DIE WELT ZU GAST IN MÜNCHEN
„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ – das Zitat des Kunstkritikers Ludwig Hevesi steht nicht nur über dem Eingang des Wiener Secessionsgebäudes, es ist das zentrale Motto der künstlerischen Avantgarden um 1900 und bildete die Basis der Secessionsgründungen im Fin de siècle. Den Beginn machte 1982 die Münchner Secession, die damit auch Vorbildwirkung für Wien (gegründet 1897) und Berlin (gegründet 1898) hatte.
Wenngleich die Secessionen und ihre Protagonist:innen unterschiedlich waren, so verfolgten sie dennoch dieselben Ziele: eine Abkehr vom etablierten Kunstkonservativismus und der Normiertheit akademischer Kunstauffassung. Ihre neue Form der Ausstellungen, die internationale Vernetzung und der Austausch unter den Künstler:innen prägten die Kunst dieser Zeit. 25 Jahre Mandarin Oriental in München und die 5-jährigen Kunstkooperation mit Sonja Lechner (Kunstkonnex Art Consult) war Anlass der Ausstellung „Die Welt zu Gast in München – Meisterwerke des Fin de siècle“, die einen Einblick in das heterogene Kunstschaffen der damaligen Avantgarde gibt.
Kuratiert wurde die Schau, die in der Lobby des Hotels besichtigt werden kann und am 1. April von General Manager Marc Epper eröffnet wurde, von den Kunsthistoriker:innen Sonja Lechner und Alexander Kunkel von Kunkel Fine Art. Sie zeigt anschaulich, dass es keinen einheitlichen Secessionsstil gegeben hat, sondern die Vielfalt der künstlerischen Formensprache das eigentliche Charakteristikum war. In ihren Eröffnungsreden betonten Lechner und Kunkel auch die Bedeutung der Secession für die nachfolgende Generation. Auch der heutige Albertina-Direktor Ralph Gleis, der 2023/24 gemeinsam mit Ursula Storch die in Berlin und Wien gezeigten Schau „Secessionen“ kuratierte, betonte diesen Aspekt: „Denn entgegen der enormen Bedeutung, die den Secessionen jeweils beigemessen wurde, seien bisher die übergeordneten Ziele und die Wirkung auf die Kunstentwicklung insgesamt vernachlässigt worden. [...] Der Einfluss der Secessionen als Kunstbewegung ist bis heute deutlich im Kunstgeschehen spürbar: etwa durch die davon angeregte Biennale von Venedig als internationale Ausstellung für zeitgenössische Kunst oder aber den Anspruch steter Erneuerung als Triebfeder der künstlerischen Entwicklung“, schreibt Gleis im ausstellungsbegleitenden Katalog. So bot diese Ausstellung auch erstmals die Möglichkeit vergleichende Aspekte dieser Bewegungen sichtbar zu machen, sowie die durchaus vorhandenen stadtspezifischen Charakteristika. Alle drei Secessionen werden heute stets mit einem Künstler verbunden: die Münchner Secession mit Franz von Stuck, die Wiener mit Gustav Klimt und die Berliner mit Max Liebermann.
Die Ausstellung zeigt anschaulich, dass es keinen einheitlichen Secessionsstil gegeben hat, sondern eine große Bandbreite einer künstlerischen Formensprache und der Stilpluralismus das eigentliche Charakteristikum ist.

Jubiläumsausstellung, Eröffnung, Mandarin Oriental München, 2025, Foto: PARNASS
Franz von Stuck nimmt daher auch im Mandarin Oriental einen prominenten Raum ein und ist mit drei interessanten Werken vertreten: die Holztafeln „Pan mit Doppelaulos“ und „Sitzender Pan mit Flöte“, beide um 1895 entstanden sowie „Prometheus“ von 1926. Die beiden Darstellungen des flötenden Pans sind nur im Duo zu erwerben, symbolisieren sie doch die Lebensalter. (€ 280.000) Der jugendliche vor sich hinflötende Faun schlendert leichtfüßig durch eine sattgrüne arkadische Landschaft, während der alternde Faun sitzend mit vollen Backen versucht noch einen Ton aus seiner Flöte herauszubekommen, dabei jedoch schelmisch und zufrieden wirkt. Ganz anders der "Prometheus", der an der Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft angesiedelt ist und die Stimmung nach der radikalen Neuordnung Europas nach dem ersten Weltkrieg ebenso reflektiert wie es auch bereits die dunkle Vorahnungen auf das kommenden Zeitgeschehens erahnen lässt. (€ 350.000) Das Format ist nahezu quadratisch, wie es von vielen Secessionisten bevorzugt wurde, die Rahmen sind opulent und nach den Entwürfen Franz von Stucks gestaltet.
