Francesca Woodman: Poetin & Ausnahmefotografin

Francesca Woodman, Self portrait talking to vince, Providence, Rhode Island, 1977/1999, 12,8 x 12,8 cm, Sammlung Verbund, Wien © 2025, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Die poetische Weiblichkeit in den Fotografien Francesca Woodmans bleibt auch vier Jahrzehnte nach ihrem Tod visionär und einzigartig. Die Albertina zeigt das in nur neun Jahren entstandene Werk in einer Kooperation mit der Sammlung VERBUND.


Zu fotografieren beginnt Francesca Woodman schon früh; konsequenterweise öffnet die Schau mit ihrem „Self Portrait at Thirteen“ aus dem Jahr 1972, in dem sich eine, für das Alter unglaubliche Reife und Kompositionslust zeigt. Diese große Sensibilität wird von ihren Künstlereltern von Anfang an gefördert. Gabriele Schor, Gründungsdirektorin der Sammlung Verbund, erzählt, dass Woodman schon als Kind zeichnend vor Werken Michelangelos saß. Die Familie verbrachte viel Zeit in Italien; die Liebe zur Italianità schlug sich auch im Vornamen der Tochter – Francesca – nieder. Aber Woodmans Ansatz geht weit über das bloße Kopieren hinaus: „Sie gehört zu den Meisterinnen ihres Genres“, bekräftigt Schor.

Bereits während des Studiums an der Rhode Island School of Design in Providence organisiert sie sich ein eigenes Atelier. In der abbruchsreifen Fabrik entstehen ikonische Fotos wie jene, in denen Woodman hinter einer zerrissenen Tapete zu verschwinden scheint – damals war sie noch keine 20 Jahre alt. So faszinierend diese meist kleinen, quadratischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen auch sind, will Schor sie doch mit Vorsicht genossen wissen. Denn zu oft dränge sich in die Interpretation des Werkes das Wissen um den Suizid der 22-Jährigen. „Die Lesart, dass Fotografien wie diese angeblich ihren Selbstmord vorwegnehmen, halte ich für problematisch und für die Rezeption dieses großartigen Werkes für hinderlich.“

Francesca Woodman, Polka Dots, Providence, Rhode Island, 1976/2000, 13,1 x 13,2 cm, Schwarz-Weiß-Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Sammlung Verbund, Wien © 2024, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Francesca Woodman, Polka Dots, Providence, Rhode Island, 1976/2000, 13,1 x 13,2 cm, Schwarz-Weiß-Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Sammlung Verbund, Wien © 2024, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Sie verfügte über eine außerordentliche schöpferische visuelle Kraft schon in jungen Jahren.

Gabriele Schor

Woodman inszeniert sensibel den weiblichen Körper im Raum, getragen von der Neugier auf das weibliche Selbst. Oft zeigt sie sich dabei nackt, jedoch nicht als Akt des Protests oder der Provokation. Schor: „Feminismus hat in der bildenden Kunst vielfältige Ausdrucksformen, die poetisch-performative Qualität finden wir bei vielen Künstlerinnen, so auch bei Francesca Woodman.“ Deren Weg in die feministische Avantgarde speist sich aus ihrer Liebe zu Literatur und Poesie. So erklärt Schor das Zeitlose von Woodmans Werk neben der perfekten Komposition auch mit dessen Literarizität.

Francesca Woodman, Face, 1975/1976, Sammlung Verbund, Wien © 2024, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Francesca Woodman, Face, 1975/1976, Sammlung Verbund, Wien © 2024, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Die Künstlerin liest viel, besucht poetry classes und schreibt Tagebuch. Daraus schöpft sie ihre Bilder im Kopf, die sie mit ihrer Mittelformatkamera umsetzt. Wie sehr sie in poetischen Bildern denkt, zeigt etwa ihr Satz „Ich habe eine Menge Ideen am Feuer, muss nur zu arbeiten anfangen, bevor sie in der Pfanne ankleben“, den Woodman in einem Notizbuch notiert. Mit geringen Mitteln einen subtilen, persönlichen Effekt erzielen: Das gilt auch für ihre Fotografie, in der sie mit wenigen Accessoires und einer schlichten Pose eine Geschichte zu erzählen vermag. „Man spürt nicht, wie sehr ihre Aufnahme inszeniert ist, aber man spürt, dass die Szene stimmig und überraschend zugleich ist“, erklärt Schor. Immer schwinge mehr mit, als das Auge erfassen könne. Erst bei genauerem Hinsehen offenbare sich die Genauigkeit der Komposition, die ihr Werk einzigartig mache.

Die formalen Strategien, die sie dafür verwendet, und die Requisiten, auf die sie dabei zurückgreift, sind Aspekte, die die Schau anhand der 81 ausgestellten Aufnahmen in den Vordergrund rücken will. So etwa auf einem unbetitelten Foto von 1979: Woodman steht mit hinten offenem Kleid vor einer bröckelnden Wand; auf ihrem nackten Rücken liegt ein ausgelöstes Fischskelett – eine Anspielung auf die Form des menschlichen Rückgrats. Eine Struktur, die sich in dem Muster ihres Kleides und der Wand wiederholt.

„Die Metaphorik ihrer Requisiten ist faszinierend. Woodman zeigt, wie Formen von Gegenständen und menschlichen Körper einander entsprechen können, sie kreiert formale Relationen, die wir nie miteinander verbinden würden!“, begeistert sich Schor.
Nicht umsonst ist Woodman heute eine große Inspiration für zeitgenössische Künstler:innen. Das Echo ihres Werks sei groß; schon allein deshalb solle man es nicht über die kurze Zeit definieren, in der es entstanden sei, so Schor. „Sie verfügte über eine außerordentliche schöpferische visuelle Kraft schon in jungen Jahren. Sie war ein Genie, und wir zeigen ihr Frühwerk.“

Francesca Woodman, Self Deceit #1, Rome, Italy, 1978/1979, 9 x 9 cm, Schwarz-Weiß-Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Sammlung Verbund, Wien © 2025, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

Francesca Woodman, Self Deceit #1, Rome, Italy, 1978/1979, 9 x 9 cm, Schwarz-Weiß-Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Sammlung Verbund, Wien © 2025, Woodman Family Foundation / Bildrecht, Wien

 

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Österreich

FRANCESCA WOODMAN

Werke der SAMMLUNG VERBUND, Wien

bis 06.07.2025

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