz West, Ohne Titel (bemalt von Herbert Brandl), 1988, Papier-mâché, painted Sculpture 44 x 37 x 40 cm, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zurich / Vienna© Archiv Franz West © Estate Franz WestPhoto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

Für West spielte Musik eine wichtige Rolle, wie das seine Kollaborationen mit Musikern wie Philipp Quehenberger und Ron Pisarkiewicz an den Tag legen. Die in einer Glasvitrine gezeigte Fotodokumentation der Kunststudenten der «Schule für künstlerische Photographie Wien», zu den Passobjekten gibt einen Einblick, wie Wests Kunst in den 1990er Jahren aufgenommen und rezipiert wurde

 

 

 

Denken in Möglichkeiten

Sehr belesen war West in Philosophie und Literatur. Er stand auch im Austausch mit der Wiener Gruppe. Sprache spielt formal und inhaltlich denn auch eine wichtige Rolle in seiner Kunst, wie das seine Skulptur «Kollega» von 1988 zeigt. Unter anderem waren es Humes Gedanken zur Wichtigkeit der Zufälle und Zufallsreihen, die ihn beschäftigten. Auch Wittgensteins Idee: «Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein», begleitet West in seinem künstlerischen Schaffen zeitlebens. Das Denken in Möglichkeiten war seine Realität. Auch auf Freuds Theorien nahm er Rückgriff: West fand, dass seine Werke zum künstlerischen Objekt gewordene Neurosen der Gesellschaft verkörperten. Auf breiter Lektüre gegründet, haben seine Werke viel gedanklichen Tiefgang. West wandelt die Essenz seiner Lektüre in seine ureigene Bild- und Formsprache, die revolutionär in ihrer Nonkonformität ist. Sein Auftreten hingegen war angenehm unaufgeregt, seine künstlerische Nachricht aber umso revolutionärer. Davon zeugt auch der Goldene Löwe, mit dem er in 2011 für sein Lebenswerk an der 54. Biennale von Venedig geehrt wurde.

Franz West, Kollega, 1988, Papier-mâché, Farbe, artist pedestal, Objekt, 60 x 74 x 26 cm © Archiv Franz West © Estate Franz West, Foto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

 

Franz West, Kollega, 1988, Papier-mâché, Farbe, artist pedestal, Objekt, 60 x 74 x 26 cm © Archiv Franz West © Estate Franz West, Foto: Stefan Altenburger Photography, Zürich

Galerie Eva Presenhuber

Zahnradstrasse 21, 8005 Zürich
Schweiz

Franz West

Die frühen Werke

bis 3. Oktober 2025