Jubiläumsausstellung "Die Welt zu Gast in München", Franz von Stuck, Sitzender Pan mit Flöte, Pan mit Doppelaulos, um 1895, Mandarin Oriental München, 2025, Foto: Frank Rollitz
Auch die Erweiterung des Kunstbegriffs nahm in der Münchner Secession ihren Anfang. 1896 wurde Plakatkunst gleichberechtigt neben Malerei gezeigt und 1898/99 künstlerische Fotografie. Ebenso zog die Strahlkraft der Münchner Secession internationale Künstler wie etwa Olaf Gulbransson, Eduard Thöny oder Alexej von Jawlensky in die Landeshauptstadt, die auch im Mandarin Oriental mit Werken vertreten sind. Neben einem Plakat, das Jawlensky 1913 für die Große Sommerschau „Neue Kunst“ am Münchner Odeonsplatz gestaltet hat (€ 22.000), ist auch eine sehr feinen Papierarbeit zu sehen. Die mit Öl auf Papier gearbeitete und auf Leinwand aufgezogenen kleine „Meditation“ entstand 1936. Sie stammt ursprünglich aus dem Nachlass und kam 1960 in eine renommierte Privatsammlung und von dort aus zu Kunkel Fine Art. (€ 125.000) Die Gründung der Münchner Secession beförderte auch die Herausbildung weiterer wichtiger Gruppierungen wie der Damenakademie des Künstlerinnenvereins. Da Frauen erst nach dem Ersten Weltkrieg Zugang zur Akademie der Bildenden Künste ermöglicht wurde, war, diese Vereinigung eine alternative Ausbildungsstätte, wie Sonja Lechner ausführte, um Malerei, Zeichnung und Bildhauerei zu erlernen.
Jubiläumsausstellung "Die Welt zu Gast in München", Gabriele Münter, Aus Schwabing, 1910, Mandarin Oriental München, 2025, Foto: Frank Rollitz
Eine der bekanntesten Absolventinnen war Gabriele Münter, die später eine der zentralen Persönlichkeiten des Expressionismus werden sollte und hier mit einer Ansicht aus „Schwabing“ vertreten ist. Die Arbeit, Öl auf Karton (€ 280.000) wurde aus der Ausstellung heraus für die Sammlung Würth erworben. Entscheidend war auch Sichtbarkeit und Publizität für den Erfolg der Münchner Secession. Hier waren vor allem der Verleger Georg Hirth mit seiner Zeitschrift „Jugend“ als auch das von Albert Langen gegründete satirische Wochenblatt „Simplicissimus“, für das Erscheinungsbild der Münchner Secession prägend.
Auch für Wien war die Gründung der Münchner Secession entscheidend. 1894 fand im Wiener Künstlerhaus eine Ausstellung der Münchner Secessionisten statt, die erste Berührungspunkte brachte, und auch vom Kunstkritiker Felix Salten kommentiert wurde: „Was uns die Ausstellung der Secessionisten bringt, das ist die Kunde von einer neuen Malerei, und daß wir diese Kunde jetzt zum erstenmale so deutlich vernehmen, das macht diese Ausstellung zu einem Ereigniß“, (Zitat aus dem Ausstellungskatalog Wien Museum) Und es kann kein Zufall sein, dass nach Franz von Stuck auch Gustav Klimt die Pallas Athene malte und als Schutzgöttin der neuen Bewegung auserkor. Auch in puncto Vereinsstatuten, Geschäftsordnung, öffentlichen Auftreten orientierte man sich an München. Die Ausstellung lässt uns also auch eintauchen in ein Stück Kunst- und Zeitgeschichte. Insgesamt war entsprechend der Meisterwerke das Preisniveau hoch, doch fanden einige Bilder bereits bei der Eröffnung Eingang in neue Sammlungen. Wie auch die beiden Ansichten von München des früh verstorbenen Charles Johann Palmié, der die Stadt wie Sonja Lechner treffend schreibt: „in impressionistisches Licht“ tupfte
Jubiläumsausstellung "Die Welt zu Gast in München, Mandarin Oriental, Charles Johann Palmié, li: Blick über München, um 1910, re: Blick über München mit dem Turm des neuen Rathauses, 1905, Foto: Frank Rollitz
Mandarin Oriental und Kunst
Betreut durch Kunstkonnnex werden auch in den Zimmern und in den öffentlichen Räumen des Hotels Orginale gezeigt. Hier dominieren Arbeiten des deutschen Künstlers Felix Rehfeld. Drei Mal pro Jahr werden in der Lobby Ausstellungen gezeigt, Künstler:innen aus dem Bereich der emerging artists, die gerade erst im Begriff sind, sich auf dem Ausstellungs- wie Kunstmarkt zu etablieren. Zum Jubiläum jedoch zeigt das Hotel mit Meisterwerken des Fin de siècle eine besondere Schau, die München als Kunststadt ehrt. Diese museale Ausstellung konnte dank Alexander Kunkel umgesetzt werden, dessen Galerie Kunkel Fine Art Spezialist für diese Epoche ist. Namen, die man gemeinhin aus Museen kennt, glänzen nun bis zum 15. Juni an den Wänden des Mandarin Oriental und sind für jedermann frei zugänglich – verbunden mit der Möglichkeit mit Kunst im Hotel eine kurze Auszeit vom hektischen Alltag zu nehmen.