Fotos die unter die Haut gehen

Anton Corbijn im Kunstforum

Anton Corbijn, Nina Hagen und Ari Up, Malibu 1980, © Anton Corbijn

Einmal nicht auf die bekannten Celebrity-Shots setzen, sondern den kunsthistorischen Aspekt dieser Fotografien beleuchten: So zeigt das Kunstforum Wien den Fotografen Anton Corbijn zu dessen 70. Geburtstag in einem neuen, spannenden Kontext.


Bewusst Geschichten erzählen: Das ist der Strang, der sich durch Anton Corbijns fast vier Jahrzehnte umfassendes Werk zieht. Ob es seine Porträts von Rockstars, Schauspielgrößen und Kunstschaffenden, seine Musikvideos oder seine ab 2010 entstandenen Filme sind – sie alle gehen unter die Oberfläche. Und so lässt sich der Titel der Schau, „Favourite Darkness“, nicht nur auf das lochartige Schwarz in seinen Schwarz-Weiß-Bildern beziehen, sondern vielleicht auch auf den Kern seiner Protagonist:innen. Der Sohn eines protestantischen Priesters und einer Krankenschwester aus Strijen in den Niederlanden rebellierte gegen die weißen Wände zu Hause, als er in den 1980er-Jahren anfing, sich an der christlichen Ikonografie abzuarbeiten.

Hier schlägt Kuratorin Lisa Ortner-Kreil die Brücke zu einer Neubewertung von Corbijns Werk, indem sie seiner Serie von ausufernden Grabskulpturen seine Porträts von Musikstars gegenüberstellt. All die Engel, Sensen oder Kreuze nützt Corbijn als Requisiten zur Inszenierung der Menschen: Depeche Mode porträtiert er neben dem gekreuzigten Jesus, Bryan Ferry hält einen Teufels-Dreizack und David Bowie posiert im Lendenschurz als Schmerzensmann.

Anton Corbijn, Arcade Fire, Marseille 2010, © Anton Corbijn

Anton Corbijn, Arcade Fire, Marseille 2010, © Anton Corbijn

„Bildprogramme, die wir in unserem kulturellen Kontext abgespeichert haben, verwendet Corbijn ganz unmittelbar zur Darstellung der Künstler:innen“, erklärt Ortner-Kreil. Auch direkte Verweise auf die Kunstgeschichte erkennt die Kuratorin. So lässt das Foto von Dave Gahan, Sänger von Depeche Mode, in seiner Inszenierung an Andrea Mantegnas „Beweinung Christi“ aus dem 15. Jahrhundert denken. Anlehnungen an Botticellis Venus (Courtney Love als Schaumgeborene) oder Leonardo da Vincis Abendmahl (Arcade Fire am langen Tisch) werden durch kluge Gegenüberstellung präsent.

Man sieht das Vertrauen, das die Porträtierten zu ihm haben. Corbijn hat keinen sexualisierten Blick, und das finde ich zeigenswert.

Lisa Ortner-Kreil, Kuratorin

Generell fokussiert die Schau jedoch nicht darauf, wen Corbijn fotografiert hat, sondern wie. „Was für mich das Konzept hinter seiner Arbeit ausmacht, das ist das große Ganze. Corbijn hatte schon immer einen zeitlosen, fast anti-zeitgeistigen Ansatz. Durch diese große Konsequenz, dieses Sich-selbst-Treubleiben über Jahrzehnte ergibt sein Werk ein Kontinuum, das beeindruckend ist.“

Anton Corbijn, Dave Gahan, Frankfurt 1993, © Anton Corbijn

Anton Corbijn, Dave Gahan, Frankfurt 1993, © Anton Corbijn

Corbijn verleiht Musik ein Bild. Bekannt ist er vielen für seine langjährige Arbeit mit Depeche Mode; die Ausstellung hält hier einige Schätze bereit, wie Zeichnungen von Bühnendesigns oder das originale Fotogramm mit der Rose des „Violator“-Covers. „Mir geht es aber nicht um einen Fan-Schrein, sondern ich möchte zeigen, wie er die Identität und den Stil der Band miterschaffen hat“, führt Ortner-Kreil aus.

Corbijn hatte schon immer einen zeitlosen, fast anti-zeitgeistigen Ansatz.

Lisa Ortner-Kreil, Kuratorin

Ein anderer Aspekt der Schau ist der Blick des Fotografen auf Frauen. Nicht umsonst ist ein Foto von Nina Hagen und Ari Up das Hauptsujet, und Corbijns Abbildungen weiblicher Personen ist ein ganzer Raum gewidmet. Es sind feinfühlige Aufnahmen. „Man sieht das Vertrauen, das die Porträtierten zu ihm haben. Corbijn hat keinen sexualisierten Blick, und das finde ich zeigenswert“, erläutert die Kunsthistorikerin.

Anton Corbijn, Jodie Foster, Hollywood 1995, © Anton Corbijn

Anton Corbijn, Jodie Foster, Hollywood 1995, © Anton Corbijn

Bank Austria Kunstforum

Freyung 8, 1010 Wien
Österreich

Anton Corbijn. Favourite Darkness

bis 29.06.2025

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