Ewiger Frühling in Belgien

Diesen Winter verkürzt das Museum Hof van Busleyden im belgischen Mechelen die Wartezeit auf den Frühling. Imposante Tapisserien erwecken die Pracht üppiger Renaissancegärten wieder zum Leben.
Der französische Kardinal und Politiker Antoine Perrenot de Granvelle (1517–1586), der im Dienst der Habsburger stand, spielte nicht nur als Minister eine wichtige Rolle in den Spanischen Niederlanden – er war auch ein bedeutender Kunstsammler. „Seine Sammlung gilt als eine der größten und vielfältigsten des 16. Jahrhunderts,“ betont Kuratorin Carlotta Striolo. „Viele Werke in seiner Sammlung haben zudem einen Bezug zu Gärten und zur Natur. Eine der schönsten und eindrucksvollsten künstlerischen Darstellungen von Renaissancegärten ist diese besondere Serie von Wandteppichen.
Macht über die Natur war damals gleichbedeutend mit Macht über die Welt selbst.

Ausstellungsansicht Eternal Spring, © Sophie Nuytten - Museum Hof van Busleyden
Von Wien nach Belgien
Die Tapisserien wurden in einer Brüsseler Werkstatt für den Kardinal gewebt. Nach fast fünf Jahrhunderten sind sie nun endlich wieder vereint.“ Denn die Tapisserien, die einst Granvelles Palast schmückten und die Ideale der Renaissance symbolisierten, sind heute Teil der Sammlung des Kunsthistorischen Museums Wien. Für die Ausstellung „Eternal Spring“ wurden sie jedoch nach Mechelen zurückgebrach, wo sie mit „Der Schlacht von Tunis“ vereint sind, einem weiteren Höhepunkt aus Granvelles Sammlung, der den Feldzug Karls V. gegen die Osmanen darstellt.
„Zusammen mit der international renommierten Szenografin Aslı Çiçek haben wir die Ausstellung so konzipiert, dass man als Besucher:in sozusagen in der Mitte des Raumes von den Tapisserien umgeben ist. Auf einem zusätzlichen Bildschirm haben wir die ursprüngliche Hängung der Serie digital rekonstruiert. Dabei hat sich gezeigt, dass Tapisserien als eine Art Gesamtkunstwerk konzipiert waren.“

Ausstellungsansicht Eternal Spring, © Sophie Nuytten - Museum Hof van Busleyden
Mit ihren farbenfrohen Textilfasern erwecken die imposanten geknüpften Kunstwerke nicht nur die üppigen Gartenansichten von damals zum Leben – die Natur-Szenen hingen in Granvelles Palast gegenüber einer breiten Fensterfront, die einen Blick in den „echten“ Garten des Kardinals freigab, erklärt Carlotta Striolo:
„Die gesamte Renaissance war geprägt von einem Zusammenspiel zwischen Menschheit und Natur. Die Tapisserien-Serie des Kardinals feiert diese Beziehung zwischen Drinnen und Draußen, zwischen gewobener und gewachsener Natur auf eine komplexe Art und Weise. Denn auch der Palastgarten ist keine gewachsene Natur, er wurde vom Menschen geschaffen und geformt. So entstehen drei verschiedenen Natürlichkeiten – die wilde, ungezähmte Natur, jene vom Menschen geschaffene und – mit den Tapisserien – eine dritte, die weder reines Kunstwerk noch reale Gartenarchitektur ist.“

Maarten de Vos, De Overvloed, © Real Academia de Bellas Artes de San Fernando
Machtsymbole und Naturverehrung
Dank ihrer monumentalen Ausmaße, der Verwendung kostbarer Materialien wie Gold und Seide sowie dem beispiellosen Wissen und Können der Werkstätten waren Wandteppiche das ideale Medium, um die überwältigende Pracht der aufkeimenden Natur darzustellen.
Parallel dazu wurde innerhalb der Mauern des Palastgartens das Wunder Natur auf geordnete und harmonische Weise neu komponiert. Geometrische Formen, die in der wilden Natur nicht vorkommen, sind ein eindeutiger Beweis für die Herrschaft der Menschheit über die Wildnis. „Diese kunstvoll gestalteten Gärten symbolisierten daher auch die Macht und Kontrolle über die Elemente. Macht über die Natur war damals gleichbedeutend mit Macht über die Welt selbst", sagt Kuratorin Carlotta Striolo. „Viele Gärten der Renaissance wurden daher auf Hügeln oder landschaftlichen Erhebungen angelegt. Der Blick von oben auf die darunterliegende Stadt spiegelte die kosmische Ordnung bzw. das Machtgefälle wider.“
Das erklärt auch die exotischen Tiere, die im Zentrum aller Tapisserien in der Mechelener Ausstellung zu finden sind – neben Raubkatzen gluckern da sogar zwei Truthähne im Garten des Kardinals. „Zur Zeit Granvelles galten diese als Rarität in Europa. Es gibt auch Quellen, die belegen, dass die Truthähne dem Kardinal oft ausgebüxt sind. Großangelegte Suchaktionen haben sie dann zurück in den Palast gebracht.“

Willem de Pannemaker, Kariatiden hal met luipaard en vogels op voorgrond, © KHM-Museumsverband
Ausgehend von diesen beeindruckenden Wandteppichen und der ebenso farbenfrohen Figur ihres Mäzens Antoine Perrenot de Granvelle erforscht die Ausstellung „Ewiger Frühling“ die Interaktion zwischen Natur und Kunst. Gemälde und Skulpturen bis hin zu Büchern und Naturalien (viele davon aus der Kunstsammlung des Kardinals) erweitern die Ausstellung zusätzlich und bieten einen umfassenden Einblick in die künstlerische Landschaft der Renaissance. Bis sich die prachtvollen Tapisserien zum Dialog mit den Außenanlagen des Museums einladen, wo bald die ersten Blumen des Frühlings erblühen werden.
Kuratorin Carlotta Striolo stellt dazu treffend fest: „Die Schönheit eines Gartens ist vergänglich und unterliegt saisonalen Veränderungen. Deshalb strebten die Künstler der Renaissance danach, die Natur in ihren Werken festzuhalten. Und das Ergebnis ist nach wie vor aktuell, zeigt es doch einen ewigen Frühling der Kreativität und Reflexion in unserer sich ständig verändernden Welt."

Ausstellungsansicht Eternal Spring, © Sophie Nuytten - Museum Hof van Busleyden
Museum Hof van Busleyden
Frederik de Merodestraat 65, 2800 Mechelen
Belgien
Eternal Spring. GARDENS AND TAPESTRIES IN THE RENAISSANCE
14.12.2024 – 16.03.2025